Die Vorhersagen stimmten.

Heute wollte ich eigentlich wieder in den Garten. Der Himmel sah aber schon früh budzsch (sächsisches Wort des Jahres) aus, so dass wir uns nur für einen kleinen Spaziergang durch unser Wohnviertel entschieden. Es war auch gut so, denn pünktlich kam der Regen und die Kühle, genau so, wie es die Wetterfrösche in ihren Vorhersagen beschrieben.

Wir wollten auch mal sehen, ob in unserem Viertel irgendwas los war, aber es war genauso still wie immer. Eigentlich war es noch stiller, denn keiner rannte zur S-Bahn oder schnell noch mal in den Supermarkt. Vom Feiertag spürte man wenig. Hier hatte ich Vorhersagen gemacht und sie stimmten auch.

Auf der Skaterbahn tummelten sich viele Leutchen mit Skatbrett, Roller oder Radl. Der neu angelegte Platz nebenan war leer. Die Räumlichkeiten von „Nebenan“, ein Nachbarschafftstreff, haben nur von Montag bis Donnerstag geöffnet. Schade. Wenigstens haben wir uns das Programm vom Theatrium angesehen und beschlossen, wiedermal ins Theater zu gehen.

Hier braucht es keine Vorhersagen: Es ist Herbst.

Das braucht nun wirklich keiner Vorhersage: Es wird mit Macht Herbst. Die kühlen Nächte sorgen dafür, dass die Vegetation sich für die Winterruhe zurückzieht. Ich werde heute die Sommerdecke im Bette verabschieden. „Siebenschläfer“ heißt meine Bettdecke für die kühlere Jahreszeit. Ich überlege schon, ob ich von September bis Mai unter meiner Decke verschwinde und nicht wieder auftauche. Ich glaube aber, das würde ich nicht schaffen, zappelig und neugierig wie ich immer bin.

Das ist übrigens die Rampe, über die ich mit dem Rolli sicher ins Haus komme. Gestern waren noch viele Markisen und Sonnenschirme am Haus zu sehen. Jetzt wird es stiller auf den Balkonen.
Ich finde es großartig, so mobil sein zu können, trotz alledem. Im Winter wird es kalt werden, wenn ich draußen unterwegs bin. Trotzdem will ich jeden Tag raus, auch wenn es nicht mehr so lange ist wie an warmen Tagen.

Über den Feiertag heute schreibe ich nichts. Da kann sich jeder selber seinen Reim drauf machen oder mal beim MDR ein Stimmungsbild bekommen. Versteht mich recht: Keiner von meinen Bekannten, mit denen ich über unsere Geschichte unterhalten habe, will alte Verhältnisse zurück, aber es ist noch viel zu tun. Es wird alles werden, davon bin ich überzeugt. Aber es braucht Zeit, Geduld, Mühe und vor allem Verständnis.
Zu Hause habe ich mich mit einer Beschäftigung befasst, die gut tut in der dunklen Jahreszeit. Ich bin sehr froh, dass ich das kann.

Ich habe angesponnen!

Herbst ist und ich habe angesponnen.

Unterwegs am Kulkwitzer See

Der Kulkwitzer See liegt am westlichen Stadtrand von Leipzig. In unmittelbarer Nähe zum See habe ich lange gewohnt, mal auf der einen Seite, mal auf der anderen. Weit habe ich es ja nun auch nicht gerade und so machten wir uns auf zum Kulkwitzer See. Ich fuhr mit meinem „Fridolin“, Herr E. mit dem Fahrrad. Er darf wieder, die Schulter ist verheilt.

der Kulkwitzer See, Westufer

In der Nähe der Windräder habe ich mal in einem Dörfchen gewohnt. Vom Küchenfenster aus sah ich die Windräder von der anderen Seite aus. Ich wohnte zwar gerne dort, aber mit meinen Einschränkungen bin ich in der Stadt besser aufgehoben. Das ist nun mal so.

Mit meinen Kindern und dann auch von Berufs wegen mit den Hortkindern war ich oft am Kulkwitzer See, am Kulki, wie er hier liebevoll genannt wird. Im Sommer waren wir hier baden und ansonsten konnten die Kinder nach Herzenslust rennen, mal richtig laut sein, hopsen und auf den Spielplätzen klettern.

Vor 1960 war hier Braunkohlebergbau. 1930 begann man mit der Flutung des Sees. Der alte Schäfer erzählte mir, dass er noch von der Markranstädter Seite mit den Schafen nach Grünau gelaufen ist. Damals gab es das große, mein Wohngebiet noch nicht.

10 Minuten bin ich von meinem damaligen Wohnhaus zum See gelaufen, manchmal noch am späten Abend. Ich glaube, das würde ich mir jetzt alleine nicht mehr trauen.
Auf den Wiesen auf der Markranstädter Seite des Sees war ich vor Jahren mit den Schafen. Jetzt ist da viel zugebaut. Seegrundstücke verkaufen sich nun mal gut und ich fürchte um die Ufer, die an verschiedenen Stellen noch recht urwüchsig sind.

Das war unser Lieblingsspielplatz. Ich habe noch Bilder von meinen Kindern, wo sie wie die Orgelpfeifen zum Beispiel in dem Fisch saßen oder ganz stolz oben auf der Krake. Manchmal wünsche ich mir diese Zeit zurück.

Die Wiesen am Kulkwitzer See sind herrlich. So kenne ich noch die Wiesen aus meiner Kindheit. Ganz vorsichtig hatten wir zuerst einen kleinen Gang in die Wiese getreten und dann durften wir eine Decke hinlegen und da spielen, solange bis die Mahd anstand. Hach, wie habe ich die Wiesen geliebt! Der Geruch sowohl nach Gras und Erde, als auch nach Blumen war herrlich. Das Gesummsel der Insekten habe ich nicht wieder vergessen und manchmal gab es auch Grashüpfer zu sehen.

Auch ja, Gerüche.
Am Kulkwitzer See gab es früher noch einen Kuhstall. Irgendwer hatte mal gesagt, dass Landluft gesund sei. Als wir mal an dem Kuhstall vorbeikamen, meinte mein Sohn: „Hier bleiben wir! Hier riecht es gesund.“
Tja, ich bin hingegen immer noch da. Den Kuhstall gibt es zwar nicht mehr, aber dort hinter der Wiese, beginnt mein Wohngebiet.

Advent aus dem Fotoalbum und ein bisschen Geborgenheit.

Es gibt kein Alter, in dem alles so irrsinnig intensiv erlebt wird wie in der Kindheit. Wir Großen sollten uns daran erinnern, wie das war.
(Astrid Lindgren)

Mir war gestern so und da habe ich in meinem alten Fotoalbum gescharrt. Es war nicht so ganz mein Tag. Das Zeichentablett habe ich lieber mal in Ruhe gelassen.

In einem Fotoalbum sah ich dieses Bild von mir. Und ich erinnerte mich daran, dass es damals ganz still war im Wohnzimmer. Mein Vater las Zeitung, meine Mutter strickte. Ich saß an meinem Kindertisch und spielte kochen. Ich konnte mich stundenlang alleine beschäftigen. Alles, was ich an meinem kleinen Tisch „zusammen rührte“konnte ich auch aufessen.

aus meinem Fotoalbum
Das Foto hat mein Vater gemacht und für meinen Ponny war er auch verantwortlich.

Draußen war es schon dunkel. Und kalt. Der Kachelofen strahlte wohlige Wärme aus. Ach, wie liebte ich es, mich mit dem Rücken dagegen zu lehnen. Manchmal habe ich den Ofen auch umarmt, weil ich mich in seiner Nähe so geborgen fühlte. (Dass ich mal den Kopf dahinter steckte und man schon drauf und dran war, den Ofen abzureißen, erzähle ich mal lieber nicht.)

Ab und an klackte der alte Regulator. Hinter der Glastür stand ein Hirsch aus einer Glasbläserei. Ich stellte mir dann immer vor, dass auch eines der Geislein da drinnen wohnte.
Heute bin ich meinem Vater sehr dankbar, dass er das Fotoalbum für mich angelegt hat. Die Erinnerungen an meine Kindheit sind schön. Die Gefühle von damals möchte ich wiederhaben und das auch Gefühl, dass jemand auf mich aufpasst.

ein besseres Bild habe ich leider nicht, ein Fremdes will ich nicht einfach nehmen.

Herr E. war gestern zu einem Fußwegkonzert in Grünau gegangen. Der Opernsänger Alexander Voigt hatte zum Weihnachtslieder singen eingeladen. Eigentlich wollte ich mit, aber dann grauste es mir davor, in der Kälte auf meinem Fridolin zu sitzen.

Leute wie Alexander Voigt beeindrucken mich. Leute, denen es auch in schwierigen Zeiten ein Bedürfnis ist, anderen eine bisschen Freude zu schenken. Belastende Zeiten sind es nun mal. Herr E. hat mir erzählt, dass mitgesungen wurde und auch getanzt, mit Abstand und in Haushalten. Das ist auch so etwas wie Aufeinander-Aufpassen, Wohlfühlmomente verschenken.

Meine zweite Filzseife habe ich nun doch noch fertig gemacht und gleich fange ich die dritte an. In diesem Jahr habe ich mir das Motto „Dörfer“ gestellt. Im nächsten Jahr werden es Märchenmotive sein. Und bestimmt ist das Zicklein im Uhrenkasten dann dabei.
An meinen Kindertisch sitze ich nun so lange schon nicht mehr, aber ein bisschen wie damals habe ich mich nun doch gefühlt. Das Fotoalbum habe ich wieder zugemacht, aber das Schöne halte ich noch ein bisschen fest.

Beschäftigung im Advend - Filzseife
Die Filzseife kann ich mal schon verpacken zum Verschenken.

Ich wünsche einen schönen 2. Advent voller Wärme, guten Erinnerungen, schönen Momenten. Und wenn es geht, gebt anderen etwas davon ab.