In der Wollwerkstatt

Gerade bin ich sehr froh, dass ich meine Wolle und meine Wollwerkstatt habe und Wolle zu ganz verschieden Dingen verarbeiten kann. Ich spinne, filze mit der Nadel, stricke. Nebenbei höre ich Musik und gestern habe ich mir die Sitzung des Leipziger Rates angehört. Ach ja, ich möchte schon wissen, wer sich um Lösungen und um Zusammenarbeit mit den anderen bemüht oder wer nur motzt. Jaja, es ist schon interessant.

Neben mir steht ein Korb mit meinen Projekten und manchmal switsche ich zwischen ihnen hin und her. Gut so, da hat immer mal was Pause und anderes geht weiter. Zwei Paar Hüttenschuhe aus dickem Garn habe ich schon an zwei Nachbarn gegeben und zum ersten Mal habe ich die Größe 46 eingestrickt. Die Schuhe sollen nicht nur die Füße, sondern auch die Seele ein bisschen wärmen. Nötig ist es.

Mir geht es immer noch nicht gut. Schmerzen plagen mich, ich schlafe nicht schlecht und irgendwie liegen die Nerven blank. Das Kortison ist schon reduziert, aber es dauert immerhin noch drei Wochen bis ich es los bin.

Beinstulpen hab ich mir gemacht. Sie wärmen und sorgen für ein gutes Gefühl. Unter der Hose sieht man sie nicht. Im Frühling nehme ich sie mir nochmal vor, denn ich hätte sie gerne über die Knie hinaus. Die Wolle stammt von den Leineschafen des Nabu. Eines von denen ist mein Patenschaf. Ich rede mir ein, dass das seine Wolle ist.

Es prasselt gerade viel auf den Kopf herein. Bei gleichem Verbrauch haben sich die Kosten für Fernwärme mehr als verdoppelt und das ist erst der Anfang. Viele machen sich Sorgen. Ich höre zu und stelle fest, dass es mich immer mehr belastet. Und wenn ich dann lese oder höre, dass die Ukraine für Tramp ein Geschäfft ist oder das Polen Reperationszahlungen haben möchte von Deutschland (ich war eine junge Frau als die Zahlungen der DDR endeten), dann kommen mir auch dann doch mal die Tränen.

Die Tochter aus dem Norden hat mir Garn gestrickt. Ich soll jetzt auch mal wieder was für mich machen, sagte sie. Die Farben sind schön und passen genau zu meinen Kleidern. Da werde ich wohl fix die Stricknadeln zücken.

Gestern war nun schon der erste Advent. Eigentlich hatte ich mich darauf vorbereitet, eine Weihnachtsgeschichte vorzulesen. Es war aber viel los bei uns, so dass ich es verschoben habe. Aber morgen, morgen wird es werden. Da hole ich das Buch aus dem Wollkorb.

Den Held spielen ohne einer zu sein.

Dieser Tage hatte ich einen mächtigen Rheumaschub wie schon seit Jahren nicht mehr. Wenn die Wirbelsäule betroffen ist, wird es immer ungemütlich.
Ich kann nie sagen, wann es zuschlägt und auch nicht warum. Wie ein Pulverfass ist das. Und dann wollte ich unbedingt den Held spielen.

„Ich steh das durch!“ „Nur stark sein muss ich. Das erzwinge ich!“
Medikamente wollte ich nicht nehmen. Mit eisernen Willen geht es auch ohne, dachte ich. Und dann hing ich in den Seilen und gar nix ging mehr.

Ich las dann bei der Rheuma-Liga, dass man nicht den Held spielen soll. Sogar reine Schmerzmittel sind besser als gar nix. Von einer verqueren Schonhaltung wird nämlich alles noch viel schlimmer.

Warum ich den Held spielen wollte, weiß ich nicht mehr. So schnell passiert mir das auch nicht wieder. Es ist, wie es ist und ignorieren bringt gar keine Punkte.
„Es“ wird mich auch mal wieder loslassen. Und ich werde auch einiges loslassen müssen. Auf Hochzeiten, wo man mich gar nicht haben will, muss ich auch nicht tanzen wollen.

———————–

Nachtrag: Nach einer Nacht in der Notaufnahme gönn ich mir jetzt doch mal eine Pause. Nein Covid habe ich nicht, aber einen Blutdruck jenseits von Gut und Böse, schmerzindiziert. Der brauchte mehrere Kanonenschläge, bis er sich etwas einholte. Irgendetwas war einfach zu viel.