Also tanzen wir

Eine komische Überschrift ist das, gell? Das klärt sich aber gleich auf. Nach tanzen war mir allerdings wirklich, mit einem Vokabelheft in der Hand.

Es war hier ruhig, weil ich Zeit für mich brauchte. Mein Rheuma machte mir zu schaffen, unqualifiziertes Geschwätz im Netz auch und ebenso ständige Gruselnachrichten und viele Dinge, die mir als gut und richtig angepriesen werden und die ich aber gar nicht mag. Kurz: Mir hatte es die Suppe verhagelt. Auf nichts, gar nichts, hatte ich Lust. Das änderte sich aber wieder auf ganz einfache Weise.
Ich bekam mit, dass meine Kinder am Sprachen lernen sind und Herr E. auch. Jeder lernte zwar eine andere Sprache, aber sie lernten. Ich habe erstmal überlegt, welche Sprache bei mir dran glauben muss und dann habe ich mich in einem Online-Portal wieder angemeldet und mir ein Buch gekauft. Auf ging es! Mir war nach Tanzen.

Auf geht's!

Ich lerne wieder Französich, will etwas zu Ende bringen, was ich vor vielen Jahren abgebrochen hatte. Dass ich den Entschluss gefasst hatte, lies mich tatsächlich tanzen. Es war wie eine Erlösung.

Ich war mal gut in der Sprache und zusammen mit meiner Freundin musste ich zu tiefsten DDR-Zeiten französiche Jugendgruppen betreuen oder französich sprechende Gäste durch das Altenburger Schloss führen. Uns hat es großen Spaß gemacht, wir kamen gut zurecht. Es entstanden auch Freundschaften. Briefe wanderten hin und her, auch kleine Geschenke und Ansichtskarten.

Eines Tages kam ich nach Hause und meine Eltern baten mich zu einem Gespräch. Mein Vater war Polizist und seiner übergeordneten Behörde war bekannt geworden, dass ich Kontakte nach Frankreich unterhielt. Das ging nicht, war man der Meinung. Wenn ich das nicht unterlasse, verliert mein Vater seinen Job. Mein Adressbuch war weg, alle Briefe und die kleinen Geschenke auch, eigentlich alles, was an Frankreich erinnerte.

Ich weiß jetzt, welche Sprache ich wieder lernen will und nun ist mir nach tanzen.
Liebe Elvira, ich hab das Lesezeichen immer noch. Es hilft beim Vokabelmn lernen.

Ich war so sauer, dass ich meinen Eltern und der Schule gegenüber erklärte, dass sie von nun an die Sprache selber lernen und sich auch selber um die französichen Gäste kümmern sollen. Im Abi war ich in der Französichprüfung, meisterte das mit Pravour und (!) war raus.

Jetzt war mir plötzlich klar, welche Sprache ich (wieder) lernen sollte. Ich will das zu Ende bringen, was ich damals abgebrochen habe. Und: Ich werde das Land besuchen.
Dieser Beschluss ließ mich tatsächlich tanzen. Alors on danse; Also tanzen wir. (Achtung: Link führt zu Youtube. Mir gefällt Stomae sehr und für mich ist es gleich die Lektion 1)

Warum mir das Schreiben heute so richtig schwer fällt.

Zu Täve Schur wollte ich schreiben und zum Buch „Spur der Steine“. Eigentlich. So richtig klappt das aber noch nicht.

Täve Schur ist 90 Jahre alt geworden.

Meine Silke vom Literatur Treff Grünau hatte auf eine Fernsehdokumentation hingewiesen. „Darüber schreibe ich!“, meinte ich sofort und auch, dass mir das einen Blogbeitrag wert ist. Und dann zeigte es sich, dass mir das Schreiben schwer fiel, schwerer als gedacht.

Ich hatte mir schon mir alte Dokumente zusammen gesucht, machte schon mal den Rechner an und schaute den Beitrag. Täve finde ich immer noch bewundernswert, seine sportlichen Leistungen, seine Menschlichkeit, die Ehrlichkeit, seine Aktivitäten jetzt im Alter.

Schreiben über damals fällt mir schwer
Diese Unbeschwertheit möchte ich wieder haben. Dann wäre auch das Schreiben nicht so schwer.

Erinnerungen wurden wach. Wenn die Friedensfahrt-Fanfare erklang hockten wir am Radio und drehten lauter. Sehr oft kam der Trupp durch meinen Heimatort. Ich glaube, die meisten standen an der Straße und warteten. Und wenn dann die ersten Begleitfahrzeuge zu sehen waren, ging ein Rufen los: „Täve!Täve!“.

Ich war ein kleines Mädchen und mir ging das auf der Straße immer viel zu schnell. Wer wer war, sah ich immer nicht, zwischen den drängelnden Erwachsenen gleich gar nicht. Beeindruckt hat es mich immer sehr, am Straßenrand und auch zu Hause am Radio.
Wir Kinder spielten Friedensfahrt. Jeder wollte wie Täve sein. Jaja, auch ich als Mädchen. 😀

Den Zusammenhalt fand ich gut, in der Mannschaft, zwischen den Sportlern, aber auch zwischen denen am Straßenrand. Wenn es sehr heiß war, rollte die Feuerwehr die Schläuche aus und sprühte sachte Wasser auf die Straße, damit es eine kleine Erfrischung geben konnte für die Fahrer. Trinkwasser wurde gereicht und für die am Straßenrand hatte der Fleischer den Grill angeworfen. Beim Schreiben jetzt geht mir die Frage durch den Kopf, wann ich in den letzten Jahren solche Gefühle hatte.

Glückwunsch, Täve, zum Geburtstag und dass du dir treu geblieben bist.

Unbeschwertheit
Mein Vater machte diese Fotos. Oh ja, ich hatte eine schöne Kindheit und war ein fröhliches Kind.

Schreiben über die Spur der Steine?

Vor einigen Tagen schrieb Wilhelm über ein Buch, welches er gerade gelesen hatte, Spur der Steine von Erik Neutsch. Den Film mochte ich nicht, aber über das Buch haben wir damals diskutiert, nächtelang. Um Veränderungen ging es uns.
Vielleicht war das Buch deshalb den Parteioberen so ein Dorn im Auge? Weil es Diskussionen auslöste?

Nein, wir wollten nicht die DDR abschaffen. Wir wollten, dass einiges anders wird, besser, mit Freiheiten. Anderes sollte schon bleiben, wie die Bildungschancen oder die Frauenförderung.
Frisch von der Uni, an der ersten Arbeitsstelle, stand das Thema wieder, mit lautem Nachdenken und öffentlich Fragen stellen. Und plötzlich waren wir Trotzkisten und Sektierer.
Ich war also mittendrin im Schlamassel.

Es ist mir nicht gelungen, die DDR besser zu machen. Was danach kam betrachte ich als persönliche Niederlage. Vielleicht hätte ich weit weggehen sollen. (so wie meine älteste Tochter es getan hat)
Wie einige meiner Freunde das Mäntelchen plötzlich in den Wind hängen und alles vergessen könnten, was an Idealen mal da war, das konnte ich nie.

Darüber schreiben ist aber auch verdammt schwer, weil man sich angreifbar macht, einem dann auch ganz fix DDR-Nostalgie, Systemtreue und ähnliches nachgesagt wird. Komisch.
Aufarbeiten muss ich es aber dringend und vielleicht fällt mir dann einiges leichter, das Schreiben darüber zum Beispiel. Ich möchte immer noch, dass die Welt ein bisschen besser wird, nur eben jetzt unter ganz anderen Bedingungen und mit etwas anderen Inhalten.

das Schreiben über damals
Das „Herausgeputze“ war gar nichts für mich. Meist endete das mit Ärger. Man sieht es mir an, gell?