Ausfahrt mit Schlängellinien

Gestern und auch heute wieder habe ich eine Ausfahrt unternommen. Nein, nicht mit Fridolin; mit dem Elekktrorolli. Seit Wochen drücke ich mich davor. Ich fühle mich in dem Gefährt noch nicht wohl, aber ich brauche es, um die „Öffentlichen“ nutzen zu können und auch Züge und Busse. Ich könnte dann auch mal wieder Reisen planen.

Der Rolli wird mit einem Joystick gesteuert. Die ersten Meter fuhr ich Schlängellinien. „Selber Schuld.“, sagte mein Sohn, „Das liegt daran, weil du nie Autorennen mit dem Joystick mitgespielt hast.“ Naja, gut, da muss ich eben jetzt ran.

Dann ging es aber doch ganz gut, am zweiten Tag noch besser. Verschiedene Untergründe habe ich ausprobiert, Steigungen, Wenden auf der Stelle. Gestern bin ich bis zur S-Bahn gegurkt. Irgendwann steige ich da ein.

Heute wollte ich unbedingt eine Ausfahrt in meinen Park machen. Gut am Rolli ist, dass ich mit Spaziergängern mit kann, so als würde ich nebenher laufen. Das Tempo passt und da mir vor Schmerzen nicht mehr die Luft wegbleibt, kann ich sogar schwatzen.

Im Park war ich erstmal entsetzt. Der letzte Sturm hat dicke Bäume einfach so umgeknickt. Hier ist es viel, viel zu trocken und ich darf nicht an den Sommer denken. Da wird mir Angst und Bange.
Am Teich sind alle Bänke weg. Ich hoffe, dass wir hier wieder sitzen können.

Ich habe mich noch nicht mit meiner Krankheit abgefunden. Ich war immer ein agiler Mensch, bis es richtig reinhaute ins Kontor. Die Diagnose habe ich schon viele Jahre, glaubte aber fest daran, dass der Kelch noch ein Weilchen an mir vorüber gehen wird. Er tat es nicht.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder ich bleibe zu Hause sitzen und ergebe mich meinem Schicksal oder ich nehme es an und lebe, wenn auch anders. Ich träume immer noch davon, wie ich mit den Hütehunden über die Wiese gelaufen bin. Als ich es nicht mehr konnte kam ich mir zuerst mal uralt, hässlich und unnütz vor. Mein Fridolin ist schon eine große Hilfe, aber durch meine Ausfahrt mit dem Rolli ist viel Anreiz gegeben, Neues zu probieren, viel zu sehen, Menschen zu treffen und gerne zu leben. Auf geht’s!

Rollladen an einem Geschäft in Leipzig-Grünau