In dem Dörfchen, in dem ich mal eine Zeit lang und während meiner Stadtflucht lebte, konnte ich eine prägende Beobachtung machen. Es war eine, die mir den guten Umgang zwischen Alten und Jungen zeigte. Ich will davon erzählen.
Hinter einem Gehöft gab es ein kleines Stück umgeackerten Boden. Auf der einen Seite der Furchen stand ein alter Holzstuhl; ein zweiter befand sich auf der gegenüberliegenden Seite. Ich sah das, wunderte mich und vergaß das Bild wieder, bis ich eines Tages erleben lonnte, wozu die beiden Stühle am Acker da waren.
Auf einem Teil des kleinen Ackelandes wuchsen wunderschöne Sommerblumen. Auf dem anderen Teil zeigten sich inzwischen auch kleine Pflänzchen. Und in der Furche stand ein alter Mann. Er lief nicht mehr gut, musste aufpassen, wo er hintrat, aber mit einer Hacke entfernte er allen Wildwuchs zwischen seinen Pflänzchen. War er am Ende der Furche angekommen, setzte er sich auf einen der Stühle und ruhte sich aus.
Er saß da, die Hacke zwischen den Beinen und das Kinn auf den Händen, die die Hacke hielten. So hing er seinen Gedanken nach. Manchmal kam jemand vorbei auf ein Schwätzchen.
Zuerst dachte ich: „Der arme alte Mann!“, aber dann merkte ich, dass er sehr zufrieden war mit dem, was er tat. Er machte das, was er sein ganzes Leben schon tat, nämlich ein Feld bestellen. Gut, früher war das Feld größer und hatte keine Stühle am Rand. Aber noch immer konnte er seiner Arbeit nachgehen und die Jungen auf dem Hof der ihren. Die Jungen und die Alten kamen sich nicht in die Quere.
Jedes Jahr bereitete der Jungbauer ein Stücke Land vor für den Alten mit der Hacke.
Warum fiel mir das gerade jetzt ein?
Ich hatte vor Tagen ein Gespräch mit einem jungen Mann, der sich beklagte, dass die Alten viel mehr sind, hohe Kosten verursachen und bei Wahlen ja wohl immer gewinnen. Auch könnten sie nicht loslassen und meinten, bis in alle Ewigkeit alles bestimmen zu müssen.
„Wenn ich mich entscheiden könnte “, sagt der junge Mann, „würde ich mich in allen Belangen für meine Generation entscheiden.“ Alte Männer, die mit 80 Jahren noch meinen, über die Geschicke der Menschheit entscheiden zu müssen, regen mich auch auf. Die Worte des jungen Mannes aber taten mir dennoch weh. Eine ganze Menge Fragen geisterten mir durch den Kopf. Ich weiß noch nicht, ob ich sie irgendwann stellen werde.
Gut, dass ich mich an die Leute auf dem Hof und den den alten Mann mit der Hacke erinnerte, wie er zufrieden auf seinem Stuhl am Ende der Furche saß.
Es war ein Bild, was Hoffnug ausstrahlte. Ich will es mir bewahren.
Die Meinung des jungen Mannes wird subtil ja seit Jahren von der Politik und diversen Medien beflügelt. Ich musste da sofort an einen Film denken, das ist mindestens vier oder mehr Jahrzehnte her, in dem Menschen nur bis zu einem gewissen Alter leben durften. Gruselig! Wie schön, dass dann solche Erinnerung, wie du sie hier schilderst, ein Gegengewicht darstellen. Ich sehe gerade vom Sofa aus dem Fenster, sehe das rotleuchtende Herbstlaub in der Sonne und einen friedlich schlafenden Kater auf dem Kratzbaum. Das sind dann Minimomemte des Friedens.
Liebe Grüße,
Elvira
Liebe Elvira,
den Film habe ich auch gesehen. Er fing so friedlich an. Man wurde weich gebettet und gefragt, welche Bilder man sehen wollte und welche Musik hören. Damals habe ich noch gedacht, bloß gut, dass die Wirklichkeit anders ist. Hoffentlich habe ich mich nicht geirrt.
Friedliche Bilder suche ich auch gerade. Ich schaue jedem Herbstblatt nach, was sich vom Baum löst und bedächtig zu Boden trudelt. Und ich freue mich, wenn der Gastkater an meine Balkontür klopft, wie gerade eben. Jetzt liegt er auf meinem Schoß und ich genieße seine Wärme und sein Schnurren.
Ich schicke dir herzliche Grüße.
Eine wunderbare Geschichte.
Lieben Dank dafür und einen herzlichen Gruss,
Brigitte
Den alten Mann mit der Hacke werde ich, glaube ich, nie vergessen. Dieses Erlebnis ist eines von vielen Dorfgeschichten, die mir so gut getan haben nach einer stressigen und unangenehmen Zeit.
Herzliche Grüße auch zu dir.
Elvira hat recht, die Meinung wird gefördert und andererseits komme ich nicht umhin ihn in einem Punkt recht zu geben. Warum sind es immer die alten Männer, die die Welt bestimmen? 80zig-jährige, die sich noch zur Wahl stellen und bei den meisten kann man nicht einmal von Altersweisheit sprechen, eigentlichlich nicht einmal von normaler Weisheit, geschweige denn von normaler Klugheit.
Aber es ist erschreckend, wie kalt berechnent über die Entsorgung von Menschen geurteilt wird, nur weil sie alt sind. Alles Liebe
Die alten, regierungsgeilen und machtbesessenen Männer regen mich auch auf. Der eine will gerne das zu Ende führen, was in Zeiten des kalten Krieges nicht mehr möglich war und der andere ist Kraft seines Geldes einfach nur ein A., samt seines Hauptunterstützers. Aber das sind ja nur wenige.
Ich persönlich kaspere nirgends mehr herum, lasse die Jungen machen. Statt dessen bin ich achtsamer geworden meinen Nachbarn gegenüber.
Liebe Grüße zu dir.
Hallo Gudrun, deine Antwort an Karin lässt mich befürchten, dass es viel zu viel Alte, Machtgeile und Uneinsichtige in der Politik gibt, die die Geschicke so vieler anderer Leute in der Hand haben. Auch in der Kirche sind die Päpste schon über das Alter hinaus, in dem man noch zu den entscheidungsfreudigen Leuten zählt, die die Probleme der Gegenwart von Alt UND Jung kennen. Und das ist eben nicht nur das amerikanische Orangengesicht, auch der Mensch von den Israelis sollte endlich von einem friedfertigeren Staatenlenker abgelöst werden, die nicht nur im Kopf hat, wegen eines Hisbollakämpfers Hundert und mehr Zivilisten zu opfern. – Werden wir es noch erleben, dass auf der Welt halbwegs wieder ein kriegsfreier Zustand herrscht – von Frieden wage ich ja schon gar nicht mehr zu reden.
Lieben Gruß an dich
Ich denke, wir werden das erleben, liebe Clara, denn so wie du und ich denken viel mehr, als ich dachte. Vor November graut mir mächtig. Wenn Orangengesicht Präsident wird, wird es ungemütlich überall.
Ich bin auch der Meinung, dass wir eine ganze Menge machen können, um die Welt um uns besser zu gestalten.
Liebe Clara, ich drück dich mal und grüße dich herzlich.
Eine moralische Parabel erzählt vom alten Großvater und dem Enkel (Grimm) – ohne belehrenden Zeigefinger.
Weisheit hat nichts mit dem Alter zu tun, viele junge kluge Köpfe scheitern an der Verantwortung.
Es ist eine sehr markante Auffälligkeit, gerade zur Zeit haben viele, sehr alte Männer die größte Macht auf der Welt und die unüberlegte Äußerung des jungen Menschen mag sich vielleicht daher ergeben.
Die anrührende Geschichte aus deinem Dorf mit der guten Lösung von Problemen unter Generationen sollte beispielhaft seien.
Achtung und Respekt für einander.
Lieben Gruß!
Achtung und Respekt voreinander – ja, das halte ich auch für ganz wichtig. Und ja, das trifft für beide Seiten zu. Es gibt viele Beispiele, wo das gut klappt.
Liebe Kelly, ich schicke dir liebe Grüße in den Norden.
Zur Weisheit des Alters würde an sich auch gehören, dass man erkennt, wann man sich zurückziehen und den Jüngeren das Feld überlassen sollte. Aber manche – darunter auch ein widerwärtiger Trumpel und ein verurteilter, vor den extremen Rechten in seinem Parlament stets kuschender Straftäter im Nahen Osten – wissen halt nicht einmal, wie man Weisheit überhaupt buchstabiert.
Manchmal macht mich das nicht nur wütend, sondern auch bange, wenn ich miterlebe, welche Geringschätzung und Verachtung junge Menschen gegenüber den Alten und Schwerbehinderten an den Tag legen. Und dann muss ich unweigerlich an das NS-Regime denken, und wie man in dieser düsteren Zeit auf grausamste Weise „unnütze und belastende Menschen“ aussortiert hat…
Herzliche Grüße!