Auf der Suche nach Holunder. Ausfahrt im Spätsommer.

Mit Fridolin raus aus der Stadt.

Mein Gartennachbar konnte das gar nicht verstehen, dass ich Holunderbeeren pflücken wollte. Saft und Marmelade kann man doch kaufen! Da muss man doch nicht erst irgendwohin fahren, Beeren suchen und pflücken, kochen. Er kann sich nicht vorstellen, dass ich das mache, weil ich es mir Freude bringt, weil es mich zur Ruhe kommen lässt, weil es mich zufrieden macht. Dieses ständige Berechnen, das ist glaube ich unser Problem. Alles wird in Geldwerten gesehen, sogar die eigene Leistung. Es ist nicht gut.

Holunder pflücken und auf Fototour sein
Zeit für einige Fotos war auch noch.

Gestern war es nochmal so richtig schön sonnig. Naja, ein bissel diesig war es schon, denn früh hatten wir ordentlich Nebel. Aber es war schön warm und mein Fridolin brachte mich zuverlässig an den Elster-Saale-Radweg und natürlich auch wieder nach Hause.
Auf diesem Weg war ich früher viel mit dem Rad unterwegs und ich wusste, dass dort Holunder wächst. Die Kamera hatte ich natürlich diesmal mit.

auf der Suche nach Holunder am Elster-Saale-Radweg
dort zu sein bedeutet für mich ein großes Stück Freiheit

Neben dem Radweg schleppte ein Traktor eine Egge über das Feld. ‚Wie gebohnert sieht es schon wieder aus‘, dachte ich. Ja klar, der Sommer ist vorbei.
Sähen, wachsen, ernten – das habe ich gerne beobachtet, als ich einige Zeit im Dörfchen in der Nähe wohnte. Zeitlichen Abläufen und Jahreszeiten war ich da immer viel näher als jetzt in der Stadt.

auf der Suche nach Holunder
die Felder sind abgeerntet

Ich dachte, dass wir gleich zu Beginn des Radweges unser Körbchen füllen konnten, aber da hatte ich mich geirrt. Wir mussten schon ein ganzes Stück fahren, bis wir Holunder fanden, den ich mitnehmen konnte. Wenn Herr E. nicht mitgewesen wäre, hätte ich die Beeren nicht erreicht.

Fast alle Holunder-Büsche standen blattlos am Rande des Radweges. Beeren gab es natürlich an ihnen keine. Die Trockenheit der letzten Jahre hat den Holunderbüschen arg zugesetzt und als in diesem Jahr die Nässe und hohe Luftfeuchtigkeit dazu kam, befiel ein Pilz die Büsche. Er hatte leichtes Spiel.

Wenn ich so etwas sehe, macht mich das immer traurig. Klimaveränderungen lassen sich nicht mehr ignorieren oder weg diskutieren. Ich brauche keine Erdbeeren im Februar oder Früchte, die von sonstwo angekarrt wurden. Wenn aber der Holunder stirbt, dann stirbt für mich ein Stück Heimat.

Den Holunder nahe meines Elternhauses habe ich geliebt. Ich habe gern in seinem Schatten gesessen, gespielt, gelesen. Er roch so gut. Ein alter Mann zeigte uns Kindern, wie man aus einem Ästchen eine Flöte bauen kann. Ich möchte gern den nächsten Kindern auch so ein behütetes Gefühl hinterlassen wie ich es damals hatte.

Störche kucken und mit Fridolin zu meinem alten Dörfchen.

Heute gehörte mir die halbe Welt! Ich war endlich wieder unterwegs und ich habe es genossen.

Zu dem Storchennest neben dem Radweg zu meinem ehemaligen Dörfchen wollte ich. Störche kucken wollte ich, so wie ich das damals immer gemacht habe, als ich noch in dem kleinen Dörfchen Räpitz wohnte und den Radweg langgedüst bin.
Die Störche zwangen mich damals schon immer zu einer Pause.

Störche kucken mit Fridolin
Ohne meinen Fridolin wäre ich nicht zur Landpartie gekommen.

Ohne meinen Fridolin wäre ich da nicht hingekommen, denn Fahrrad fahre ich schon lange nicht mehr.
Schön war es, an den Feldern vorbei zu fahren, den Wind im Gesicht zu spüren und einfach mit den anderen Radlern mithalten zu können. Drinnen zu sitzen, das hat viel zu lange gedauert. Ich habe die Freiheit heute unglaublich genossen. Den anderen, die unterwegs waren, ging es vielleicht auch so, denn mit den meisten konnte man ein freundliches „Hallo“ tauschen. Das tat gut.

Die meisten Felder sind schon abgeerntet – Herbststimmung.

Die meisten Felder waren schon abgeerntet. Windig war es sehr, aber das ist es dort fast immer. Nicht umsonst gab es im Dörfchen mal vier Mühlen.
Trotzdem: Es machte sich bei mir Herbststimmung breit und die macht mich immer ein bisschen traurig. Aber nur ein ganz kleines Bisschen.

Der Elster-Saale-Radweg

Es waren viele Radler unterwegs und schon kleine Kinder strampelten auf ihren kleinen Rädern mit. Ich mag es, wenn ich so in die Ferne schauen kann, weit über die Felder. Und genau das konnte ich heute nach Herzenslust genießen.
Die Dürre der letzten Jahre war auch hier zu spüren. Da gab es ein Gartengrundstück mit ganz vielen Fichten. Wie hab ich die damals drum beneidet. Heute waren alle braun und vertrocknet.

Die Störche in ihrem Nest in Seebenisch wollte ich besuchen.
Die Störche in ihrem Nest in Seebenisch wollte ich besuchen.

Die Störche im Nest auf dem Schornstein einer alten Gärtnerei wollte ich besuchen. Neben dem Radweg und nahe am Nest war ein Rastplatz.
Ich hatte Glück. Der „Storchenvater von Markranstädt“, Herr Heyder, „der Herr der Ringe“ oder wie man ihn sonst noch liebevoll nennt, war da und hatte viel zu erzählen.

Es waren nur noch die alten Störche im Horst. Die beiden Kleinen hatten sich gestern mit anderen Jungstörchen auf dem benachbarten Feld getroffen. Heute morgen hatten sie sich auf ihren weiten Weg gemacht. Nie wieder werden sie hierher zurück kommen.
Die Eltern erholen sich noch zwei bis drei Tage und dann machen auch sie sich auf den Weg, getrennt. Treue kennen sie nicht. Sie kommen zurück zum Horst, nicht zu einem Partner.

Na dann: Gute Reise und kommt wieder im nächsten Jahr. Hach, ein bisschen wehmütig ist mir da schon jedesmal. Gut, dass ich mit meiner Landpartie nicht noch länger gewartet hatte. So konnte ich Herrn Storch und seine polnische Partnerin noch sehen.

ein unbebrütetes Storchen-Ei hat Herr Heyder immer mit zum Zeigen

Danke an Dietmar Heyder, den Storchenvater, dass er sich Zeit für uns alle genommen hat. Viel hatte er zu erzählen von den Störchen und von der manchmal recht beschwerlichen Beringung der Jungvögel. Die Dürre der letzten Jahre hatte auch ihnen und dem Nachwuchs zu schaffen gemacht. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass alles in der Natur seinen angestammten Platz behalten kann. Immer!

Ich habe dann noch mein ehemaliges Wohnhaus besucht. Da oben, in der Mitte links, habe ich mal gewohnt. Vom Küchenfenster auf der anderen Seite aus, hatte ich einen herrlichen Ausblick über die Felder. Es war eine gute Zeit hier.

mein altes, neu gemachtes Wohnhaus

Jeder Ausflug geht einmal zu Ende. Wenn ich mit Fridolin zur Freundin in die Elsteraue will, muss ich hier lang. Das heißt, die Hälfte der Strecke hab ich heute schon mal geübt.
Ein schöner Tag war das. Ich habe viel gesehen, konnte mit anderen Menschen reden, war nicht alleine. Und bestimmt mache ich mich mal wieder auf den Weg. Die neue Freiheit muss ich nutzen.