Laufen im winterlichen Garten

Vorgestern musste ich zum Arzt. Gut oder auch nicht, der Termin fiel dann aus, denn auch ein Arzt wird mal krank. Herr E. holt zu solchen Anlässen immer einen Cityflitzer von Teilauto, denn bei Kälte im Rolli mit den Öffentlichen zwischen Leuten im Weihnachtsstress oder in Weihnachtsmarkt-Laune ist nicht so mein Ding. Dass ich aber auch noch laufen würde, war zu Beginn unserers Ausfluges noch nicht klar.

Herr E. wollte dann noch in den Garten, die Vögel füttern. Da das Hauttor zur Gartenanlage auf war, konnten wir den Hauptweg entlang bis zur Gaststätte mit dem Flitzer fahren. Bis zum Garten ist es von dort aus nicht mehr weit. Ich wollte nun doch nicht im Auto warten. Mein Physiotherapeut sagt immer, dass ich jede Gelegenheit nutzen soll, um zu stehen und zu laufen, so wie es eben gerade geht. Irgendwann kommen wir alle zum Liegen, aber wann und wie lange das sein wird, bestimmen wir ein bisschen selbst. Auf dem Weg zum Garten ist es egal, wie ich mit den Krücken den Weg entlang „eimere“. Also los!

Ich war lange nicht mehr im Garten. Im ursprünglichen Bett der Elster ist es immer ein bissel kühler und feuchter als anderswo. Aber es wächst auch jetzt noch einiges und es war einfach nur schön. Bis auf die Vögel, die uns offenbar gleich bemerkt hatten und wusste, dass es frisches Futter gibt, war Stille. Es roch nach feuchter Erde und verrottendem Laub. Die Igelhäuser waren noch unbewohnt, aber im Garten haben wir verschiedene Überwinterungsplätzchen für die Tiere. Manches Abgeschnittene von Büschen, Stauden oder Bäumen räumen wir erst im späten Frühjahr zuerst um und dann weg.
Eine Blumenpracht gab es nicht, aber auch vergangene Blüten können aufregend schön sein.

Manche feiern heute den 2. Advent, andere einen gemütlichen und ruhigen Sonntag. Was auch immer, ich wünsche allen von Herzen eine schöne und eine friedliche Zeit.

In der Wollwerkstatt

Gerade bin ich sehr froh, dass ich meine Wolle und meine Wollwerkstatt habe und Wolle zu ganz verschieden Dingen verarbeiten kann. Ich spinne, filze mit der Nadel, stricke. Nebenbei höre ich Musik und gestern habe ich mir die Sitzung des Leipziger Rates angehört. Ach ja, ich möchte schon wissen, wer sich um Lösungen und um Zusammenarbeit mit den anderen bemüht oder wer nur motzt. Jaja, es ist schon interessant.

Neben mir steht ein Korb mit meinen Projekten und manchmal switsche ich zwischen ihnen hin und her. Gut so, da hat immer mal was Pause und anderes geht weiter. Zwei Paar Hüttenschuhe aus dickem Garn habe ich schon an zwei Nachbarn gegeben und zum ersten Mal habe ich die Größe 46 eingestrickt. Die Schuhe sollen nicht nur die Füße, sondern auch die Seele ein bisschen wärmen. Nötig ist es.

Mir geht es immer noch nicht gut. Schmerzen plagen mich, ich schlafe nicht schlecht und irgendwie liegen die Nerven blank. Das Kortison ist schon reduziert, aber es dauert immerhin noch drei Wochen bis ich es los bin.

Beinstulpen hab ich mir gemacht. Sie wärmen und sorgen für ein gutes Gefühl. Unter der Hose sieht man sie nicht. Im Frühling nehme ich sie mir nochmal vor, denn ich hätte sie gerne über die Knie hinaus. Die Wolle stammt von den Leineschafen des Nabu. Eines von denen ist mein Patenschaf. Ich rede mir ein, dass das seine Wolle ist.

Es prasselt gerade viel auf den Kopf herein. Bei gleichem Verbrauch haben sich die Kosten für Fernwärme mehr als verdoppelt und das ist erst der Anfang. Viele machen sich Sorgen. Ich höre zu und stelle fest, dass es mich immer mehr belastet. Und wenn ich dann lese oder höre, dass die Ukraine für Tramp ein Geschäfft ist oder das Polen Reperationszahlungen haben möchte von Deutschland (ich war eine junge Frau als die Zahlungen der DDR endeten), dann kommen mir auch dann doch mal die Tränen.

Die Tochter aus dem Norden hat mir Garn gestrickt. Ich soll jetzt auch mal wieder was für mich machen, sagte sie. Die Farben sind schön und passen genau zu meinen Kleidern. Da werde ich wohl fix die Stricknadeln zücken.

Gestern war nun schon der erste Advent. Eigentlich hatte ich mich darauf vorbereitet, eine Weihnachtsgeschichte vorzulesen. Es war aber viel los bei uns, so dass ich es verschoben habe. Aber morgen, morgen wird es werden. Da hole ich das Buch aus dem Wollkorb.

Erinnerung an meine Mutter

Meine Mutter sagte mal, dass das historische Gedächtnis der Menschen sehr kurz sei. Ich möchte erinnern und deshalb erzähle ich.

Meiner Mutter habe ich immer gut zugehört, wenn sie von Früher erzählte, von ihrer Kindheit und ihrem Leben als junge Frau. Ich hatte mich immer gewundert, dass meine Mutter zutiefst erschrak, wenn am Himmel ein Flugzeug zu hören war. Sie duckte sich und schaute angespannt und ängstlich nach oben. Irgendwann fing sie an zu erzählen.

Meine Mutter wohnte in Meuselwitz, einer Stadt umgeben von Braunkohlefabriken. In Zeitz gab es das Hydrierwerk und in Rositz das Teerverarbeitungswerk. In Kriegszeiten produzierten beide den Treibstoff für alles Kriegsgerät. Die ganze Gegend wurde deshalb im 2. Weltkrieg zum Ziel heftiger Luftangriffe. Zwei solcher Angriffe trafen die Stadt besonders stark. Beim ersten Angriff (November 1944) wurden 54 Tonnen Bomben abgeworfen, beim zweiten (Februar 1945) 140 Tonnen. Meuselwitz glich dann einer Geisterstadt.

Meine Mutter und mein Bruder, der damals noch nicht einmal richtig laufen konnte, schliefen in der Zeit nachts angezogen in ihren Betten. Wenn die Sirenen aufheulten, warf sich meine Mutter einen Rücksack mit dem Nötigsten auf den Rücken und vorn klammerte sich mein Bruder fest an sie, wie ein Äffchen. Sie hatten das geübt. Dann rannte meine Mutter durch den Ort zum nächsten Luftschutzbunker. 

Uralte Fotos meines Vaters: Die Trümmer sind weggeräumt; der Aufbau begann.

In Leipzig Grünau, auf einem kleinen Platz am hinteren Ende der Parkallee zur Alten Salzstraße, stand  eine Bronzeplastik. „Mutter mit Kind“, hatte der Bildhauer und Grafiker Theo Balden seine Plastik genannt. Balden behielt den Namen, der in einem gefälschten Pass stand, als er Nazideutschland verlassen musste. Nach dem Krieg kehrte er zurück und war einer der großen Künstler der Plastik in der DDR. Sozialistische Heldendarstellungen machte er nicht mit und seine Figuren entsprachen nicht der gewünschten Darstellungen in der Zeit des „sozialistischen Realismus“. Ihm stand deshalb öfter Ärger ins Haus, aber er blieb ehrlich und aufrecht. Immer glaubte er daran, dass es eine friedliche und gute Gesellschaft für alle geben kann. Ich glaube das übrigens auch. 

Die Mutter seiner Plastik hält einen weiten Mantel über das schutzbedürftige Kind, welches ich in Gedanken mit der Zukunft gleich stelle. Nicht ängstlich, sondern ein bisschen trotzig schaut sie nach oben in den Himmel, von wo schon oft tödliches Unheil kam und in vielen Ländern der Erde gerade wieder kommt. Baldens Plastik, die mich immer so an meine Mutter erinnerte, fehlt seit einiger Zeit. Buntmetalldiebe hatten sie vom Sockel gestoßen, konnten sie aber nicht wegtragen. So sagte man.
Ich werde mich erkundigen beim Amt für Denkmalschutz, wo die Figur jetzt ist, und wann sie wieder in Grünau sein wird. Sie fehlt mir, weil sie mich an meine Mutter erinnert und daran, dass es viel zu schützen und zu bewahren gibt.

Hinweis:
Balden schuf zwei Originale. Die andere „Mutter mit Kind“ steht in Berlin Mitte, Klosterstraße, Grünanlage an der Ruine der Franziskanerklosterkirche.

Vom schlummernden Gastkater und zwei Eimern Weintrauben

Ein Freund sagte immer: „Katzenfell ist gut gegen Rheuma, aber nur, wenn die Katze noch drin ist.“ Das kann ich bestätigen.
Mir geht es gerade gar nicht gut. Ich habe das Gefühl, dass meine Knie auseinander fallen. Das Rheumamittel ist abgesetzt und jetzt muss ich erstmal Kortison nehmen in der Hoffnung, dass sich alles wieder beruhigt. Wenn mein Gastkater kommt und sich auf meine Knie legt, dann würde ich am liebsten mit schnurren.

Manchmal will aber auch der Gastkater alleine ruhen. Und nein, er ist nicht gestorben, auch wenn es manchmal so aussieht. Wenn er mich besucht, kann er so richtig tiefenentspannt schlummern.
Ich habe lange gezögert, den Katz zu zeigen oder darüber zu schreiben. Hier kann jeder lesen und hier gibt es nicht nur tierliebe Menschen, auch einige, die keine Tiere mögen, Menschen auch nicht, wahrscheinlich nicht mal sich selber. Der Kater hatte schon arge Verletzungen. Darauf möchte ich jetzt nicht eingehen.

Weintrauben sind zu Likör verarbeitet.

Eine Gartenfreundin hat uns Weintrauben geschenkt. Es ist schlimm, dass ich gerade nicht so kann, wie ich will, aber mit Herrn E.s Hilfe sind sie verarbeitet. Likör für kalte Tage ist in den Flaschen, die ich noch bemalt habe. Und heute kochen wir noch welche ein mit Zimt, Vanille, Nelken. Winterlich soll es werden und oft Stollen und Lebkuchen ersetzen.

Jetzt mache ich mich auf zur Physiotherapie, zum vorerst letzten Mal, denn ich brauche einfach mal ein bisschen Ruhe und keine Termine.
Meinen Woll-Kram mache ich natürlich weiter. Drei Hüttenschuhe zum Verschenken werden fertig und eine Wärmflasche erhält eine Hülle. Ich zeig es noch. Ach ja, der Gastkater strickt öfter mal mit. 😊

Der Mond im Kirschbaum

Vom Supermond sprechen und schreiben sie gerade viel in den Medien. Ja, verstehe ich, aber ganz im Geheimen ist bei mir immer Supermond, denn ich liebe den Mond über alles. Ich schrieb schon öfter darüber. 

Der Mond im Kirschbaum.

Vorgestern stand ich gedankenverloren am Küchenfenster und wartete darauf, dass mein Teewasser kochte. Der Kirschbaum vor dem Fenster hat die meisten seiner Blätter schon abgeworfen; nur wenige hängen noch an den Zweigen. Am Tage, wenn die Sonne scheint, leuchten sie golden. Nur die Blattadern zeigen sich noch als grüne, filigrane Zeichnung im Blatt.

Inzwischen war es dunkel geworden. Groß und strahlend begann der Mond seine Bahn über meinen Hof zu ziehen. Er leuchtete durch die fast blattleeren Äste des Kirschbaumes. Die von der Hauslampe angestrahlten Blätter sorgten für einen goldenen Rahmen und für einen kurzen Moment bildete ich mir ein, dass der Mond mir freundlich zu zwinkerte.
„Oh, wie schön das aussieht,“ flüsterte ich.

Mein Sohn schaute mir über die Schulter. „Warte mal, ich gehe raus und fotografiere den Mond für dich.“
Kurz darauf hörte ich die Wohnungstür zuklappen.

Fotos: J. Ebert

Meine Tochter hatte den Mond schon mal für mich gemalt und jetzt hat mein Sohn mit seiner Kamera Fotos für mich gemacht, von „meinem Mond“. 
Ich bin meinen Kindern sehr dankbar, dass sie sich meine Vorlieben gemerkt haben und mir immer wiedermal eine Freude machen.

Heimat

Also, gleich vornweg: Der Begriff Heimat ist für mich kein politischer Begriff. Er ist aber dazu gemacht worden. Von Politikern wird er sowohl beschworen als auch diffamiert. Beides finde ich nicht richtig. Deutschlandfunk Nova hat den Philosophen Matthias Burchardt gefragt und mit seiner Auffassung kann ich „mitgehen“. (Link dahin)

Ich wohne in Sachsen, bin hier aufgewachsen, zur Schule gegangen, habe meinen Beruf erlernt, eine Familie gegründet. Nicht alles lief und läuft so, wie ich es mir wünsche. Und trotz anderer Gelegenheiten bin ich immer hier geblieben. Hier kann und muss ich mich einbringen. Und hier ist meine Heimat.
Man kann auch durchaus in einem anderen, zuerst fremden Ort beheimatet sein. Es kommt immer darauf an, was einen letzendlich mit dem Ort verbindet.

Mein Sohn ist in letzter Zeit oft in die sächsische Schweiz gefahren und ist verschiedene Stiegen hochgekraxelt. Für mich sind solche Wege nichts mehr, aber er hat Bilder und Videos geschickt und so war ich auch mit unterwegs.
Ein Foto erinnerte mich an etwas und als ich im Fotoalbum suchte, fiel mir ein Bild meines Bruders in die Hände. Er war in der sächsischen Schweiz mit einer Klettergruppe oft unterwegs. Und jetzt kraxelt mein Sohn dort herum.


Viele schöne Wege gibt es in der sächsischen Schweiz, auch ohne klettern. Mein Sohn könnte da mehr dazu schreiben und vielleicht kann ich ihn mal zu einem Gastbeitrag überreden.
Der Caspar-David-Friedrich-Weg in der Sächsischen Schweiz wurde in diesem Jahr zum schönsten Wanderweg Deutschlands gewählt. Ja er ist schön. So empfinde ich das. Auch das macht Heimat für mich aus.

Wunderschöne Wege gibt es in der Sächsischen Schweiz und wenn man es bis ganz nach oben geschafft hat, dann bieten sich faszinierende Aussichten. Kein Wunder, dass Dichter und Maler das in ihren Werken festhalten mussten. Ihre Begeisterung merkt man ihnen an. Casper David Friedrichs Gemälde „Der Wanderer über dem Nebelmeer„, am großen Kegelberg in der Sächsischen Schweiz, kennt wahrscheinlich jeder.

Aussicht ins weite Land

Ich habe mich sehr gefreut, dass mein Sohn viele Fotos mitgebracht hat. Bei solchen Aussichten könnte ich stundenlang da sitzen, das Vesper auspacken und einfach nur schauen. Laufen, steigen, klettern kann ich nicht mehr, aber die Gegend besuchen kann ich schon. Mein Sohn hat schon mal geschaut, wo es barrierefrei ist. In der Gegend war ich früher schon öfter und beim Betrachten der Bilder kommen Erinnerungen.

die sächsische Schweiz

Als nächstes steht bei meinem Sohn das Erzgebirge auf dem Plan und unbedingt will er auch mal im Winter dahin. Die Gegend ist mir vertrauter als das Elbsandsteingebirge, von der Sprache her und den Bräuchen. Altenburg war ja nicht all zu weit weg. Ich bin gespannt, was er dann zu erzählen hat. 🙂

Mit spitzer Nadel mit Widerhaken

Gerade jetzt ist es mir mal wieder klar geworden, wie wichtig Ruhe ist. Keinerlei Lärm, keinerlei Aufgeregtheiten, keinerlei Gerede, Stille. Internet bleibt aus, eigene Aktivitäten ebenda sind heruntergefahren. Ich brauchte das, um mit dem neuen Medikament klar zu kommen und Vertrauen zu haben, dass es schafft, mein Rheuma in die Schranken zu weisen. Nebenwirkungen gibt es und ich hoffe, dass die Zeit für mich spielt. Also durchhalten.
Weil ich nicht die Hände und Füße stillhalten kann, habe ich die Filznadeln und Wolle ausgekramt und mich mal wieder dem Nadelfilzen gewidmet. Die spitze Nadel mit Widerhaken, das ist meine Filznadel.

Mit spitzer Nadel mit Widerhaken: Nadelfilzen- ein strickendes Schaf

Mit spitzer Nadel ist ein sitzendes und strickendes Schaf erstanden, welches sein Lämmchen einstrickt. Fertig ist es noch nicht, denn ich will noch zeigen, wo die Wolle oder das Garn herkommt. Ist das dann geschaft, gebe ich mir mal mehr Mühe mit einem Foto. Für heute soll das reichen.

Die Tätigkeit hat dafür gesorgt, dass ich meine Denke wieder gut gebrauchen kann. Nicht nur das Medikament machte mir zu schaffen, sondern auch die Sorge um meine Familie am anderen Ende der Welt. Alle sind US-Bürger, aber man weiß ja nie, was noch passiert. Es ist immer gut, einen Plan B zu haben und meine Familie hatte einen. Man könnte ja auch in das Land der Familie des Schwiegersohnenes gehen, aber der orange Mann schlägt gerade mal wieder um sich, bedroht das Land und erwägt auch militärische Invasion.

Dann eben Plan C. Das heißt, meine Tochter kommt nach Deutschland zurück. Und gerade in alle Überlegungen patzt so ein arroganter „Geist“ mit seinem Geningel über das Störende im Stadtbild. (Er kann mich ja mal besuchen und dann könnte ich ihm mal sagen, was mich am Bild meiner Stadt so stört.)
Es hilft nix, wir werden halt weiter denken müssen.

Ich arbeite jetzt gleich an der dritten Figur weiter. Wenn die Nadel in die Wolle trifft, dann entsteht ein Geräusch, als ob jemand neben mir Möhren schnurpst. richtig beruhigend ist das. Und genau das tut gut. Ein Möhren schnurpsender Mensch ist mir auf alle Fälle viel lieber als der Orange mit der Abrissbirne oder der mit dem Pürzel auf der Hohen Stirn.

Ist der Plan auch gut gelungen …

… verträgt er doch auch Änderungen

Zuerst brauche ich immer einen Plan. Das kann einfach dahin gekritzelt sein, aber ich brauche meine Arbeitsgrundlage.
Hüttenschuhe kann ich nicht zweimal stricken, also habe ich ein ganzes Weilchen überlegt, wie ich sie diesmal fertige. Ich entschied mich dafür, vorne ein Zopfmuster zu stricken. Damit ich es nicht wieder vergesse, hab ich mir eine Skizze gemacht.

der ursprüngliche Plan

Für die Hüttenschuhe hatte ich Wolle vom Jacobsschaf geordert. Sie ist recht stabil, aber trotzdem weich. Es muss alles schließlich wieder ein Jahr halten.
Die Wolle war im Kardenband, drei Farben in Strängen zusammengefasst. Humbug nennt man dann das kardierte Ergebnis. Nach dem Spinnen hatte ich aber plötzlich ein Problem und so erforderte der Plan Änderungen.

Ich hätte schon meinen geplanten Zopf stricken können, aber in dem scheckigen Garn wäre er nicht zur Geltung gekommen. Also setzte ich mich wieder ans Spinnrad und produzierte noch cremfarbiges und schwarzes Garn, nachdem ich mir einen neuen Plan zusammengehirnt hatte.
Die Zopfmuster-Idee gibt es halt das nächste Mal mit weißem Garn.

Zofpmuster fand ich im mellierten Garn nicht mehr gut- also Plan ändern

Jetzt konnte die Strickerei wirklich losgehen. Ich musste immer mal eine Pause machen, denn das dicke Garn war nicht so leicht zu verstricken. Noch dickere Nadeln wollte ich nicht nehmen, denn es sollte ja dicht werden. Schuhe sollten es werden und kein Kuschelschal.

Ganz fertig bin ich noch nicht. Es müssen noch außen Sohlen dran und weiche Lammwollsohlen hinein. Ich denke, dass der Beschenkte warme Füße haben wird, ohne im „eigenen Wasser“ zu stehen.
Mein neues Rheuma-Mittel sorgte dafür, dass meine Gelenke in den Händen ihre Steifheit verloren und gut durchhielten. Das ist eine richtig gute Nachricht. Ich freue mich und hoffe, dass es so bleibt.

„Ist der Plan auch gut gelungen, verträgt er doch auch Änderungen.“ Dieser Spruch war zu DDR-Zeiten allgegenwärtig. Es klappte vieles nicht so, wie ursprünglich gedacht. Und so wurden wir zu ganz guten Improvisations-Künstlern. Manchmal machte das aber auch recht zufrieden.

Lesen. Zuhören. Zusammen sein.

Am Dienstag hatten wir vom Literatur Treff Grünau wieder eine Veranstaltung. Lesen sollte an diesem Tag Angelika Pamuk aus der von ihr geschriebenen Geschichte „Das karierte Hemd“. Viele waren gekommen und mucksmäuschenstill war es im Raum. Die Geschichte zog alle in den Bann.

eine Geschichte von Angelika Pamuk vom Literaturtreff Grünau.
Foto: Silke Heinig

Seit zehn Jahren gibt es uns nun schon und über 100 Lesungen wurden gemacht oder organisiert. Wir haben gelesen, zugehört, auch mal gestritten, aber darüber hinaus auch viel gelacht. Wenn man sich achtet und mit Respekt begegnet gibt es viel mehr Gemeinsames als Trennendes. Das schweißt zusammen und macht handlungsfähig.
Dass wir immer viele Gäste begrüßen können spricht dafür, dass wir Nützliches und Gutes tun.

Lesen. Zuhören. Zusammen sein.
Foto: Gudrun Ebert

Aus Angelika Pamuks Geschichte ist eine vierzigseitige Broschüre entstanden. Das Lektorat hatte ich übernommen und zwei Bilder und eine Zeichnung geliefert. Das Layout war Herrn E. sein Part, denn er ist der verbisseneee Erbsenzähler in dieser Tätigkeit. Ich denke, wir haben das alle zusammen gut hinbekommen. 
Wenn mich jemand fragt, warum ich so viel Zeit investiere, einfach so, dann kann ich sagen: „Deshalb.“

eine freudestrahlende Autorin
Foto: Marianne Mieder

Wenn jemand sich so freut, hat sich jeder Aufwand gelohnt.

Ich hatte mich extra nach hinten verzogen, weil meine Arbeit getan war. Angelika hat mich aber dennoch entdeckt in meiner letzten Reihe. Und das war dann doch ganz schön. 
Es wird nicht die letzte Veröffentlichung gewesen sein von uns aus dem Literaturtreff und ich werde mich auch weiterhin gerne einbringen. Das ist Ehrensache.

Zusammen schaffen wir so einiges.
Zusammen schaffen wir so einiges.

Die Schafe in dem Watte-Meer

Ein netter Kommentar von Roswitha hat mich daran erinnert, meine Schafgeschichten weiter zu schreiben. Schafe waren eine Zeit lang meine täglichen Begleiter. Ich habe sie beobachtet und ihr Verhalten kennengelernt. Nach einem Weilchen konnte ich ihr Vertrauen gewinnen und bekam ihre Zuneigung zu spüren. Das tat gut, beiden Seiten wahrscheinlich.

In meinem Rucksack steckte so allerlei, wenn ich zu den Schafen ging: eine Pinzette und Betaisadona, falls mal wieder ein Fremdkörper in der Hütehund-Pfote steckte, Wasser, ein Messer, … Nur eines hatte ich nicht: eine Kamera. Und weil es kaum Fotos gibt, beschreibe ich eben mal ein besonderes Ereignis, welches mich bis heute bewegt.

Eines Tages im Herbst war ich auf einem Feld eines Bauern unterwegs. Es war ein ganz ordentlicher Sturzacker, aber die Schafe durften den Auswuchs der letzten Feldbestellung fressen. Das machten sie gern und ganz nebenher düngten sie das Feld und mit ihrem goldenen Tritt sorgen verbessern sie den Boden. Schafe sind Paarhufer und schwer genug, mit ihrem Gewicht auf die Klauen, die Erde zu verfestigen. Gleichzeitig sind sie aber leicht genug, sie nicht zu verdichten.

Herbstzeit - unterwegs iim Nebel
Das Feld im Nebel

Es war neblig als wir loszogen. Meine Haare hingen mir bald in feuchten Strähnen ins Gesicht und die Füßen zierten dicke Erdklumpen an den Schuhen. Meine Hände waren immer schmutzig, wenn ich bei den Schafen war, denn irgendwas war immer. Elegant ist anders, aber ich fühlte mich da draußen mit den Tieren sauwohl. (Oder sollte ich eher „schafwohl“ sagen?)

Die Luft war kühl und roch nach Erde. Es tat gut, so richtig mit Bedacht ganz tief durchzuatmen. Über uns zogen Scharen von Vögeln hinweg und in den Bäumen am Feldrand zankten sich einpaar Krähen. Ansonsten war eine wunderbare Stille, welche nur ab und an von einem „Määäh“ durchdrungen wurde. 

In dicken zerfransten Schwaden waberte der Nebel über das Feld. Im Laufe des Vormittags bemerkte ich, wie sich oben am Himmel der Nebel lichtete. Die Sonne war zu sehen, zuerst verhalten und dann immer stärker. 

Wie ein Vorhang aus milchigem Dunst senkte sich der Nebel der Erde entgegen. Und plötzlich, im Gegenlicht, sah es so aus, als stünden die Schafe in einem Meer aus Watte. Nur der Rücken und der Kopf der Tiere war zu sehen. Die Lichtstrahlen der Sonne, die die Erde erreichten, verwandelten die Landschaft mit den Schafen in ein wunderbar geheimnisvolles Bild. 

Wie friedlich und ruhig das aussah! Dieses Bild vergesse ich nie wieder, auch wenn ich kein Foto davon besitze.
(Die Schafe unten auf dem Bild stehen zwar auch auf einer nebligen Wiese, aber an der Nordsee. Das Foto hat meine Tochter gemacht.)

Ich bin froh, dass Roswitha mich an das Schreiben erinnert hat. Und so kann ich wieder eine Schafgeschichte in den Sammel-Ordner legen

Schafe unterwegs im Nebel
Foto: S. Schröder