Vor und hinter dem Zaun

Es war viel los bei mir und es gab viel zu tun. Gut so.
Und ich zeige einfach mal einen Blick vor und über den Zaun.

Im Literaturtreff Grünau konnten wir unsere 13. Broschüre vorstellen. Diesmal gab es vom Stadtbezirk eine kleine Förderung für den Druck. Klar gaben sich die Autoren besondere Mühe. Für uns ist es manchmal unerträglich, wie bestimmte Presseorgane schreiben über unseren Stadtteil und auch über uns. Mancheiner der Schreiberlinge war offensichtlich noch nie hier. Das sollte mal nachgeholt werden. Wir sind ein buntes Häufchen: Manche waren Arbeiterin oder Arbeiter, einige waren selbständig und andere haben eine Promotion hinter sich. Aber alle sind aktiv, nicht nur im und für den Literaturtreff.

Ich war zwei Tage lang mit im Garten, nach langer Zeit mal wieder. Ich habe mir extra Zeuchs mitgenommen, damit ich nicht in Versuchung komme herum zu buddeln und dann wieder ein Weilchen ausgebremst zu sein. Das hat geklappt.
Schön war es mit Gartenfreunden zu schwatzen, zu sehen, was es Neues gibt und die Natur zu riechen, zu sehen und zu fühlen.

Wenn Herr E. die Fische füttert, dann „kocht“ das Wasser im Teich. Ein Gehoppse geht los. Über den Gartenteich freue ich mich immer wieder, weil er vielen Lebewesen nützlich ist, gerade jetzt, wo es immer wärmer und trockener hier wird.
Einfach hier sitzen und schauen. „Verweile doch, du bist so schön!“ – so wie Goethe im Faust kann man die Schönheit des Augenblicks auch ausdrücken.
Die Rosen wachsen übrigens in meinem Garten am Zaun.

Und hinter dem Zaun? Am anderen Ende der Welt?
Da war meine Familie zur „No Kings“-Demo. Es wurde gesungen und getanzt und alle hatten selbstgestaltete Plakate mit. Im Vorfeld waren die Schreibwarenläden in L.A. wie ausgefegt. Sowohl Bastelpappe, als auch dicke Stifte waren aus. Alte und Junge waren da, Familien, Menschen im Rollstuhl, Althippies und Veteranen. In Santa Monica wurde „we are family“ gesungen. Nicht nur mir in der Ferne machte das Mut.
Mein Sohn war in Berlin zur Demo. Ich bin stolz auf meine Kinder. Mehr dazu wird es hier nicht geben. Ich hoffe nur, dass der ganze Irrsinn in der Welt nicht weiter eskaliert, mein Enkel in Ruhe aufwachsen kann und meine Rose auch in einigen Jahren noch so schön blüht.

Stricken und sticken für einige Momente Ruhe.

Fast scheint alles normal. Fast.

Die Wildrosen vor meinem Balkon blühen. Ein feiner Duft liegt in der Luft. Wir haben die Büsche selber verschnitten im Frühling, nicht nach dem Hausmeisterschnitt, so dass es nie wieder blüht oder gar krümelt.
Fast scheint alles normal was ich sehe, tue, rieche. Es ist es aber nicht. Da draußen zu sitzen und zu stricken und sticken lenkt ab, aber es macht nichts unbedingt besser.

neben den Wildrosen sitzen und stricken und sticken

Im Moment fühle ich mich hilflos, weil ich denke, dass einiges quer läuft in der Welt und ich nicht genügend dagegen unternehmen kann. Und ich kann gar nicht genug stricken und sticken, um es mal für einen längeren Zeitpunkt zu vergessen.

  • Vielerorts brennt es, so sehr, dass New Yorck in Dunst gehüllt ist und die Menschen freiwillig die Masken aufsetzen, die man ihnen in Corona-Zeiten gegeben hat. Es gäbe so viel zu tun in Sachen Umwelt, für alle und jedes Land. Stattdessen werden Kriege geführt, quer über die Erde verteilt und auch einer, der uns verdammt nahe kommen kann.
  • Friedensbewegungen werden fleißig in ein krudes Licht gestellt. Manch einer oder eine beschließt, da nun nicht mehr hin zu gehen. Und da, wo das Thema „Frieden“ immer eine große Rolle spielte, treten „Militärs“ oder Beführworter auf, haben eine Bühne. Viel zu wenige stören sich daren, dass alle Ministerien sparen müssen im nächsten Jahr, äußer … ihr ahnt es schon.
  • Rechtspopulismus nimmt zu. Im Umfragehoch ist eine Partei, die sich nicht um soziale Dinge kümmert, die auch nicht mehr Mittel für Bildung will, wohl aber Arbeitslager für Schulschwänzer, Schulabbrecher und Schulstreiker. Man prüft, ob diese Partei verboten werden kann anstatt mal ganz genau hinzuhören, warum die so einen Zulauf bekommen, auch von jenen, die eigentlich nix mit der Partei zu tun haben wollen.
  • Heute striken die DHL-Mitarbeiter am Flughafen Leipzig. Das finde ich richtig so, denn sie bekommen 500 – 700 Euro weniger für gleiche Arbeit als an anderen Standorten. Oh, es gibt viele solcher Ungerechtigkeiten und dazu auch Meinungsunterschiede. Aber darüber redet man nicht gerne und man will auch nun nicht mal endlich anfangen, das zu ändern. Zurück bleibt Unzufriedenheit.
  • Am Montag beginnt das größte Nato-Manöver. Ganz ehrlich, ich das mag das nicht; mal abgesehen von der großen Menge an Kerosin, die in den Himmel düst. Was wird, wenn dieses „Zeigen von Stärke“ als Provokation und Bedrohung aufgefasst wird? Wie wird die Reaktion darauf ausfallen? Und wo rumst es, wenn es rumst? Bin ich darauf vorbereitet? Wohl nicht!
    Ich hatte noch nie solche Existenzängste.

    (Meine Liste hat noch viele solcher Punkte, aber ich lass es dabei bewenden. Ich möchte viel lieber über angenehmere Dinge schreiben, aber diese hier sind da, müssen irgendwie verarbeitet werden und einfach mal raus.)

Um sie habe ich noch mehr Angst als um mich, um die Tiere und Pflanzen. Das kleine Spatzenmädchen ist noch nicht lange aus dem Nest raus. Die Eltern haben den Futterplatz gezeigt und nun muss es sich selbst versorgen. Ich möchte, dass sie das schafft und vielleicht hier bei mir bleibt. Hier ist es allerdings knochentrocken und deshalb fülle ich die Wasserschalen und Futternäpfe.
Es gibt viel zu wenige Insekten und Marienkäfer und Schmetterlinge gar nicht.

stricken und sticken
stricken und sticken – mein Mustertuch

Und nun komme ich wirklich zum Stricken und Sticken.
Damit beschäftige ich mich gerade wieder. Ich habe Armstulpen gestrickt und weil ich sie passend für meine bunte Kleidung will, sticke ich Farbiges darauf. (Oh, ich muss noch grüne Wolle kaufen und spinnen.) Vielleicht behalte ich die Stulpen auch gar nicht für mich selbst.
Diesmal versuche ich mich am Rosenstich oder Webstich. Ich nehme alles mit in den Garten morgen. So gelingt es mir, auf dem Poppes sitzen zu bleiben und nicht Dinge zu tun, die ich eigentlich nicht mehr tun sollte und die mir nicht bekommen.

Ein schönes und friedliches Wochenende wünsche ich uns allen.