Wenn der Alptraum ganz real ist, dann hilft nur noch ein kühler Kopf.

Einen Alptraum zu haben ist sicher auch normal.
Ich träume ja immer mal. Das meiste weiß ich nicht, manchmal laufe ich nächtelang mit den beiden Hütehunden um die Wette und ab und zu ist auch mal Grusliges dabei.

Am Sonntag scheckte ich jedenfalls aus dem Schlaf hoch. Mein Herz klopfte und ich war nass geschwitzt. Himmel noch eins, was hatte ich da wieder geträumt?
Mir war so, als ob ich ein Poltern gehört hatte, danach lautes Pochen oder Klopfen und dann rief jemand um Hilfe. Ich spitzte die Ohren, aber es war still.

Alptraum - meine Zeichnung
Ich habe meine Zeichnung vom Alptraum wieder gefunden.

Gerade wollte ich mich wieder hinlegen, da war das Klopfen wieder da und das leise Rufen: „Hilfe, Hilfe, Hilfe.“
Es kam aus der Nachbarwohnung. Im Nebenhaus wohnt eine ältere Dame mit mir Wand an Wand. Was sollte ich jetzt machen? Ich kannte die Frau nicht, konnte nicht zu ihr gelangen. Also die 112 anrufen!

Einsatz im verschlafenem Grünau

Ich soll doch mal fragen gehen, ob jemand den Schlüssel hat, meinte der Mann am anderen Ende. Barfuß in Latschen bin ich durch den Rollstuhlraum geschlichen, hinaus auf die Rampe. Ins Nachbarhaus kam ich nicht. Der Pflegedienst, der hier im Viertel unterwegs ist, kannte sie nicht. Überall waren die Rollläden herabgezogen, auch bei der Dame, deren Namen ich nun vom Klingelschild wusste. Sie wohnt allein und wenn sie um Hilfe ruft, dann kann sie auch nicht an die Türe kommen. Also wieder die 112.

Kurze Zeit später kam die Feuerwehr. Sie riefen mich an und fragten, ob ich etwas höre. Nein, ich hörte nichts. Es war still. „Doch, jetzt hören wir es auch“, sagte der Mann von der Feuerwehr. „Wir warten noch auf die Polizei und gehen rein.“ Dann rummste es zweimal und kurze Zeit später hörte ich in der Nachbarwohnung Menschen laut reden. Die Dame hört schwer.
Der Rettungswagen nahm die Frau mit, die ich nun zum ersten Mal sah.

Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, ob es richtig war, was ich getan hatte. Wahrscheinlich schon. Anders hätte ich ihr nicht helfen können.
Ich selber werde aber im Haus einen Schlüssel deponieren und mir etwas einfallen lassen, dass ich immer Hilfe rufen kann.

schlafen ohne Alptraum

Schäfchen oder wenigstens Wolken zählen und ohne Alptraum schlummern.

Der Alptraum wird verbannt, sofort und für immer

Ich hoffe, dass wir heute ohne Alptraum durch die Nacht kommen.
Einen Nachtrag habe ich noch zum vorherigen Beitrag.
Meine Wirbelsäule und alle Gelenke um WS und Becken sind … Naja, es ist schlimmer als gedacht. Dass ich nicht wieder gesund werde, das wusste ich. Dass ich die schlimmen Schmerzen nie wieder los werde, dass die Entzündungen ihr zerstörerisches Werk fortsetzen werden, dass ich irgendwann versteife und tatsächlich krumm werde, das hat mich aber dann doch geschafft. (Und ich hab immer Witze gemacht, dass ich Muskelkater im Poppes habe vom Sitzen.) Ich werde wieder Biologikals nehmen müssen, um zu verhindern, dass diese Entzündungen mich ganz überrennen.

Hinreißen habe ich mich lassen, etwas zum MRT-Befund zu schreiben, so dass ich nun heute noch etwas sagen musste. Unterkriegen werde ich mich nicht lassen. Bestimmt nicht. Ich werde aber auch über diese Mistkrankheit nicht mehr schreiben. Es tut mir leid, dass ich es überhaupt getan habe, denn es gibt Schöneres und Interessanteres.

So, jetzt aber genug von Alpträumen und solchen Dingen.
Eines war aber gut, an dem Sonntagmorgen im verschlafenen Grünau: Der Innenhof an diesem Morgen war voller junger Männer. Das war doch auch mal was. Oder? 🙂

Das Foto hat mir übrigens mein Jan geschenkt, weil ich draußen gerade nicht so unterwegs sein kann.

Foto: Jan Ebert

19 Gedanken zu „Wenn der Alptraum ganz real ist, dann hilft nur noch ein kühler Kopf.“

  1. Der MRT Befund ist ja wahrlich nicht schön. Aber ich finde es gut, dass Du darüber schreibst. Denn diese Mist Krankheit ist ein Teil Deines Lebens, Deiner Realität und deshalb auch insofern interessant, weil sie nun mal leider zu Dir gehört. Mich interessiert das schon und ich lese es auch, weil es mich interessiert, wie es Dir geht, wie es weiter geht, wie Du damit klar kommst. Ich glaube, es ist nicht gut, alles mit sich alleine auszumachen. Martin schreibt ja auch drüber (er war ja auch gerade im MRT, allerdings war der Befund nicht so heftig, aber auch unschön). Man kann sich doch auch austauschen und voneinander profitieren im Umgang mit dem ganzen Mist. Und man muss doch nicht nur über die schönen Dinge schreiben, die anderen gehören auch zum Leben und das manchmal mehr, als einem lieb ist. Ich denke, diese Krankheit dominiert schon sehr das tägliche Leben, das sehe ich ja auch bei Martin. Jeden Tag entscheidet sich neu, was gerade geht und was nicht und das ist nicht immer einfach Warum nicht auch darüber schreiben und auch damit gesehen und wahrgenommen werden. Und wer das nicht lesen mag, soll es halt lassen.

    1. Oh ja, die Erkrankung ist Teil meines Lebens, von Kindheit an. Nur war es damals schubweise mit langen Phasen Ruhe dazwischen. Jetzt ist sie leider immer präsent.
      Ich werde nicht viel über die Krankheit schreiben, denn sie macht mich nicht aus. Dass ich nicht alles tun kann, was ich möchte und was vielleicht gut und notwendig wäre, das wissen die inzwischen, die ich zu meinen Freunden zähle. Es gibt noch so vieles andere. Mal sehen, wie ich zurecht komme, was ich noch tun kann. Da ist öfter mal ein Umwerfen der Pläne nötig. Es ist genau wie du sagst: Jeden Tag entscheidet sich das neu.
      Vielleicht ist es gut, dass mich das nicht mehr all zu sehr erschüttert.

  2. Wir haben auch einen Schlüssel bei Nachbarn hinterlegt und von drei Nachbarn deren Schlüssel. Auch wenn wir keinen engen Kontakt haben, gibt es doch etwas Sicherheit.
    Ansonsten kann ich mich nur den Worten von Frau Momo anschließen.
    Liebe Grüße,
    Elvira

  3. Oha…

    Das klingt nicht gut, was Du da schreibst – und ich ahne, dass das wohl „Morbus Bechterew“ als Diagnose auf dem Befund stehen könnte, Du also mit deutlich mehr als „nur“ Verschleiss zu kämpfen hast, den meine MRT-Diagnose ergeben hat (bei der es auch ein Stück weit darum ging, entzündliche Prozesse – fürs Erste – auszuschliessen)

    Wobei es dennoch einige Therapiemöglichkeiten gibt (wie meine Orthopädin mir erklärte) , die den Prozess zumindest aufhalten oder verlangsamen könnten:

    Was die Entzündungen angeht, über eine medikamentöse Therapie ( MTX oder wie bei Dir Biologika) und zur Erhaltung der Beweglichkeit spezielle Krankengymnastik an Geräten (Muckibude auf Rezept) und eine gute angepasste Schmerztherapie bis hin zu Schmerzpflastern….
    Weshalb ich auch so erpicht auf meinen Termin im Rückenzentrum bin in der Hoffnung, da auch tagesklinisch behandelt zu werden. (Da habe ich neulich erst drüber geschrieben : https://der-wilhelm.de/2021/01/14/was-ich-noch-erzaehlen-wollte/ )
    Und ich würde Dir wünschen, dass es diese (oder ähnliche) Möglichkeiten für Dich in Leipzig auch gäbe.
    Ansonsten ist das aber sicher auch ein Grund für eine Reha, um für eine Zeit Entlastung und möglicherweise nebenbei auch gleich noch Kontakt zu Leidensgenossen zu bekommen…

    Insofern finde ich es auch gut und wichtig, dass Du darüber schreibst, weil auch das schon entlastend sein kann und ggf. auch ein wenig hilft, die Dinge sachlicher und etwas distanzierter betrachten zu können. Mir geht das jedenfalls so, weshalb ich diesbezüglich aus meinem Herzen auch keine Mördergrube mache….

    ———————-

    Was den ersten Teil Deines Beitrages angeht:
    Das hast Du genau richtig gemacht, und möglicherweise hast Du damit Deiner Nachbarin das Leben gerettet!

    Denn ich kenne aus meiner Arbeit heraus einige Situationen, wo wir Pflegedienstler morgens Menschen vor ihren Betten liegend gefunden haben, völlig unterkühlt und nicht in der Lage, sich selbst Hilfe zu holen – bis hin dazu, dass es mir auch mal passiert ist, dass ich einer Patientin in so einer Situation nicht mehr helfen konnte, die da wohl über zwanzig Stunden lag und vermutlich aus dem Bett gefallen war, kurz nachdem ich ihr am Vortag ihr Mittagessen gemacht hatte.

    Insofern ist es doch gut, wenn Nachbar da ein offenes Ohr haben und ggf. Hilfe holen.

    1. Naja, da steht noch mehr. Mir wurde von diversen Ärzten öfter gesagt, dass das nun so sei, weil ich – sagen wir mal so – nicht mehr jung bin. Verschleiß ist aber überhaupt nicht das Problem. Es ist natürlich ein schwacher Trost.
      Ich denke jetzt auch, dass es richtig war, Alarm zu schlagen. Ich weiß nicht, wie es der älteren Dame jetzt geht. Sie kann nicht bei mir klingeln und die, die um sie herum sind, tun es nicht. Da sie aber schwerhörig ist, wird nebenan ab und zu laut geredet. Sie ist also soweit wohl auf.

  4. Liebe Gudrun,
    besser als Frau Momo hätte ich es nicht formulieren können und ich schließe mich dem Schreiben (wenn ich darf) uneingeschränkt an.
    Wie gut, dass Du nachts aufgewacht bist und der Nachbarin Hilfe zukommen lassen konntest.
    Ganz herzliche Grüße zu Dir.
    Lotte

    1. Ich wundere mich ein bisschen, dass niemand anders etwas gehört hat. Aber egal, es ist ja alles gut gegangen. Ich werde mal einen Zettel in den Kasten werfen mit der Bitte, dass man mir mal eine Telefonnummer von einer vertrauten Person mit Schlüssel gibt. Offensichtlich höre ich am ehesten etwas, auch wenn ich im Nachbarhaus wohne.
      Liebe Grüße an dich, liebe Lotte.

  5. Du hast nach dem ersten Schreck ganz richtig gehandelt, liebe Gudrun, und der Nachbarin vielleicht wirklich aus einer schlimmen Situation geholfen. Meine Mutti hatte so eine Art Panikknopf, den sie ständig an einem Band mit sich trug. So etwas gibt es auch als Armband. Über diesen Panikknopf gab es über eine Freisprechanlage eine Verbindung mit dem Malteser Hilfsdienst. Bei den Maltesern war übrigens auch ein Schlüssen deponiert. Ich denke, wenn man allein ist und unter Umständen, so wie bei Deiner Nachbarin, Hilfe benötigt, aber selbst nicht mal mehr zum Telefon kommt, dann ist das eine gute Alternative.
    Dein Befund liest sich nicht gut, aber positiv an der ganzen Sache ist, dass Du Dich nicht unterkriegen lässt, liebe Gudrun. Ich wünsche Dir sehr, dass Du die Entzündungen in Deinem Körper mit den entsprechenden Mitteln doch einigermaßen in Schach halten kannst.
    Einen lieben Drücker schickt Dir die Silberdistel

        1. Ist es auch. Man sollte nur beim Anbieter darauf achten, dass es Caritas, Maltheser oder ASB ist… private lassen sich das oft überteuert bezahlen. Bei den gemeinnützigen hält sich das in Grenzen und wird eben auch evtl. übernommen

          1. Konkret sieht das so aus, dass die Pflgeversicherung ab Pflegegrad 0(null – den gibts wirklich!) die Kosten auf Antrag übernehmen muss – und dass alle gemeinnützigen Träger da auch Tarife anbieten, die durch den Satz der Pflegekasse zu 100% gedeckt sind.

    1. Der Schreck war mir ordentlich in die Knochen gefahren, liebe Silberdistel. Ich weiß nicht, wie die Nachbarin organisatorisch aufgestellt ist. Ich kenne sie nicht und auch nicht die Leute, die um sie herum sind. Ich hoffe jetzt einfach mal, dass es nicht gleich wieder passiert.
      Danke für deine guten Wünsche. Ich habe einen guten Rheumatologen und hoffe, dass uns einiges einfallen wird, wie man die Mistkrankheit im Schach halten können. Alle Medikamente in die Richtung haben leider auch ordentliche Nebenwirkungen. Aber da muss ich durch.
      Liebe Grüße in den Norden.

  6. Das ist ja eine Geschichte, die man nicht vergisst. Aber es ist doch schön, wenn sich Menschen auch in so einer Wohnanlage helfen. Da hätte man doch gar nicht ruhig weiterschlafen können, hätte nur gehorcht und überlegt.
    Doch, schreibe ruhig über deine Krankheit liebe Gudrun. Das tut gut, nicht nur alles verstecken und verbergen und dann fressen einen die Sorgen auf. Man schreibt doch auch, wenn es einem mal nicht so gut geht, man krank ist. Da erfährt man Verständnis.
    Ich freue mich, dass du trotzdem so viel Schönes sehen kannst, deine Hobbys hast, bloggst.
    Liebe Grüße von Kerstin.

    1. Wir müssten uns viel mehr vernetzen. Wenn Corona vorbei ist, werde ich wohl mal Nachbarschaftsbesuche machen. Mal sehen, was wir für einander tun können. Mir ist auch aufgefallen, dass viele doch recht alleine sind. Wenn sie das bleiben wollen, dann ist das in Ordnung. Wenn aber nicht, dann könnten wir uns auch mal unter dem Kirschbaum vor dem Fenster treffen. Mal sehen. Auf alle Fälle sollten wir gut aufeinander aufpassen.
      Herzliche Grüße in die Aue.

  7. Den Notruf zu wählen war das einzig richtige, Gudrun. Es wird einen auch kein Vorwurf gemacht, wenn es keinen Notfall gegeben hätte. Besser also, als unterlassene Hilfeleistung. Ich hatte auch schon das Vergnügen die Nacht zwischen Bett und Nachttisch auf dem Fußboden verbringen zu müssen. Und über Diagnosen reden macht sie nicht besser. Aber über manche Auswirkungen im Alltag zu berichten und wie man sie händeln kann, mag durchaus zu einem hilfreichen Austausch führen. Niemand sollte nur noch seine Krankheit sein oder sie als Lebensinhalt betrachten. Und niemand sollte mit seinen Gefühlen dazu allein bleiben. Ich finde du machst es für dich ganz gut.

    1. Ich denke auch, dass das richtig war und ich hoffe sehr, dass es der älteren Dame gut oder wieder gut geht. Dann hat sich das gelohnt, dass 7ch in einem Affenzahn über die Rampe gehumpelt bin.
      Und ansonsten, liebe Isa, bin ich froh, dass ich so neugierig bin. Vom Volkskundemuseum habe ich noch eine Anleitung bekommen, wie man Essig herstellen kann. Ohne Zusätze dauert das lange. Ich überlege, ob ich es mal probiere. Einfach so, weil ich es wissen will.
      Morgen geht Herr E. zur Post. Die ist ein Stücke weg von der Wohnung. Morgen klappt es. Rumscheuchen wollte ich nicht.
      Liebe Grüße zu dir.

  8. Ich finde du hast genau richtig reagiert, sehr mitfühlend und verantwortungsvoll. Deine Idee mit der nachbarschaftlichen „Vernetzung“ finde ich ganz prima.
    Du solltest das schreiben was dir gut tut, dir nicht von vorneherein etwas verbieten. Wer hier liest , liest freiwillig, keiner wird zu etwas gezwungen. Ich finde es sehr positiv, dass du dich nicht unterkriegen lässt und es ist ganz richtig, wenn du schreibst, dass die Krankheit dich nicht ausmacht. DA IST NOCH SOVIEL MEHR!
    Herzliche Grüße von Beate

  9. Eines weiß ich: Im Notfall – und natürlich auch im Alltag – hätte ich gern jemanden wie Dich zur Nachbarin, die auch mal den Notruf wählen. (Und ich weiß, daß die Einsatzkräfte zumeist lieber einmal mehr unnötigerweis zu einem Einsatz müssen als evtl. tage-, wochen- oder monatelang zu spät zu kommen.)

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