Es könnte so friedlich sein

Manchmal sehne ich mich danach, Dinge zu sehen, zu hören, zu fühlen, die friedlich sind. Ruhe sollen sie ausstrahlen, weg sein von jeglicher Panikmacherei.
Nein, ich ignoriere nicht die Realität, aber ich brauche diese Momente, um meine Kraft zu behalten und klares Denken.

Jeden Tag, seit Januar, habe ich über das Netz beobachten können, wie sich am Big Bear Lake aus zwei winzigen Weißkopf-Seeadlern kräftige Jungvögel entwickelt haben. Das haben sie ihren Eltern zu verdanken, die sie mit reichlich Futter versorgt und beschützt und behütet haben. Die beiden Geschwister beobachten zu können, ist eine Freude. Sie machen alles zusammen, lernen voneinander, kuscheln. Bestimmt fliegen sie auch zusammen weg, wenn der Tag gekommen ist.

Die Schwestern trainieren jedenfalls schon fleißig. Man ist inzwischen fast sicher, dass es zwei Mädchen sind. Ehe ich schlafe, muss ich noch schnell mal schauen, was die Adler machen. Dann ist alles gut und ich finde Ruhe in den unruhigen Zeiten. Wenn es doch nur überall so friedlich sein könnte.

Die San Bernardino Mountains, in denen sich der See und der Adlerhorst befinden, hatte ich vom Flugzeug aus gut sehen können. Auch als wir eine Schifffahrt auf dem Ozean gemacht haben, konnte ich das Gebirge in der Ferne betrachten. Irgendwann fahre ich da mal hin, nahm ich mir vor. Daraus wird wohl vorerst nichts werden. Ich war auf dem Weg, mein Bild von einem anderen Land auf den Prüfstand zu stellen, alle Voreingenommenheiten beiseite zu schieben, das Gute zu sehen und viel an Eindrücken mit nach Hause zu nehmen. All mein Denken und Fühlen hat es aber jetzt wieder arg durcheinander gewirbelt. Ich werde weiter Kontakte pflegen und wer weiß, vielleicht wird doch noch einiges gut. Ich möchte es zu gerne glauben.

Mit Seeadlern kann ich hier nicht dienen, aber meine Stare machen ihre Sache auch gut. Ich muss mir schon überlegen, wie und wofür ich Geld ausgebe. Für die Vögel vor meinem Fenster verzichte ich halt mal auf etwas anderes. Es macht mir so viel Freude, das Treiben da draußen zu beobachten!
Die Stare werden sich bald wieder auf den Weg machen. Ich freue mich jetzt schon darauf, wenn sie im nächsten Jahr wieder zu mir kommen. Dafür putze ich da draußen halt auch mal öfter.

Auch das sind friedliche Bilder. Aber die Lebendbedingungen für die Vögel werden immer schwieriger. Grünflächen werden zugebaut, Bäume und Büsche entfernt und damit Nistmöglichkeiten. Ich will versuchen, wenigstens für ein klitzekleines Stück Normalität zu sorgen. Und genau das wünsche ich mir für die ganze Welt.

Nachtrag:
Sunny, das vier Tage ältere Adlermädchen ist gestern ausgeflogen.

Weißkopf- Seeadler am Big Bear Lake

Eine Naturbetrachtung aus der Ferne

Los Angeles liegt in einem Becken, ist östlich und nördlich von Bergen umgeben. In die Berge wollte ich immer mal fahren auf meiner Reise, aber es war Winter und der war in dem Jahr heftig.

Vom Flugzeug aus konnte ich noch ein Foto machen vom Big Bear Lake und mein Schwiegersohn hat mir ein Foto geschickt von verschneiten Bergen, nördlich von L.A., die sonst im Winter kaum Schnee haben. Die Berge in den San Bernardino Mountains im Ostern habe ich ganz in der Ferne gesehen, als wir mit einem Schiff unterwegs waren von Long Beach aus. Es war diesig, aber die Berge kann man noch erahnen. Big Bear ist ein beliebtes Wintersportgebiet, aber in diesem Jahr gab es dort ein ordentliches Schneechaos. Das Gebiet war gesperrt und musste aus der Luft versorgt werden.

das Foto vom Schwiegersohn

Vor einigen Tagen schickte mir meine Tochter einen Link zu einer Seite „Friends of Big Bear Vallay“. (Wenn man in der Statuszeile, rechts neben dem Schließen-Symbol klickt, kann man sich eine Übersetzung anzeigen lassen.)
Ich finde es gut, dass es überall auf der Erde Menschen gibt, die sich einsetzen für die Natur, die sie umgibt. Es macht mir Hoffnung.

Das Besondere ist aber, dass es am Big Bear Lake Kameras gibt (eine Nestkamera und eine aus Fernsicht), über die man rund um die Uhr sehen kann, wie zwei Weißkopf-Seeadler ihre Jungen aufziehen. Weit oben auf einem Baum kann man in ein Nest schauen. Solche Einblicke wären uns sonst verborgen.

Ich wusste nichts über die Adler, die das Wappentier der USA sind. Jetzt weiß ich, was sie fressen, wann die ersten dunklen Daunenfederchen der Küken wachsen, dass zuerst die Füße der Kleinen wachsen und sich schon Klauen bilden. Die kleinen versuchen sich nach wenigen Tagen aufzurichten, stolpern ab und an über ihre großen Füße und beginnen bald mit den winzigen Flügelchen zu wedeln. Die Muskeln müssen gestärkt werden, denn sie sollen einmal einen ordentlich großen Adler tragen.

Ursprünglich hatten die Eltern drei Küken, aber dann kam ein ordentlicher Schneesturm Eines der Küken hat den nicht überlebt. Warum ist unklar und es ist auch recht traurig, aber so ist das nunmal in der Natur. Wir sind nur Beobachter.
Meine Hütehunde waren anno dunnemals auch so eingeschneit und ich war panisch, weil ich dachte, sie waren geklaut worden.

Die Adler-Eltern wechselten sich ab und wärmten die beiden verbliebenen Küken. Währen ein Elternteil Futter besorgte, hütete das andere den Nachwuchs. Ich fand es sehr rührend, wie sanft das Alttier auf das Nest steigt und die Kleinen unter die eigenen Federn nahm. Ich wusste nicht, dass die Eltern eine kahle Hautfalte am Bauch haben. Sie sorgt für gute Wärme für die Kleinen, denn sie ist während der Brutzeit besonders gut durchblutet.

Inzwischen sind die Kleinen schon ordentlich gewachsen. Sie werden ja auch gut versorgt von ihren Eltern. Manchmal lassen die Eltern sie schon alleine, wenn die Sonne scheint und es kein Unwetter gibt. Sie bleiben aber in der Nähe und haben immer ein Adlerauge auf die Kleinen.
Papa Adler schleppt Stöcke an und sichert damit die Kanten des Nestes ab. Als ob er einen Laufstall baut für die Küken!

Gerade läuft ein Nameswettbewerb. Ich habe meine Tochter gebeten, pro Küken eine Spende und einen Namen für mich einzusenden. Ich mag keine Geburtstagsblumen haben, so ist mir das lieber. Jeder Einsender bekommt eine Urkunde und ich hoffe, das meine bald neben der vom NABU-Patenschaf hängt.

Wenn jemand etwas von mir will kann es passieren, dass ich sage: „Warte mal kurz. Ich muss erst mal schauen, wie es meinen Adlern geht am anderen Ende der Welt, am Big Bear Lake.“