Ich kann nichts für mich behalten.

Vor Jahren hab ich mich sehr gestritten mit einem Verantwortlichen der Druckindustrie hier in der Gegend. Es ging um die Berufsausbildung und er meinte, dass man von seinem Wissen nicht alles weitergeben sollte. Oh nein, ich kann nichts für mich behalten.
Warum auch? Um sich erst Bauchmiezeln zu lassen? Um besser da zu stehen?

Ich habe das immer anders gehandhabt, und vielleicht bin ich auch deshalb Lehrer geworden. Ich habe viel Mühe verwendet für meine Vorbereitungen und ich habe auch alles weitergegeben, was ich wusste. Ich kann halt nichts für mich behalten. Und wenn ich ein Problem nicht lösen konnte, dann hab ich das gesagt. Manchmal sind wir als Gruppe dahinter gekommen.
Wenn meine Schüler dann besser waren als ich, war ich sehr zufrieden.

1. Das Entspannungsbad

Alle Mustertücher müssen ins Wasserbad; ich kann nichts für mich behalten.
einer ist fertig, der andere muss noch wachsen

Ich möchte nun nicht, dass jeder nun stricken sollte. Aber denen, die es tun, denen möchte ich auch meine ausgedachten Hilfen weitererzählen.
Mit Lace-Mustern beschäftige ich mich gerade. Hauchzarte Spitzen möchte ich nicht stricken und dazu auch meine Schafwolle verwenden. Man strickt mit eigentlich zu dicken Nadeln dünneres Garn. Das ist ungewohnt.

Das erste Gestrick hatte ich wieder aufgedröselt. Es gefiel mir nicht, weil ich nicht wusste, dass sich das Muster erst richtig entfaltet, wenn das Gestrick im Entspannungsbad war. Danach sollte es gespannt werden.
Wenn man strickt, sieht das erstmal aus, als wäre ein Hunh über die Fläche gerannt und hätte gescharrt. Der erste Schal hat alle Nachbehandlung schon hinter sich. Er ist glatt und das Muster zeigt sich von der besten Seite.

2. Der Reihenmarkierer für den Mustersatz

Ich kann nichts für mich behalten, auch nicht kleinste Erfahrungen.
Auch kleinste Tricks und Erfahrungen muss ich petzen.

Was habe ich mich zu Beginn verstrickt! Ich habe dann angefangen, den Fehler zu suchen, aber das war alles andere als leicht. Dann habe ich zurück gestrickt, aber den Fehler fand ich nicht wieder. Ein etwas größeres Stück hab ich wieder aufgedröselt, hatte mir viel Arbeit umsonst gemacht.
Der Mustersatz geht über sechs Reihen und manchmal wusste ich nicht, wo ich mich gerade befinde. Wie gesagt, so richtig glatt liegt da nichts. Und so habe ich zu Beginn des nächsten Mustersatzes einen Maschenmarkierer gesetzt. Das war schon mal eine gute Tat. Stimmte alles, musste ich nicht mehr darüber nachdenken.

3. Der Markierer für den Rapport

So geht es auch, aber ab morgen wird es besser.

Der Rapport besteht aus neun Maschen. Von Reihe zu Reihe ändert es sich. Zu Beginn des Musters habe ich auch wieder Maschenmarkierer gesetzt. Ich hatte nichts anderes und so mussten Büroklammern herhalten. Die Nadel ist etwas dich und die Markierer gleiten nicht geschmeidig beim Stricken auf die andere Nadel. Morgen zieht eine besseere Lösung bei mir ein.
Es fällt sofort auf, wenn zwischen den Markierern ein Fehler passiert ist. Und der lässt sich dann auch ohne größeren Aufwand korrigieren.

Ich kann nichts für mich behalten, aber jetzt stricke ich erstmal wieder.

Beim zweiten Schal bin ich inzwischen ein ganzes Stück weiter gekommen. Trotzdem muss ich noch ungefähr einen Meter stricken.
Ich bin sehr froh, dass ich mich an das Projekt gewagt habe. Und wenn es mal total daneben geht, dann fängt man eben nochmal an, immer nach der Devise:
„Meister, ich bin fertig. Wir können trennen.“ 😀

15 Gedanken zu „Ich kann nichts für mich behalten.“

  1. Maschenmakierer mache ich ganz einfach aus einer kontrastfarbe. Eine kleine Schlaufe und ein knoten, kostet nix und behindert nicht beim Stricken.Elisabeth

    1. Hallo, liebe Elisabeth, und herzlich wollkommen.
      Deine Methode kenne ich. Das machen viele so. Bei mir hat sich das nicht bewährt, ich habe sie ordentlich verwurstelt. Kann sein, dass ich zu wenig Geduld hatte, aber nun mach ich es eben so.
      Liebe Grüße

  2. Neulich habe ich gehört, wie gesund das Stricken sein soll, liebe Gudrun. U.a. baut es Stress ab und es ist für beide Gehirnhälften Training. Es fördert die Kreativität und das Durchhaltevermögen. Das klingt echt gut und ich beneide dich um diese Gabe. Aber selbst, wenn du mir all dein Wissen darüber vermitteln würdest, so behalte ich wohl leider meine zwei linken Hände. Von Kindheit an schlugen alle Versuche fehl. Mir fehlt wohl auch vor allem die Geduld und Ausdauer, aber auch das Geschick, denn mit verkrampften Fingern wird das nichts.
    So erfreue ich mich auch weiterhin an den wunderbaren Arbeiten der Menschen, die es wirklich können. Wie du, liebe Gudrun!

    Ganz liebe Grüße,
    Andrea

    1. Liebe Andrea,
      es gibt so vieles, womit man sich beschäftigen kann und auch sollte, bevor einem die Decke auf den Kopf fällt. Früher wollte ich bei den Schafen auf der Weide Socken stricken. Ich dachte, dass ich da Zeit dafür hätte. Es war ein Irrtum, denn es gab genug anderes zu tun. Jetzt ist es ideal, denn zu großen körperlichen Aktivitäten bin ich oft nicht fähig. Außerdem liegt mir viel daran zu zeigen, was aus einem Berg schmutziger Schafwolle werden kann. Die Schals will ich mitnehmen, wenn ich auf große Reise gehe.
      Herzliche Grüße an dich.

      1. Ja, liebe Gudrun, da sagst du etwas Wahres. Irgend etwas Schönes, Sinnvolles tun ist allemal besser als Trübsal blasen. In dieser wackeligen Zeit bleibt für mich nicht viel, aber ich bin am kämpfen. Und ab und an ein guter Tag oder auch nur gute Stunden bauen mich auf.

        Ich wünsche dir weiterhin viel Freude … und der Gedanke, wo man dieses Schals einst tragen wird, lässt dies garantieren.

        Hab einen schönen Tag!

        1. Liebe Andrea, ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass du den Kampf gewinnst. Manchmal glaubt man, dass es nicht mehr weiter geht. Mir helfen die Frauen in der Nachbarschaft. Jede ist nicht gesund, aber sie sind schon viel weiter als ich in der Verarbeitung ihrer Erkrankung. Sie ziehen mich immer wieder hoch und ich tue es auch, wenn ich bei ihnen etwas bemerke. Ich freue mich schon auf den Frühling und Sommer. Dann können wir wieder draußen sitzen.

          1. So danke, liebe Gudrun. Ich gebe wirklich mein Bestes, schon wegen meiner Kinder und Enkel. Die Frauen der Nachbarschaft werden immer jünger. Viele, die ich unzählige Jahre kannte (lebe hier nun schon 35 Jahre) sind leider schon verstorben. Und ich habe mehr und mehr das Gefühl, nachzurücken.
            Mit meiner Erkrankung kann niemand etwas anfangen. Ich kannte sie ja selbst nicht …
            Der Frühling wird unser Heiler sein!!!!

            1. Das mit den Erkrankungen und dem damit verbundenen Suchen nach Hilfe kenne ich gut. Mein damaliger Hausarzt meinte ml zu mir: „Sagen Sie mir mal einen Grund, warum gerade Sie diese seltene Krankheit haben sollen?“ Ich habe dann bloß gesagt: „Ich dachte, Sie können mir das sagen, denn sie sind doch der Mediziner.“

              1. Also ging es dir auch so, liebe Gudrun. Das tut mir so leid.
                Ja, es scheint, da tauchen immer neue Erkrankungen auf, bei denen selbst die Mediziner überfragt sind, woher, warum und was man tun kann.
                Als mein erster Gleichgewichtsnerv starb, sagte man, es gibt nur 12 Fälle von 100.000 Menschen. Dass der zweite auch noch stirbt, ist noch weitaus seltener. Ja, dann bin ich wohl ein ganz seltener Fall …
                Vermutet habe ich das ja schon immer … haha.

  3. Liebe Gudrun,
    ich bewundere deine Geduld. Zwar bin ich auch geduldig, weil das muss man schon sein, wenn man so komplizierte Muster strickt. Und diese Muster dann aufzutrennen, weil man erst ein paar Reihen später merkt, dass man irgendwo einen Fehler reingestrickt hat, geht ja schon fast gar nicht. Da stellt sich bei mir immer die Frage: Soll ich’s lassen, oder soll ich es wagen, aufzutrennen. Meist stricke ich zurück, das ist sicherer. Den Fehler zu ignorieren, verschafft mir später beim Tragen Unzufriedenheit.

    Ich möchte aber Stricken nicht missen. Wie Andrea schon in ihrem Kommentar schreibt, ist das Gehirntrainig und Entspannung pur.
    Als ich noch berufstätig war, verging keine Mittagspause, in der ich bei schönem Wetter im Park, der in der Nähe war, saß und strickte. Und meinen Namen hatte ich auch gleich: Die Socken-Traudi.

    Damals habe ich auch gestickt (Zählmuster). Auch das entspannt total.

    Ich schicke dir viele Grüße
    Traudi

    1. Ich musste jetzt sehr lachen, liebe Traudi. Den Fehler ignorieren oder einfach alles irgendwie passend machen, das hab ich auch probiert und sogar tapfer einige Reihen weiter gestrickt. Und dann ging es mir wie dir. Ich bekam ein schlechtes Gewissen und habe dann doch wieder getrennt.
      Im Sommer nehme ich mir auf alle Fälle das Strickzeug mit in den Garten.
      Herzliche Grüße an dich.

  4. War am überlegen ob ich mir ein Dreieck – Tuch mit Lochmuster stricke.
    Aber irgendwie bin ich abends zu müde, zu ungeduldig. Man muss zu doll aufpassen.
    Irgendwann hole ich das mal nach.
    Dein Lochmuster gefällt mir gut.

    Viel Spaß beim Srricken.
    LG Marion

    1. Stimmt, so nebenher zu einem Gespräch wird das nichts. Zumindest am Anfang.
      Ich habe mit einen einfachen und immer wiederkehrendem Muster angefangen, aber die waren auch nicht so schön. Es lohnt sich, so ein Gestrick, weil es schön locker um den Körper gelegt werden kann. Es wärmt, sorgt aber nicht für Hitzestau.
      Liebe Marion, ich schicke dir liebe Grüße.

  5. Stricken ist für mich eine wundervolle Entspannung. Auch hat es mir vor 10 Jahren geholfen mit dem Rauchen aufzuhören. Da ich es fast sosehr geliebt habe Zigaretten zu drehen, als auch zu rauchen, hatte ich die Hände beschäftigt, was enorm half. Ich stricke und häkele immer noch, obwohl die Gefahr wieder zu rauchen eher gering ist.
    Lacestricken will ich auch demnächst. Das Muster sieht sehr fein aus.
    Alles Liebe

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