Summ‘ und brumm‘ Rädchen. Das Spinnrad in der Klassik.

Singen geht gerade bei mir gar nich, aber an den Ohren habe ich ja nix und so habe ich mir mal wieder eine Musikliste zusammengesucht. Ich wollte wissen, welche Rolle das Spinnrad, das Rädchen, in der klassischen Musik spielte.

Es gibt da ganz viele Lieder, Kunstlieder, Musikstücke, in denen das Spinnrad besungen wird oder der gleichmäßige Lauf des Rädchens den Takt vor gibt.
Warum so viel?
Im 18. und 19. Jahrhundert gehörten Handarbeiten zum Alltagsleben dazu. Und so ist es kein Wunder, dass das Spinnrad Beachtung fand.
Ich habe mich einfach mal auf die Suche gemacht, um zu hören, wie verschiedene Komponisten das Rädchen surren lassen haben. Meine Liste war ordentlich lang, vier Stücke habe ich ausgewählt. (Achtung: Alle Links laufen zu YouT**e)

Gretchen am Spinnrad

Gretchen sitzt am Spinnrad und denkt über Faus nach. Ihre Welt ist aus den Fugen geraten. Franz Schubert vertonte Goethes Ferse und das Kunstlied steht nun für den Höhepunkt der Krise, in der sich Gretchen befindet. Die Bewegungen des Spinnrades finden sich im Lied wieder. Hört mal , aber nur wenn ihr wollt. Man sieht Gretchen vor sich, wie sie in ihrem Zimmer spinnt.
Als ich anno dunnemals den Faust gelesen habe, hatte ich mit dem Spinnen noch nichts am Hut. Um so interessanter finde ich es jetzt. Übrigens, diese Verse sind schon im Urfaus zu lesen. Da hatte uns Jungspunde allerdings etwas ganz anderes interessiert.

Meine Ruh ist hin
mein Herz ist schwer
ich finde, ich finde sie nimmer
und nimmermehr.

Goethe: 15. Szene aus dem Faust

La Fileuse – die Spinnerin

Mein zweites Beispiel, was ich herausgesucht habe aus vielen ist ein Musikstück für Harfe von A. Hasselman. „La Fileuse“ heißt es, die Spinnerin. Ich habe mich für diese Darstellung entschieden, weil der kleine Künstler an der Harfe gerade mal 11 Jahre alt war, als er das einspielte.
Man kann ruhig mal die Augen schließen und sieht sie vor sich, die Spinnerin.

Summ‘ und brumm‘ Rädchen

Mein drittes Beispiel ist aus dem fliegenden Holländer von Wagner. Während die Männer auf See sind, treffen sich die Frauen und spinnen zusammen.
Ganz ehrlich, wenn ich das Lied der Spinnerinnen höre, läuft es mir kalt über den Rücken. Das ist genau mein Spinn-Rhythmus.
Ich weiß nicht, wie oft ich den fliegenden Holländer gesehen (und gehört) habe. Einige Male waren es schon. auf das Lied der Spinnerinnen hbe ich früher kaum geachtet. Schade.

Mein Lieblingskomponist darf nicht fehlen

ob bei Brahms zu Hause auch ein Rädchen surrte?

Ohne meinen Lieblingskomponisten (dem ich im Herbst in seinem Haus in Heide hoffentlich einen Besuch abstatten kann) geht es natürlich nicht. Brahms Auf die Nacht in der Spinnstub’n muss ich also noch erwähnen. Eigentlich ging es in den Spinnstuben ja immer ganz lustig zu. Ein Mädchen sitzt allerdings still und in sich gekehrt an ihrem Spinnrad.

Auf die Nacht in der Spinnstub’n
da singen die Mädchen,
da lachen die Dorfbub’n,
wie flink geh’n die Rädchen!
Spinnt Jedes am Brautschatz,
daß der Liebste sich freut.
Nicht lange, so gibt es
ein Hochzeitgeläut.
Kein Mensch, der mir gut ist,
will nach mir fragen;
wie bang mir zu Mut ist,
wem soll ich’s klagen?
Die Tränen rinnen
mir übers Gesicht
wofür soll ich spinnen?
Ich weiß es nicht!

Text: Paul Heyse (1830-1914)

„Die Tränen rinnen mir übers Gesicht. Wofür soll ich spinnen? Ich weiß es nicht!“ Die Frage trieb mich vor einiger Zeit arg um. Nein, ich spinne nicht, um mich zu beschäftigen der Beschäftigung Willen. Ich weiß es wieder, warum ich es tue. Bald fange ich an zu spinnen für meine Webprojekte. Wenn ich Decken über die Knie meiner Rollstuhlfahrerinnen aus der Nachbarschaft webe, kann ich vielleicht ein bisschen Wärme verschenken, die wir alle so sehr brauchen.
Dafür wird das Rädchen summen.

18 Gedanken zu „Summ‘ und brumm‘ Rädchen. Das Spinnrad in der Klassik.“

  2. Ha, unsere Gudrun geht nicht nur ans Spinnrad, sie geht auch unter die Musikhistoriker und zeigt uns jetzt hier ihre „Forschungsergebnisse“.
    Dies Zeilen können wir momentan alle zu uns sagen, auch wenn unser Herz nicht an Herrn Dr. Faust denkt oder von ihm gebrochen wurde:
    Meine Ruh ist hin
    mein Herz ist schwer
    ich finde, ich finde sie nimmer
    und nimmermehr.
    Jetzt habe ich alle Links aufgerufen und werde mal sehen, wie meine „Ohren“ darauf reagieren.
    Liebe Grüße zu dir

    1. Ach nein, unter die Musikhistoriker gehöre ich nicht. Ich habe mich bloß schon früher viel mit Musik beschäftigt. Das verdanke ich meinem Musikervater. Das Spinnrad spielte nur damals allerdings keine Rolle. Das ist erst jetzt interessant geworden.
      Manche Worte sind auch heute noch aktuell, gell?
      Ganz liebe Grüße an dich.

  4. Du nimmst uns mit auf eine sehr interessante musikalische Reise. Vielen Dank dafür.
    Als du erwähntest, dass du weben möchtest, wurde ich an meine Schulzeit erinnert. Jeder hatte so einen kleinen Webrahmen. Es machte eigentlich schon Spaß und ich erinnere mich einen Schal gewebt zu haben.

    1. Auf das Weben freue ich mich sehr, habe mich schon mit einiger Theorie beschäftigt, mit Bindungsarten zum Beispiel. Und weißt du was? Wenn es wärmer wird, möchte ich mit Fridolin zur Nabu fahren und mal fragen, wie es den Leineschafen geht. Im Sommer möchte ich im Garten Wolle waschen. Weißt du noch? Der Lämmerkindergarten.
      Herzliche Grüße an dich.

      1. Ach liebe Gudrun, ich lese erst heute das was du geantwortet hast.
        Ja ich erinnere mich sehr gerne an all das was ich schönes mit dir erleben durfte.

  5. Ich höre im Moment sehr viel klassische Musik, das beruhigt doch sehr. In meine Timeline werden immer mehr Lieder gespült, die ich schon seit Jahren, einige seit Jahrzehnte, kenne. Friedenslieder, Lieder gegen den Krieg. Viele jüngere Menschen entdecken sie jetzt für sich, was gut ist, aber mich wühlen sie gerade zu sehr auf. Was haben sie letztlich gebracht? Kein Kriegsherr lässt sich durch Lieder aufhalten. Ja, ich fühle mich gerade sehr ohnmächtig. Da kommt mir die klassische Musik gerade zurecht. Auch deine Lieder werde ich mir anhören.
    Liebe Grüße,
    Elvira

    1. Diese Lieder kenn ich auch. Es gab hier viele, die sich engagiert haben, dass es friedlich bleibt. Damals hatte ich große Hoffnung, dass sich etwas ändert, dass es Entspannung gibt, dass das elende Wettrüsten aufhört, dass Feindbilder verblassen, dass es Zusammenarbeit zum Nutzen aller gibt … Ich habe mich geirrt.
      Ohnmächtig fühle ich mich auch, liebe Elvira. Mein Leben hat es einige Male umgekrempelt, aber total. „Du bist stark.“, hab ich mir gedacht und losgelegt. Jetzt geht es nicht mehr. Ich verkrafte das alles um mich herum nicht mehr und auch nicht, dass mich das Rheuma auffrisst.
      Ich schicke dir ganz liebe Grüße und drücke dich mal aus der Ferne.

  6. Liebe Gudrun, was für eine schöne Musiksammlung. Das Brahmslied kannte ich noch gar nicht. Ich habe aufgehört mich zu fragen wozu, wenn mir etwas Freude macht, dann mache ich es und frage nicht nach dem Nutzen, denn es hat ja einen: Die Freude, die es in mir auslöst. Alles Liebe

    1. Danke. Du hast Recht. Meiner Freundin habe ich das heute auch so gesagt. Bei mir selber vergesse ich das manchmal.
      Liebe Grüße zu dir in de Norden.

  7. Liebe Gudrun, das war eine richtig gute Idee, das Spinnrad einmal aus dieser Perspektive zu sehen. Du hast wirklich schöne Beispiel gefunden. Ja, und warum macht man manche Dinge? Ich sehe das wie Karin, wichtig ist doch, dass es Spaß macht.
    Ganz liebe Grüße schickt Dir die Silberdistel

    1. Ich bin richtig froh, dass ich viele Dinge habe, die Freude machen. Im Moment kann ich nicht reden, weil das Rheuma gerade meinen Kehlkpf zerlegt. So wusele ich eben mal ganz leise vor mich hin. Ich bin gerade dabei, neue Garne herzustellen. Der Schwiegersohn muss doch auch sein Mitbringsel bekommen.
      Herzliche Grüße an dich und Glückwunsch zur Fertigstellung deines Buches. Ich werde es bestellen.

      1. Dankeschön, liebe Gudrun, es hat ja lange gedauert mit dem Buch, zwischendurch hatte ich auch immer wieder Zweifel an der Fertigstellung und am Sinn des Ganzen überhaupt. Aber jetzt bin ich doch zufrieden mit dem, was letztendlich dabei rausgekommen ist. Und da sind wir nochmal bei den Dingen, die Spaß machen. Das war genau das, was mir Freude bereitet hat. Nur leider steht man sich manchmal mit seinen Zweifeln selbst im Wege.
        Liebe Gudrun, ich hatte ja drei Freiexemplare bei mir im Blog angeboten. Eins ist noch übrig. Wenn Du magst, würde ich Dir gern eins schenken. Du müsstest mir, solltest Du mein Angebot annehmen, nur Deine Postadresse mitteilen.
        Einen lieben Gruß von der Silberdistel

        1. Da würde ich mich sehr freuen, liebe Silberdistel. Ich würde es gerne lesen, auch darüber schreiben und vielleicht gibt es mir Antrieb, nun endlich auch in die Puschen kommen. Das Ding mit dem Zweifel kenne ich nämlich nur zu gut.

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