Die Schafe in dem Watte-Meer

Ein netter Kommentar von Roswitha hat mich daran erinnert, meine Schafgeschichten weiter zu schreiben. Schafe waren eine Zeit lang meine täglichen Begleiter. Ich habe sie beobachtet und ihr Verhalten kennengelernt. Nach einem Weilchen konnte ich ihr Vertrauen gewinnen und bekam ihre Zuneigung zu spüren. Das tat gut, beiden Seiten wahrscheinlich.

In meinem Rucksack steckte so allerlei, wenn ich zu den Schafen ging: eine Pinzette und Betaisadona, falls mal wieder ein Fremdkörper in der Hütehund-Pfote steckte, Wasser, ein Messer, … Nur eines hatte ich nicht: eine Kamera. Und weil es kaum Fotos gibt, beschreibe ich eben mal ein besonderes Ereignis, welches mich bis heute bewegt.

Eines Tages im Herbst war ich auf einem Feld eines Bauern unterwegs. Es war ein ganz ordentlicher Sturzacker, aber die Schafe durften den Auswuchs der letzten Feldbestellung fressen. Das machten sie gern und ganz nebenher düngten sie das Feld und mit ihrem goldenen Tritt sorgen verbessern sie den Boden. Schafe sind Paarhufer und schwer genug, mit ihrem Gewicht auf die Klauen, die Erde zu verfestigen. Gleichzeitig sind sie aber leicht genug, sie nicht zu verdichten.

Herbstzeit - unterwegs iim Nebel
Das Feld im Nebel

Es war neblig als wir loszogen. Meine Haare hingen mir bald in feuchten Strähnen ins Gesicht und die Füßen zierten dicke Erdklumpen an den Schuhen. Meine Hände waren immer schmutzig, wenn ich bei den Schafen war, denn irgendwas war immer. Elegant ist anders, aber ich fühlte mich da draußen mit den Tieren sauwohl. (Oder sollte ich eher „schafwohl“ sagen?)

Die Luft war kühl und roch nach Erde. Es tat gut, so richtig mit Bedacht ganz tief durchzuatmen. Über uns zogen Scharen von Vögeln hinweg und in den Bäumen am Feldrand zankten sich einpaar Krähen. Ansonsten war eine wunderbare Stille, welche nur ab und an von einem „Määäh“ durchdrungen wurde. 

In dicken zerfransten Schwaden waberte der Nebel über das Feld. Im Laufe des Vormittags bemerkte ich, wie sich oben am Himmel der Nebel lichtete. Die Sonne war zu sehen, zuerst verhalten und dann immer stärker. 

Wie ein Vorhang aus milchigem Dunst senkte sich der Nebel der Erde entgegen. Und plötzlich, im Gegenlicht, sah es so aus, als stünden die Schafe in einem Meer aus Watte. Nur der Rücken und der Kopf der Tiere war zu sehen. Die Lichtstrahlen der Sonne, die die Erde erreichten, verwandelten die Landschaft mit den Schafen in ein wunderbar geheimnisvolles Bild. 

Wie friedlich und ruhig das aussah! Dieses Bild vergesse ich nie wieder, auch wenn ich kein Foto davon besitze.
(Die Schafe unten auf dem Bild stehen zwar auch auf einer nebligen Wiese, aber an der Nordsee. Das Foto hat meine Tochter gemacht.)

Ich bin froh, dass Roswitha mich an das Schreiben erinnert hat. Und so kann ich wieder eine Schafgeschichte in den Sammel-Ordner legen

Schafe unterwegs im Nebel
Foto: S. Schröder

33 Gedanken zu „Die Schafe in dem Watte-Meer“

  1. Deine Schilderung erinnerte mich unwillkürlich an den Verhörer beim „Abendlied“ von Matthias Claudius…
    Schafe und ihre Hirten, es gibt viele Redewendungen mit christlichem Hintergrund, und auch in der Sprache findet sich viel Wissen der Schäfer; Schäfer Ast wird da oft zitiert.
    Wer ist eigentlich das sogenannte *schwarze Schaf* der Familie?
    Ein schönes Foto übrigens, typisch dieser Morgennebel auf den Feuchtwiesen hier.
    Liebe Grüße!

    1. Ja, bei uns sind solche Morgennebel selten, je trockener es hier ist, um so weniger. Schön war das, damals. Ich war bei meinen Lieblingstieren, hatte eine Tätigkeit, die ich wollte und die mir Spaß machte und hatte gute Naturerlebnisse. Die Welt war für mich in Ordnung.
      Liebe Grüße an dich, liebe Kelly

    1. Ich gebe mir Mühe, liebe Karin. Ich hatte schon mal angefangen, es aber dann weggelegt. Nun könnte es ja mal weitergehen und vielleicht auch fertig werden.
      Liebe Grüße in deine Schreibstube.

    1. Danke, liebe Silke. Ich denke, einige Geschichten habe ich noch, viele sind schon auf dem Papier. Ich muss auch noch zeichnen und die Orte von damals besuchen.
      Bis bald wieder und liebe Grüße.

    1. Danke, liebe Traudi. Seit damals, der Zeit mit den Schafen, achte ich viel mehr auf die Natur mit ihren kleinen Wundern. Es gibt so viele Dinge, die man achtlos vorbei ziehen lässt. Schade. Die Zeit mit den Schafen hat mich viel gelehrt.
      Ganz liebe Grüße an dich.

  2. Hallo Gudrun, als erstes habe ich mal nachgesehen, was mit dem „goldenen Tritt“ gemeint ist – ich hatte es also richtig vermutet, denn du hast es ja schon ein wenig beschrieben.
    Wenn es bei dir auch wie bei mir ist, dann schreibe – denn schreiben hilft. Bei mir zum Beispiel dadurch, dass es mich auf andere Gedanken bringt und mich zur Konzentration auf das Schreiben verpflichtet – bei dir sind es wahrscheinlich andere Gründe – egal wie, wir bekommen dadurch schöne Schafgeschichten. Vielleicht habe ich doch was verpasst, dass ich noch nie mit Schafen aus der Nähe zu tun hatte.
    Lieben Gruß

    1. Naja, ich möchte die Zeit mit den Schafen einfach nicht vergessen. Das war so ein krasser Umbruch in meinem Leben. Es hatte sich so vieles geändert. Zuerst war ich erschrocken, aber dann ging es mir so richtig gut. Egal, was Ungeplantes und Schlimmes im Leben passiert, es gibt auch Wege daran vorbei. Mir haben die Schafe und zwei Hunde sehr geholfen.
      Ich schreibe meine Erlebnisse von damals einfach auf.
      Liebe Clara, ich grüße dich herzlich.

  3. Liebe Gudrun,
    welch schöne Erinnerung an Deine Zeit mit den Schafen. Und Du hast es so bildlich beschrieben, dass ich mir gut vorstellen kann, wie die Wolken-Landschaft mit den Schafen ausgesehen hat.
    Und dass Du Dich mit und bei den Tieren wohlgefühlt hast, kann ich gut verstehen. Ich habe auch so viele tierische Erinnerungen aus meiner Kindheit und Jugend, in der ich die Ferien regelmäßig bei meinen Großeltern auf dem Bauernhof verbracht habe. Das sind auch Erinnerungen, die ich nie vergessen werde.
    Ganz liebe Grüße schickt Dir die Silberdistel

    1. Vielleicht prägen uns die Erlebnisse aus der Kindheit mehr als wir es ahnen. Ich bin auch mit Tieren aufgewachsen, hatte einen besonderen Freund, neben Hühnern, Kaninchen, einem Schwein Es war ein kleiner Ziegenbock, mit dem ich wunderbar um die Wette laufen konnte. Holte er mich ein, sprang er mir ins Kreuz. Die Erwachsenen durften das nicht sehen, weil er sonst Ärger bekommen hätte.
      Später in der großeen Stadt wurde alles ganz anders, bis …. bis ich die Schafe traf.
      Ich schreibe dir morgen mal eine Mail.
      Herzliche Grüße an dich.

  4. Ach, liebe Gudrun, was für eine schöne, herzerwärmende Geschichte. Du weißt, wie sehr ich sowas liebe. Ich kann mir alles so gut vorstellen, mich hineinträumen. Oh ja, bitte bitte noch mehr davon!!!!

    Wenn frühmorgens Nebel wallen,
    Äpfel in die Wiese fallen,

    wenn ein Schaf das andre drückt,
    weil die Wärme uns entrückt,

    ist vorbei die Sommerzeit,
    denn der Herbst macht sich nun breit.

    Hihi … das hatte ich mal zu Fotos in meinem Blog gedichtet. Grad musste ich dran denken.

    Ganz liebe Grüße zu dir,
    Andrea

    1. Dein Gedicht, liebe Andrea, bekommt einen eigenen Beitrag, denn es gefällt mir sehr. Danke, dass du es hier in den Kommentar geschrieben hast.
      Der Abschied vom Sommer fällt mir immer schwerer. Als ich noch mit den Scafen unterwegs war, habe ich es genommen, wie es kam.Ich war immer draußen. Jetzt schaue ich manchmal aus dem Fenster und denke: „Oh, nee, alles Grau. Heute gehe ich nicht in den Garten.“
      Viele, liebe Grüße an dich.

      1. Oh, liebe Gudrun, das freut mich natürlich ganz sehr. Aber es ist ja nur ein kleines bescheidenes Gedichtlein.

        Mir geht es auch so wie dir. Vor allem, dass die Tage wieder kürzer werden und so kalt und trüb, das ist schon jedes Jahr schlimm. Jetzt hoffe ich wenigstens auf goldene Oktobertage, doch viel versprechen konnte uns der Wettermann heute nicht.

        Hab trotzdem einen schönen Tag! Liebe Grüße!

        1. Es ist aber ein kleines und feines Gedicht. Schafe kuscheln wirklich gerne, untereinander und manchmal auch mit ihrem Menschen.
          Ab heute ist es schon ab um Sieben finster! Ich mag dunkle Jahreszeit überhaupt nicht. Schon jetzt denke ich schmerzlich daran, wie lange wir manchmal im Garten gesessen haben. Jetzt trösten mich Lampen und Kerzen, aber eben nur ein bisschen.
          Der Tag war tatsächlich nch schön sonnig geworden.

            1. Bei uns war es auch so und nochmal richtig schön warm. Heute ist es herbstlich, so, wie ich es gar nicht mag: trübe und nass. Jetzt wird es auch empfindlich kälter.
              Meinem Gastkater hat es draußen heute auch nicht gefallen.
              Liebe Andrea, mach es dir mit Lilly gemütlich.

              1. Die Lilly schreckt das Wetter nicht, noch nicht. Nur, wenn der Wind zu sehr bläst, sucht sie das Weite … bzw. die Nähe! 🙂

                Goldene Aussichten sind wohl auch noch in weiter Ferne, schade. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

                Ich wünsche dir einen gemütlichen Sonntag, liebe Gudrun!

                1. Mein Gastkater mag den Wind auch noch weniger als Regen. Dann springt er auf meinen Balkon und klopft aufgeregt. Dann bleibt er gern bei mir und ich freue mich, weil ich dann mal eine Katze habe.

                  1. Das glaube ich dir, liebe Gudrun. So ein kleines felliges Wesen ein Weilchen beobachten und fühlen zu können, das tut der Seele gut.

                    Hab schon auf deinen freundlichen Kommentar geantwortet. Freu mich riesig, dass es wieder funzt. Danke auch hier nochmal für deine Bemühungen, du Liebe!

                    *umarm*

  5. Eine wunderbare Geschichte ist das und die Fotos von dir und deiner Tochter lassen uns so schön optisch daran teilhaben.
    Ja, es sind nicht selten diese stillen, unspektakulären Momente, die unser Glück ausmachen.
    Einen lieben Heutegruss, Brigitte

    1. Danke, liebe Brigitte.
      Mir fehlen die Schafe so sehr, denn kleine unvorhergesehene Glücksmomente gab es mit ihnen viele. Es gab auch Situationen, wo ich herzhaft lachen konnte. Vielleicht sind die Schafe deshalb die Tiere, die am längsten bei den Menschen blieben. Sie sind freundlich und darüber hinaus sehr sozial.
      Herzliche Grüße an dich.

  6. Nebel ist etwas ganz Besoneres, denn er schafft so unterschiedliche Atmosphären. Deinen Weg, den Geruch der Erde und die schwebenden Schafe auf Bodennebel kann ich mir gut vorstellen. Ich erinnere mich noch an deine früheren Erzählungen. Sie haben mich sehr beeindruckt.

    1. Ich bedauere es sehr, dass ich nicht mehr mit Schafen arbeiten kann. Auch Ausmisten u.ä, war nie ein Problem für mich, bis mein Rheuma für arge Schäden gesorgt hat, die nicht wieder rückgängig zu machen sind. Jede zweite Nacht träume ich davon, mit den Hütehunden um die Wette zu laufen, wie damals. In meinen Träumen kann ich noch laufen und rennen. Noch nie habe ich von dem Rollstuhl geträumt. Ich glaube, ich bin noch nicht ganz bereit, meinen Zustand anzunehmen. Die Schafgeschichten, die Wolle und das Spinnrad trösten.
      Liebe Grüße an dich, liebe Isa.

      1. Im Traum habe ich mich auch noch nicht im Rolli angetroffen. Ist schon interssant, dass man im Traum stehen, gehen und laufen kann. Ich sehe diese Freiheit im Traum mehr als meine innere Vitalität. liebe grüße auch an dich 🙂

  7. liebe gudrun, siehst du, wie sehr sich menschen freuen über diese geschichte? du hast ein talent, es sollte nicht sinnlos an dich gegeben sein. es tut uns doch gut, im eigenen rhythmus zu schreiben, und diese übungen helfen uns vielfältig. wir sehen die welt genauer, suchen nach passenden worten, erzählen und bringen etwas zu anderen. zum bespiel das bild von den schafen im nebel… einen schönen oktober wünscht dir roswitha

    1. Ich habe mich sehr über die Kommentare gefreut und ich habe meine Datei mit Schafgeschichten wieder ausgekramt. Ich werde ein Buch zusammenstellen und über epubli drucken lassen. In den Verkauf wird es nicht gehen; es ist nur für mich. Ich kann darin blättern und mich immer erinnern.
      Anderen, auch aus dem Literaturtreff, kann ich helfen, wenn sie ein Buch veröffentlichen wollen. Ich weiß ja dann wie es geht.
      Herzliche Grüße zu dir.

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