Die Druckerahle im Spinnstübchen

Was hat die Druckerahle im Spinnstübchen zu suchen?

Geschichten erzähle ich ja gerne: Märchen den kleinen und anderes den Großen.
Lasst mich eine kleine Geschichte erzählen; zur Druckerahle komme ich gleich.

Im Unterricht, bei den Mediengestaltern habe ich immer dann erzählt, wenn wir einen langen Tag hatten und müde waren. Ich erzählte zum Beispiel von Alois Senefelder, der einst vergeblich nach einem Verlag für seine Texte suchte und schließlich die Druckverfahren revolutionierte. Not macht erfinderisch.

Senefelder nannte man den „Steinschreiber“, weil er auf Kalkschieferplatten schrieb, zeichnete oder malte, allerdings in Spiegelschrift und mit sehr fetthaltiger Tusche oder Kreide. Der Stein muss dann immer wieder mit Wasser befeuchtet und danach die ebenfalls sehr fettreiche Druckfarbe aufgetragen werden. Wo man gezeichnet hat, ist sehr viel Fett, das Wasser perlt ab, und die Druckfarbe bleibt hängen.

Man erzählte sich, dass Senefelder die ersten Versuche auf der Suche nach wiederverwendbaren Druckformen mit den Zinntellern seiner Mutter machte. Weil die immer dünner wurden und irgendwann die Suppe durchgetropft wäre, gab es Ärger im Hause Senefelder.

Wie kommt eine Druckerahle in das Spinnstübchen?

Es fing alles an mit den gerade gestrickten Hüttenschuhen, die Ihre Sohle bekommen sollten. Die Sohle wird angenäht, hat dafür extra vorgestanzte Löcher. Die aber passten hinten und vorne nicht. Was ich auch versuchte, neue Löcher in das Leder zu bekommen, es gelang mir nicht.
Da sagte mir Herr E., dass er ein Werkzeug für mich hätte: eine Druckerahle.

Wozu brauchen Drucker eine Druckerahle?

mein altes Bild: Bleilettern für die Gutenberg-Druckerpresse in Heide

Schriftsetzer brauchten so ein Ding, um einzelne Buchstaben aus dem Satz zu heben und zu ersetzen und zum Ausbinden des Satzes. Das leuchtete mir auch immer ein. Aber wozu brauchen Drucker eine Druckerahle?

links ist die Druckerahle/ rechts eine Schusterahle

Nach dem Andruck im Hochdruckverfahren sah der Drucker, ob alle Lettern und Zeichen ein gleichmäßiges Bild ergaben. Manchmal mussten einzelne Buchstaben „unterfüttert“ werden. Mit der Druckerahle wurde ganz vorsichtig diese Zeichen angehoben, um Seidenpapier unterlegen zu können, bis das Druckergebnis zufriedenstellend war.

Nachsatz

Ich mag solches Wissen und auch solche alten Geräte. Beides sollte erhalten bleiben.
Herr E. hat seine Druckerahle nicht herausgerückt, denn die hatte er überreicht bekommen nach Abschluss seiner Druckerlehre. Für die nächsten Hüttenschuhe habe ich jetzt eine Schusterahle. Die hatte Herr E. nämlich auch noch und die ist jetzt meine.

Mir der „Druckerey“ habe ich nichts mehr zu tun, aber ich freue mich, dass ich die Geschichten mit ins Spinnstübchen nehmen konnte.

18 Gedanken zu „Die Druckerahle im Spinnstübchen“

  1. Mit einer Schusterahle bist du bei Leder auch besser aufgestellt. Die Setzer- oder Druckerahle ist spitzer und Löcher damit bohren stelle ich mir schwierig vor.
    Ich habe auch eine hier liegen, dazu einen Winkelhaken, diverse Bleilettern und anderes Schriftsetzerwerkzeug. Ganz wehmütig denke ich an meinen erlernten Beruf. MamS war sogar Schweizerdegen. Frag mal Herr E. Ob er weiß, was das ist?

    1. Na klar, weiß er das. Es ist jemand, der sowohl als Drucker und als Schriftsetzer ausgebildet ist.
      Mit der Druckerahle ging das Löcherstechen besser. Sie war spitz, scharf und ich brauchte nur kleine Löcher. Ich kann verstehen, dass er sie gleich wieder haben wollte. Es hängen viele Erinnerungen dran. (Und jetzt suchen wir gerade den Gautschbrief. )

      1. Ich habe noch was vergessen.
        Hebe deine Schätze gut auf, liebe piri. Sie sind etwas ganz besonderes und du bist es auch, weil du damit umgehen kannst. Du könntest bestimmt auch so einige Geschichten erzählen.

  2. Eine Schusterahle befindet sich auch in unserem Werkzeugkasten. Mein Opa war Schuster. Du glaubst gar nicht, was das für ein Drumborium war, wenn meine Oma mit mir als Kind Schuhe kaufen ging. Die wurden auf Herz und Nieren geprüft. Und gepflegt wurden alle Schuhe sehr gründlich. Ich erinnere mich nicht, wann ich das letzte Mal echte Schuhcreme in der Hand hatte. Die Hüttenschuhe brauchen GsD keine spezielle Pflege. Schön sind sie geworden!
    Liebe Grüße,
    Elvira

    1. Ohhhhh, ich kann mir vorstellen, dass deine Großeltern an den Schuhen jetzt viel auszusetzen hätten. Mit Recht.
      In Leipzig, in der „Feinkost“ (ehemaliges Werksgelände), gibt es wieder einen Schuhmacher, der die Schuhe direkt für seine Kunden anfertigt. Da würde ich gerne hingehen mit meinen Rheumafüßen, allerdings kann ich mir das nicht leisten. Schade.
      Schuhcreme nehme ich noch für ein Paar Winterschuhe aus Leder.
      Liebe Grüße zu dir.

  3. Oje… ich hab grade mein erstes Paar Hüttenschuhe in der Mache, Sohlen gekauft – aber keine Ahle in meiner minimalistischen Werkzeugsammlung! Hoffentlich passen die vorgestanzten Löcher, auf dass ich keine brauche!
    Und dann noch Verzierungen überlegen – hoffentlich reicht die Zeit bis Weihnachten nocht!
    Liebe Grüßchen!

    1. Hallo, liebe Annette,
      du schaffst das noch! Ganz bestimmt. Wenn gar nichts da ist, kannst du noch eine alte Stricknadel heiß machen. Das geht zur Not auch. Man muss nur aufpassen, dann man sich nicht verletzt.
      Du bist ja auch fleißig am Wuseln! Hast du das Garn gesponnen?
      Es ist schön, dass du da warst. Ich wünsche dir eine schöne Vorweihnachtszeit.

  4. Ahle kennen wir, die sind zum Vorstechen da. Kommt manchmal im Kreuzworträtsel vor.
    Not macht erfinderisch, das stimmt. Und nun kannst du weiter arbeiten.
    Ich wollte ursprünglich Schriftsetzerin werden, hier im Ort gab es eine Druckerei. Alles vorbei, heute könnte ich da nicht mehr arbeiten.
    Liebe Grüße von Kerstin.

    1. Ja, da hat sich vieles verändert und vieles gibt es so nicht mehr. Bei mir im Unterricht saßen einige Schriftsetzer, die sich zum Mediengestalter umschulen ließen. Eigentlich nicht schlecht, denn man kann von überall arbeiten, wo ein Rechner steht. Aber ganz ehrlich, das meiste wird jetzt ganz weit weg produziert. Da spart man viele Lohnkosten. 🙁
      Liebe Kerstin, ich schicke dir ganz liebe Grüße in die Aue.

  5. Was für eine feine Geschichte. Herr E. scheint mir ein rechter Tausensassa zu sein, der auch noch das richtige Werkzeug zu allen hat, oder falls das doch nicht, eines das passen könnte. Gefällt mir gut und die Hüttenschuhe auch. Alles Liebe

    1. Herr E. ist gelernter Drucker. Das war immer sein Traumberuf, wahrscheinlich durch seine Eltern angeregt, die beide Buchbinder waren. Später hat er Poligrafie studiert und war als Technologe tätig. Herr E. hatte auch einen Lithografenstein. Den wollte ih immer haben, aber er rückte ihn nicht raus. Ich glaube, den hätte ich sogar mit in meinen Unterricht geschleppt.
      Liebe Grüße

  6. Ich mag solche Geschichten auch, liebe Gudrun. Manches davon können sich unsere Kinder vielleicht noch, unsere Enkel aber kaum noch vorstellen. Ich finde es immer schön, wenn weitererzählt wird, wie die Menschen früher gelebt und gearbeitet haben.
    Ich hab zwar keine Druckerahle, aber eine Schusterahle habe ich auch noch. Ich habe sie schon öfter mal für ähnliche Zwecke wie Du gebraucht.
    Die Hüttenschuhe sind ganz schick geworden, liebe Gudrun.
    LG von der Silberdistel

    1. Vor Jahren hatte ich die Vorstellung, mit Kindern Bleisatz zu machen und zu drucken. Das Blei der Lettern hat den Fortschritt gebracht, nicht das Blei in Gewehren. Aber woher sollen Kinder das wissen?
      Es hat niemand interessiert und ich habe es aufgegeben. Das war falsch.
      Heute möchte ich, dass alte Handwerke erhalten bleiben und viele Geschichten drum herum auch.
      Liebe Silberdistel, ich schicke dir ganz liebe Grüße.

  7. Hallo Gudrun,
    ich bin gerade von Traudi hierhergehüpft und habe diesen Beitrag mit großem Interesse gelesen (den du auch noch schön bebildert hast). Es geraten so viele Dinge – und Handwerk – aus früheren Zeiten in Vergessenheit, sodass ich mich immer wieder freue, über solche Sachen etwas zu lesen.
    Herzliche Grüße – Elke

    1. Das freut mich, liebe Elke.
      Schön, dass du mich besuchst. Mir liegen diese alten Dinge, Techniken, Lieder … wirklich am Herzen. Ich möchte nicht, dass sie vergessen werden. Wenn ich mit dem Spinnrad unterwegs war, merkte ich das große Interesse der Kinder und der erste selbergesponnene Faden war besonders kostbar. Vielleicht sind es die Kleidungsstücke dann ja auch.
      Herzliche Grüße an dich.
      (Ich mache mich dann mal heute noch zu einem Besuch bei dir auf.)

  8. Früher hatte mein Vater für alles Handwerkzeuge. Wir Kinder haben gern zugeschaut, wenn er Schuhnähte wieder festigte oder abgelaufene Absätze und Spitzen reparierte. Überhaupt wurde früher alles repariert, und man konnte beim Zusehen viele Funktionen nachvollziehen und verstehen lernen. Altes Wissen und Geschichten mag ich auch 🙂

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