Langeweile? Nö.

Also, gleich vorab: Langeweile begegnet mir selten. Naja, bei stupiden, aufgezwungenen Tätigkeiten habe ich es schon erlebt, dieses unangenehme Gefühl, gleich und sofort etwas ändern zu müssen.

Als wir neulich beim Rheumatologen waren, brauchte ich einen neuen Termin. Lange Zeit war der Donnerstag „Rheuma-Tag“. Die Schwester war schon bei einem Donnerstag angelangt, aber das geht jetzt nicht mehr.

Herr E. holt zu den Terminen immer ein Teilauto, holt mich ab und fährt mich zum Rheumatologen am anderen Ende der Stadt. Donnerstags kann er das aber nicht mehr, weil er Klavierunterricht hat. Das fanden die Angestellten in der Praxis prima. Und ich finde das auch.

Herr E. ist Rentner, hat Zeit und kann sich endlich mal mit dem beschäftigen, was er schon immer mal wollte. Es geht nicht darum, Konzerte geben zu wollen, aber ein Instrument zu lernen aktiviert eine ganze Menge, nicht nur die grauen Zellen im Oberstübchen.
Und so habe ich jetzt einen musizierenden Mann zu Hause und ein Klavier.

Es soll ja Leute geben, die nichts mit sich anfangen können, besonders dann, wenn das Arbeitsleben vorbei ist. Ihnen geht es dann nicht gut und oft gibt es zu Hause Streit, weil sich die Partner mächtig auf den Geist gehen.
Bei uns ist das ganz gut geregelt und Langeweile gibt es bei uns kaum.

Wenn man etwas Neues lernen kann, kommt nie Langeweile auf.

12 Gedanken zu „Langeweile? Nö.“

  1. Liebe Gudrun, sei herzlich gegrüßt.
    Klavierspielen zu erlernen, ist ein tolles Vorhaben und wünsche Deinem Männe viel Freude dabei.
    Ich begann in der Musikschule mit 8 Jahren Gitarre zu spielen. Mein Vater spielte Gitarre und Mandoline und brachte mir die ersten Akkorde auf der Gitarre bei. Mein Mann hatte ein Klavier und spielte Cello und ging auch in der gesamten Schulzeit zur Musikschule. Er spielte im Streichquartett und begleitete damals auch den Paul Robeson-Chor am Klavier. Ich blieb beim Singen, Chor seit der 1. Klasse und das Gitarrenspiel wurde nur zu Hause als Begleitung weitergeführt. Später zum Kinderliedersingen mit den beiden Jungs, daran erinnere ich mich gern zurück. Der jüngere Sohn erlernte das Cello, denn das war ja vom Vater vorhanden und der Junge spielte schon 10 Jahre, als dann die Mauer viel und in der Umbruchszeit man nicht wußte, wie es bei ihm weitergeht und er somit das Instrument bei Seite legte. Klavier sollte noch dazu kommen, aber auch das wurde verworfen. Ein Berufsmusiker war nicht sein Ziel. Er war schon mit 3 1/2 Jahren in der vorschulischen Musikerziehung, Singen und Taktgefühl in der Musikschule. Sogar Notenlehre gab es da schon.
    Ich bekam Weihnachten, vor 2 Jahren, eine Gitarre vom jüngerem Sohn geschenkt, weil mir meine 1980 wegen Altersschwäche von der Wand viel. Nach 25 Jahren war das Holz so trocken geworden, dass der Gitarrenkörper Risse bekam und der Gnubbel, woran das bunte Gitarrenband befestigt ist, aus dem Gitarrenkörper raus fiel und somit die Gitarre, die an der Wand hängte, am Boden lag. Kaputt.
    Dieses Weihnachtsgeschenk war so eine Freude für mich, weil ich oft darüber sprach, dass ich sie vermisse.
    Alles Gute, tschüssi Brigitte.

    1. Liebe Brigitte, Guten Tag.
      Ich danke dir sehr für deinen langen und schönen Kommentar. Dass du eine neue Gitarre geschenkt bekommen hast, hat mich sehr berührt. Das zeigt mir, dass Familienleben total in Ordnung ist. Man redet miteinander, kennt den anderen mit seinen Vorlieben und auch Kümmernissen. Und man weiß auch, mit was man ihm oder ihr eine wirkliche Freude machen kann.
      Ich glaube dir das, dass du dich sehr über die Gitarre und über deinen Sohn gefreut hast. Er ist ja auch ein Lieber. Eure Ausfahrten zeigen das.
      Gesungen habe ich auch lange in einem ganz tollen Chor. Das geht leider nicht mehr, weil mein Rheuma meine Stimmbänder angreift. Ich klinge manchmal wie jemand, der eine Flasche Whisky ausgetrunken hat.
      Ich schicke dir liebe Grüße, liebe Brigitte.

  2. Wie schön, dass Dein Herr E. das Klavierspiel lernt, liebe Gudrun. Es ist oft so, dass man erst im Rentenalter Zeit für all das hat, was man eigentlich schon immer mal machen wollte. Und da bewahrheitet sich mal wieder der Satz: Es ist nie zu spät, um mit etwas Neuem zu beginnen. Ich wünsche ihm und auch Dir ganz viel Freude mit und an dem Klavierspiel – einer lernt und freut sich daran und der andere hört zu und genießt die neue Alltagsbegleitung.
    Liebe Grüße an Euch beide von der Silberdistel Marianne

    1. … „ einer lernt und freut sich daran und der andere hört zu und genießt die neue Alltagsbegleitung“.
      Ja, genau so ist es. Jeder macht das eigene Ding und wenn es ihm gut geht, freut sich der andere. So geht es alles beiden gut. Schön, dass wir uns unterstützen und die Hobbys des anderen ernst nehmen.
      Etwas neues Lernen kann man wirklich in jedem Alter. Hochseilartist muss man ja nicht gerade werden, aber es gibt ja noch so vieles mehr.
      Ganz liebe Grüße zu dir in den Norden.

  3. Immer lernen *wollen*…
    Moin Gudrun,
    gewisse Talente neu und wieder zu entdecken sind wunderbar.
    Es gibt viele Bereiche als Neuland und auch alte Traditionen zum Beleben.
    In zwei meiner Wohnungen in den letzten Jahren gab es Nachbarn mit Klavier, mehr oder weniger angenehm.
    Bei euch hört es sich harmonisch an!
    Langeweile kenne ich nicht, es gibt immer neue Herausforderungen.
    Lieben Gruß!

    1. Liebe Kelly, stimmt schon: Wenn man bereit ist, immer mal etwas Neues aus zu probieren oder das zu machen, wofür früher nie Zeit war, dann lebt man. Und das gut.
      Das Klavier ist ein ganz modernes Ding. Es klingt richtig gut, man kann es aber auch leise stellen und Kopfhörer aufsetzen. Beim Üben ist das eine feine Sache. Auch finde ich es gut, dass Herr E. jeden Donnerstag zum Unterricht geht.
      Herzliche Grüße in den Norden.

  4. Das hört sich wunderbar an, Gudrun. Klavierstunden oder etwas Anderes Schönes neu oder erneut in Angriff nehmen: Es gibt so viele Sachen, auf die man auch im Alter noch Lust hat. Da kommt Langeweile erst gar nicht auf.

    Hier noch ein Gedichtchen von mir zum Thema.
    Es ist aus dem „Handbuch des Fliegens“ und aus dem Jahre 2008.
    Dir und Herrn E. einen herzlichen Gruss.

    Klavierkonzert

    Es sei sein neunter Herbst hier im
    Seniorenheim. Der freundliche Herr
    sitzt in Anzug und Hausschuhen neben
    der Fensterfront, das Blatt mit der
    Programmabfolge vor sich auf den Knien.
    Seine Katharina habe auch Klavier gespielt,
    früher, zumeist an den Sonntagen. Schon
    damals sei er gerne am Fenster gesessen,
    habe immer alles gleichermassen begehrt:
    die Bäume, die Musik, die Frau am Klavier.

    Brigitte Fuchs

    1. Liebe Brigitte,
      ich danke dir sehr für die kleine Geschichte. Sie hat mich sehr berührt. Herr. E. ist gerade unterwegs, aber wenn er wieder da ist, werde ich sie ihm zeigen.
      Vielleicht funktioniert das Zusammenleben deshalb so gut, wenn man sich aufeinander einlässt und das, was der andere tut, achtet.
      Herzliche Grüße an dich.

  5. Toll das Herr E. jetzt Klavier lernt. Hier kommt auch nie Langeweile auf, gibt dauernd was zu tun oder zu entdecken. Viktor hat seine Bands und Musikrezensionen, ich meine Bücher, Schreiben und zusammen butschern wir gerne durch die Gegend und fotografieren.
    Es ist so eine interessante Welt und es gibt so viel zu sehen. Mein Vater ist nun 95 und mit 90 hat er sich noch einmal einen Wunsch erfüllt und ist nach Kuba aufgebrochen und macht seinen Garten, abgesehen davon, dass er ein reges Gesellschaftsleben führt und noch immer leicht 17 km mit dem Rad führt. Er ist mein Vorbild. Alles Liebe

    1. Respekt! So wie dein Vater das Leben handhabt ist großartig.
      Wir machen auch einiges zusammen oder Herr E. hilft mir, irgendwohin zu kommen, aber jeder hat seine Beschäftigung und lebt das auch aus. Bisher sind wir gut zurecht gekommen, auch durch manche nicht von uns gemachte Krise.
      Liebe Grüße an euch beide.

  6. Auch ich finde es toll, dass Herr. E. das Klavierspiel erlernt, liebe Gudrun. Da kann ich nur „Chapeau“ sagen, denn das stellt ihn ganz sicher vor großen Herausforderungen. Das erinnert mich daran, was mein Mann immer seinen Eltern ans Herz legte, dass sie sich für das Alter schöne Beschäftigungen suchen sollten. Das ist so wichtig in diesem Lebensabschnitt, dass es Dinge gibt, die man mit Freude macht, die aber auch Herausforderung ist.
    Das ist nicht so leicht, wenn man einen fiesen inneren Schweinehund hat. So einen hab ich nämlich, bin immer schnell mit meiner Kraft am Ende und lass mich dann lieber aufs Sofa locken. Wie gut, dass es jetzt die Lilly gibt, die mich auf Trab hält. Das geht nämlich, wenn man will.
    Was du so gemacht hast, muss ich alles noch nachlesen. Einiges habe ich schon gelesen, aber manches fehlt noch.
    Jetzt wünsche ich dir und deinem Herrn E. noch eine schöne, gemütliche Adventszeit
    und lass endlich mal wieder ein liebes Grüßle hier,
    Andrea

    1. Stimmt, dein Mann hatte Recht. Man braucht schon etwas, was einem Freude macht, aber auch herausfordert. Gut, dass ich schon lange Schafwolle verarbeite, denn manches könnte ich plötzlich nicht mehr tun, wie Wandern, Radfahren, unbegrenzt Reisen u.ä.
      Es ist gut, wenn man sich so etwas ausdenkt vor Krisen, denn dann wird es schwerer. Ich hatte Glück, dass ich durch Zufall dazu kam. Und dann tat sich auch anderes auf. Wille und Kraft waren da.
      Meine liebe Andrea, ich freue mich sehr, dass du wieder da bist. Und ich freue mich auch, dass ein kleines Leben bei dir eingezogen ist. Lilli und du seid bestimmt eine gute Lebensgemeinschaft. Ich freue mich auch immer, wenn der Gastkater mich besuchen kommt. Ein Freund sagte immer, dass Katzenfell gut gegen Rheuma ist. Bedingung allerdings ist, dass die Katze noch drin ist immFell.
      Herzliche Grüße an dich, liebe Andrea.

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