Warum mir das Schreiben heute so richtig schwer fällt.

Zu Täve Schur wollte ich schreiben und zum Buch „Spur der Steine“. Eigentlich. So richtig klappt das aber noch nicht.

Täve Schur ist 90 Jahre alt geworden.

Meine Silke vom Literatur Treff Grünau hatte auf eine Fernsehdokumentation hingewiesen. „Darüber schreibe ich!“, meinte ich sofort und auch, dass mir das einen Blogbeitrag wert ist. Und dann zeigte es sich, dass mir das Schreiben schwer fiel, schwerer als gedacht.

Ich hatte mir schon mir alte Dokumente zusammen gesucht, machte schon mal den Rechner an und schaute den Beitrag. Täve finde ich immer noch bewundernswert, seine sportlichen Leistungen, seine Menschlichkeit, die Ehrlichkeit, seine Aktivitäten jetzt im Alter.

Schreiben über damals fällt mir schwer
Diese Unbeschwertheit möchte ich wieder haben. Dann wäre auch das Schreiben nicht so schwer.

Erinnerungen wurden wach. Wenn die Friedensfahrt-Fanfare erklang hockten wir am Radio und drehten lauter. Sehr oft kam der Trupp durch meinen Heimatort. Ich glaube, die meisten standen an der Straße und warteten. Und wenn dann die ersten Begleitfahrzeuge zu sehen waren, ging ein Rufen los: „Täve!Täve!“.

Ich war ein kleines Mädchen und mir ging das auf der Straße immer viel zu schnell. Wer wer war, sah ich immer nicht, zwischen den drängelnden Erwachsenen gleich gar nicht. Beeindruckt hat es mich immer sehr, am Straßenrand und auch zu Hause am Radio.
Wir Kinder spielten Friedensfahrt. Jeder wollte wie Täve sein. Jaja, auch ich als Mädchen. 😀

Den Zusammenhalt fand ich gut, in der Mannschaft, zwischen den Sportlern, aber auch zwischen denen am Straßenrand. Wenn es sehr heiß war, rollte die Feuerwehr die Schläuche aus und sprühte sachte Wasser auf die Straße, damit es eine kleine Erfrischung geben konnte für die Fahrer. Trinkwasser wurde gereicht und für die am Straßenrand hatte der Fleischer den Grill angeworfen. Beim Schreiben jetzt geht mir die Frage durch den Kopf, wann ich in den letzten Jahren solche Gefühle hatte.

Glückwunsch, Täve, zum Geburtstag und dass du dir treu geblieben bist.

Unbeschwertheit
Mein Vater machte diese Fotos. Oh ja, ich hatte eine schöne Kindheit und war ein fröhliches Kind.

Schreiben über die Spur der Steine?

Vor einigen Tagen schrieb Wilhelm über ein Buch, welches er gerade gelesen hatte, Spur der Steine von Erik Neutsch. Den Film mochte ich nicht, aber über das Buch haben wir damals diskutiert, nächtelang. Um Veränderungen ging es uns.
Vielleicht war das Buch deshalb den Parteioberen so ein Dorn im Auge? Weil es Diskussionen auslöste?

Nein, wir wollten nicht die DDR abschaffen. Wir wollten, dass einiges anders wird, besser, mit Freiheiten. Anderes sollte schon bleiben, wie die Bildungschancen oder die Frauenförderung.
Frisch von der Uni, an der ersten Arbeitsstelle, stand das Thema wieder, mit lautem Nachdenken und öffentlich Fragen stellen. Und plötzlich waren wir Trotzkisten und Sektierer.
Ich war also mittendrin im Schlamassel.

Es ist mir nicht gelungen, die DDR besser zu machen. Was danach kam betrachte ich als persönliche Niederlage. Vielleicht hätte ich weit weggehen sollen. (so wie meine älteste Tochter es getan hat)
Wie einige meiner Freunde das Mäntelchen plötzlich in den Wind hängen und alles vergessen könnten, was an Idealen mal da war, das konnte ich nie.

Darüber schreiben ist aber auch verdammt schwer, weil man sich angreifbar macht, einem dann auch ganz fix DDR-Nostalgie, Systemtreue und ähnliches nachgesagt wird. Komisch.
Aufarbeiten muss ich es aber dringend und vielleicht fällt mir dann einiges leichter, das Schreiben darüber zum Beispiel. Ich möchte immer noch, dass die Welt ein bisschen besser wird, nur eben jetzt unter ganz anderen Bedingungen und mit etwas anderen Inhalten.

das Schreiben über damals
Das „Herausgeputze“ war gar nichts für mich. Meist endete das mit Ärger. Man sieht es mir an, gell?

16 Gedanken zu „Warum mir das Schreiben heute so richtig schwer fällt.“

  1. Liebe Gudrun, trösten kann ich dich leider nicht, über die DDR schreiben auch nicht – ich war zum Glück nicht in der Bredouille. Aufarbeiten müssen wir im Westen und im Osten so einiges, das liegt nur bedingt am System, es liegt am Menschen im Allgemeinen.
    Hach, ich wollte eigentlich heute nur einen Gruß dalassen und dich herzlich grüßen!

    1. Das tut gerade sehr gut, liebe Piri. Vielen Dank.
      Reden und Schreiben müsste man viel mehr. Mir fällt es bloß gerade verdammt schwer, ich bin zu dünnhäutig im Moment.
      Ich grüße dich herzlich zurück.

  2. Das mit dem Schreiben über die DDR und meine Rolle in ihr und in der Zeit zwischen 1988 und dem Anschluß, das drückt auch mich. Oder auch meine Erinnerungen an die Menschen und ihre glücklichen und weniger glücklichen Menschen … Manchmal denke ich, daß es da eine Gemeinschaftsarbeit braucht, wir die Vereinzelung durchbrechen müßten …

    Ich hab hier ein Buch, das ich Dir, wenn ich es aus der Hand legen kann, gerne mal vorbeibringen möchte.

    1. Alleine kommen wir auch alle nicht weiter. Das stimmt. Vergessen möchte ich aber nichts und neue heile Welt geht auch nicht. Sie ist alles andere als heil.
      Mit dem Buch vorbei bringen, lass uns mal noch warten. Ich habe im Moment zu niemand Kontakt. Da ich nicht mit baldiger Impfung rechne, ist das der einzige Weg, diese elende Pandenie zu überleben. Ich habe noch was vor.

  3. Zu Täve Schur schreibe ich mal nichts – dazu weiss ich zuwenig über ihn (mal abgesehen davon, was Wikipedia über ihn schreibt und was nicht gerade ein Ruhmesblatt für ihn zu sein scheint)

    Was die Spur der Steine angeht:
    Für mich war das durchaus interessante Lektüre und ein Eintauchen in eine völlig fremde Welt – teils auch mit sehr zwiespältigen Gefühlen, wenn ich die Geschichte aus dem Blickwinkel meiner westlichen Sozialisation betrachte und mit dem Wissen von heute lese.

    Immerhin spielt die Geschichte ja in einer Aera, die gute sechzig Jahre zurück liegt und in einem politischen System, welches sich grundlegend von dem unterschieden hat, in dem ich gelebt habe und aufgewachsen bin. (Und ich vermute mal, ähnliches könntest Du aus Deinem Blickwinkel über politisch angehauchte Literatur schreiben, die zu Adenauers moralinsauren Zeiten hier im Westen entstanden ist und eine genauso fremde Welt für Dich eröffnen würde)

    Klar geworden ist mir dabei vor allem eines:
    Das ich viel zu wenig über das Leben in der DDR der sechziger Jahre weiss – und dass das wenige, was ich bisher wusste auch deutlich vorgeprägt ist von dem, was damals öffentlich in der alten BRD dazu propagiert wurde – wo beileibe auch nicht alles gut war.
    Also nicht viel mehr als Wissen aus zweiter Hand und gefiltert durch die von Politik und Medien negativ eingefärbte Grundeinstellung dem Ulbricht-System gegenüber…..

    Um so spannender wäre für mich allerdings gewesen, Deine Sicht auf das Buch zu erfahren – und auch, welche kritischen oder zustimmenden Argumente es dazu in Euren Diskussionen gab…
    Denn manche Fragen zum Inhalt der Geschichte und zum Alltag in der DDR sind für mich immer noch offen (bzw. haben sich erst durch die Lektüre aufgetan) und ich hatte ein wenig gehofft, das Du da ein wenig zur Aufklärung beitragen könntest…..

    1. Das mit dem Ruhmesblatt verstehe ich jetzt nicht, aber es ist auch nicht so wichtig.
      Zu unseren Diskussionen damals werde ich im Blog sicher nicht viel schreiben. Es ist zu persönlich, lieber Wilhelm, und auch zu emotional. Es wäre ja öffentlich. Das will ich erstmal gar nicht. Ich weiß, dass es gut wäre zu reden, aber es ist mir auch oft nicht gut bekommen. Reden erstmal im kleinen Kreis, das wäre eher was.

      1. Die Sache mit den Ruhmesblatt bezieht sich auf bei Wikipedia kolportierte und auch anderswo im Netz nachlesbare, lange nach dem Ende der DDR gemachte Äusserungen Schurs, in der er Mauerbau und Schiessbefehl an der Grenze zwischen unseren Ländern als völlig legitim und richtig verteidigte.

        Legitim mag beides ja im Rahmen der damals in der DDR gültigen Gesetzgebung vielleicht gewesen sein, aber ob man es unter ethischen Aspekten – und in der Rückschau – ohne wenn und aber als „richtig“ bezeichnen kann, darf zumindest bezweifelt werden.
        Insofern hat Schur sich mit solchen Äusserungen wohl keinen Gefallen getan – wie auch mit seiner Verleugnung der inzwischen mehrfach bewiesenen und belegten Doping-Strategie im DDR-Sport.

        Womit ich seine sportlichen Qualitäten keinesfalls schmälern will….

  4. Ich lese gerade: Tamm Tamm und Tabu – 30 Jahre ohne Bewährung von Rainer Mausfeld und Daniela Dahn. Auch finde ich es wichtig darüber zu schreiben, über die persönlichen Erlebnisse. Angreifbar macht man sich mit beim Schreiben immer. Da braucht es eine Menge „Wer hinter meinem Rücken redet, redet mit meinem Arsch“.

    1. Den Spruch werde ich mir merken. Unbedingt.
      Ach Karin, manchmal hängt die Existenz dran. Vorher gab es Gängelei und danach auch, noch viel mehr.
      Bis vor kurzem habe ich daran geglaubt, meine innere Ruhe wieder zu finden und einfach „mein“ Leben leben zu können. Geht nicht mehr. Und da bin ich gerade etwas dünnhäutig. Dabei wäre ich schon glücklich, wenn ich mit einem Buch oder Stift und Papier auf dem Deich bei den Schafen sitzen könnte.

  5. Ich musste den Herrn auch erst googlen und halte es wie der Gatte. Ich kann nichts über Täve sagen, ausser das, was bei Wikipedia steht. Ich denke, keiner von uns, die wir im Westen sozialisiert worden sind, kann nachvollziehen, wie es ist, wenn einem von jetzt auf gleich mal eben eine neue Gesellschaftsordnung übergestülpt wird. Und nichts anderes war es ja, ein Überstülpen, ein kritikloses Festhalten, an allem, was aus dem Westen kam. Nichts von dem, was „drüben“ besser lief, hat man übernommen. Der Einheitstaumel ist mir schon damals auf den Senkel gegangen. Die, die kritisch waren, sind gnadenlos niedergebrüllt worden. Man hat, wie so oft, Chancen vertan. Mal ganz abgesehen davon, dass sich nicht wenige aus dem Westen wie die Vandalen benommen haben und einfach nur das große Geld witterten. Umso tragischer, dass vielen von denen, die da nicht mithalten konnten oder auch wollten, das als persönliche Niederlage und nicht als gesellschaftliche, empfinden, die es für mich ist.
    Ich kann auch schlicht nicht beurteilen, wie das mit der Gleichberechtigung wirklich aussah… die Erfahrung im Westen war und ist, dass wir immer dann besonders gleichberechtigt waren, wenn wir als Arbeitskräfte gebraucht wurden. Je schlechter der Arbeitsmarkt, desto mehr Rollen rückwärts zu Heim und Herd. Auch in der DDR wird nicht wenig aus politischem Kalkül heraus passiert sein. Ich fände es schon spannend, zu lesen, wie die Menschen das erlebt haben. Sowohl die DDR als auch das danach. Ich war als Schülerin mal auf einer Projektreise in der DDR und ich habe dann nach der Wende mal ein gutes Jahr in Leipzig gelebt und hatte viele Kolleginnen, die von ihrem Leben erzählt haben. Wobei die meisten noch sehr jung waren und vieles gar nicht so bewußt miterlebt haben.
    Das Erlebte und dessen Folgen lassen sich ganz sicherlich nicht einfach abschütteln… ich kann mir schon vorstellen, dass es eine Art Lebenstrauma ist, das es zu bewältigen gilt

    1. Es musste Veränderungen geben, liebe Frau Momo. Ich musste bei einer Direktorin antanzen, weil sie meine Gesinnung überprüfen wollte und danach entscheiden, ob ich dort weiter unterrichten darf. Den Namen der Frau habe ich bis heute nicht vergessen. Nach der Wende war ich plötzlich systemtreu oder so was. Ja wie denn nun?
      Naja, wie die Gleichberechtigung in denFamilien aussah, weiß ich nicht. Ich fand es sehr gut, dass ich die gleichen Bildungschancen hatte wie die Jungens in meiner Gegend. Ich hätte auch Obersteiger im Bergbau werden können. Später wusste ich, dass ich genau wieder dort anfangen kann zu arbeiten, wo ich vor der Babypause aufgehört hatte. Ich dachte, dass das alles völlig normal ist. Ich dachte gar nicht daran, dass anderswo die Ehemänner oder Väter noch gefragt werden mussten, ob man arbeiten darf. Nee, alles rosé war es nicht, aber die Frauenrechte standen in der Verfassung. Meine Mutter mit ihrer Erziehung tat sich allerdings schwer damit.
      Mit dem Verschwinden der Betriebe und der Arbeitsplätze verschwanden allerdings auch bestimmte Werte. Es gab ihn, den Zusammenhalt. Jetzt ist nichts mehr davon da, oder zumindest wenig. Ich habe mir nie anmerken lassen, welche Probleme ich hatte mit der neuen Gesellschaft, mit Arbeitslosigkeit und allem drum und dran. Meine Kinder kommen gut in der Neuen zurecht, finden nicht alles gut, aber schon ihren Weg. Ich tue mich da schwerer. Als ich jetzt die Rente beantragte, fragte mich die Dame, ob ich vor der offiziellen Grenzöffnung mal im Westen war, so über die grüne Grenze und wenn es nur einen Tag wäre. Dann wäre meine Rente nach Westniveau berechnet worden. Aber so? Ich wollte hier etwas ändern, hier bleiben. Tja.
      Ich bin froh, dass ich Freunde habe aus dem ehemaligen anderen Teil Deutschlands. Das rückt mein Weltbild ganz gut gerade. Ihr beide im Norden gehört da dazu.

      1. Hallo Gudrun, wir hatten ja schon ein wenig gesprochen. Aber dieser Satz in deinem Kommentar: „Als ich jetzt die Rente beantragte, fragte mich die Dame, ob ich vor der offiziellen Grenzöffnung mal im Westen war, so über die grüne Grenze und wenn es nur einen Tag wäre. Dann wäre meine Rente nach Westniveau berechnet worden. Aber so? Ich wollte hier etwas ändern, hier bleiben. Tja.“ hat mich fast an meiner eigenen Spucke verschlucken lassen. – Kein Kommentar weiter.
        Lieben Gruß zu dir!

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