Wolle, Garten, Rosen und Zeitgeschehen.

Gerade hatte ich ordentlich viel zu tun und auch so war viel los. Ich hab die vierte Zahn-OP hinter mir und langsam wird alles gut, zumindest in meinem Mund. Wolle, Garten, Rosen, Zeitgeschehen – das war es, was mich zudem in den letzten Tagen umtrieb.

gewaschene Wolle vom Patenschaf

Viel Zeit habe ich im Garten verbracht. Ich habe die Wolle von meinem Patenschaf gewaschen, genauso wie ich es in früheren Jahren immer gemacht habe. Immerhin gab es viel Sonnenschein, dass in den schwarzen Maurerbottichen das Wasser sehr schnell warm wurde.
Das Waschen ist nun vollbracht, deshalb kann ich morgen mit dem Kämmen anfangen.

Der Garten ist und bleibt mein Kraftort. Dort kann ich in aller Ruhe nachdenken, auch über Dinge, die mich sehr beschäftigen und aufregen.
Dieser Tage sind mir sowohl einige Zeilen, als auch ein Gedicht von Kurt Tucholsky untergekommen.

„Ich resigniere. Ich kämpfe weiter, aber ich resigniere. Wir stehen hier fast ganz allein in Deutschland – fast ganz allein. …Pathos tuts nicht und Spott nicht und Tadel nicht und sachliche Kritik nicht. Sie wollen nicht hören.“

Das schrieb Tucholsky 1019 und 1931 schrieb er dies Gedicht:

Rosen auf den Weg gestreut

Ihr müßt sie lieb und nett behandeln,
erschreckt sie nicht – sie sind so zart!
Ihr müßt mit Palmen sie umwandeln,
getreulich ihrer Eigenart!
Pfeift euerm Hunde, wenn er kläfft –:
Küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft!
 
Wenn sie in ihren Sälen hetzen,
sagt: »Ja und Amen – aber gern!
Hier habt ihr mich – schlagt mich in Fetzen!«
Und prügeln sie, so lobt den Herrn.
Denn Prügeln ist doch ihr Geschäft!
Küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft.
 
Und schießen sie –: du lieber Himmel,
schätzt ihr das Leben so hoch ein?
Das ist ein Pazifisten-Fimmel!
Wer möchte nicht gern Opfer sein?
Nennt sie: die süßen Schnuckerchen,
gebt ihnen Bonbons und Zuckerchen …
Und verspürt ihr auch
in euerm Bauch
den Hitler-Dolch, tief, bis zum Heft –:
Küßt die Faschisten, küßt die Faschisten,
küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft –!

Ich habe mich annodunnemals viel mit meinen Eltern über die Zeit in den dreißiger Jahren des vergangenem Jahrhunderts unterhalten. Ich glaubte wirklich, dass so etwas nie wieder passieren kann. Nun frage mich ernsthaft, wieso sich manche Dinge in der Geschichte ständig wiederholen.
Seit meinem Studium war ich der Meinung, dass Faschismus nicht von der Person Hi**** ausging. Wenn ich mir jetzt die Entwicklung an verschiedenen Orten der Erde ansehe, dann weiß ich, dass es so ist.
Muss wirklich alles erst untergehen, bevor Neues, Besseres entstehen kann?
Ist das etwa das Schicksal jeder sogenannten Zivilisation?
Oder gibt es das „Gute im Menschen“ vielleicht gar nicht?
Ich verziehe mich morgen wieder in den Garten, sehe mir meine Rosen an, und vielleicht finde ich Antworten.