Angst

zeichnen gegen die Angst
zeichnen gegen die Angst

Mein Doc meinte letztens, dass es mir besser gehen wird, wenn Frühling ist. Hoffentlich, denn mich belastet gerade so einiges, auf das ich keinen Einfluss zu haben scheine. Ich fühle mich verdammt hilflos.
Meine Freundin rief mich vorhin an und erzählte mir, dass sie nachts wach wird und nicht wieder schlafen kann. Sie hat Angst vor einem Krieg. Das wundert mich nicht. Ich verkneife es mir schon, Nachrichten zu lesen. Wenn ich dann solche Überschriften zig mal am Tage lese wie: „Wird es Krieg geben in Europa?“ und Putin macht das und Putin macht jenes, dann frage ich mich, auf was man einschwören will. Man muss es nur lange genug erzählen, dann werden manche Hintergründe ganz klein, fast unsichtbar.

Die Freundin habe ich beruhigt. Dabei habe ich selber Angst.
Ich möchte in den Nachrichten viel mehr von denen lesen, die sich auf diplomatischem Parkett unermüdlich um Lösungen bemühen. Es gibt sie, aber sie scheinen gerade nicht so im Fokus zu stehen. Ich wünsche ihnen Durchhaltevermögen und viel Mut. Waffenexport und der Einsatz von Waffen bringen viel „Kohle“ und steigern das Bruttosozialprodukt. Pervers eigentlich, oder?

In meinem Ökonomiestudium wurde immer die These vertreten, dass wer miteinander handelt, sich nicht die Köppe einschlägt. Davon scheinen wir ein Stücke weit weg zu sein. Und nein, ich meine keinen Waffenhandel. Abschreckung, Aufrüstung, Waffenexporte und auch -einsatz, man sollte sich fragen, wem das am Ende wiedermal nützt.

Meine Eltern haben mir vom Krieg erzählt. Meine Mutter aus der Sicht einer jungen Mutter, die sich alleine um ihr Kind kümmern musste. Unsere Gegend wurde sehr stark bombardiert. Meine Mutter erzählte vom Hunger, von zerbombten Häusern und dass sie und mein Bruder in Sachen geschlafen haben. Wenn die Sirene erklang, klammerte sich mein damals kleiner Bruder am Bauch meiner Mutter fest, denn auf dem Rücken hatte sie einen Rucksack mit dem Nötigsten. Später, wenn mittwochs die Funktionsprobe der Sirene im Ort oder wenn ein Flugzeug zu hören war, fing meine Mutter an zu zittern.
Mein Vater erzählte davon, wie der Krieg als Soldat ist. Nein, da war nichts Heldenhaftes. Krieg ist eine Zeit, in der alles Menschliche stirbt.
Ist das, was schon mal war, in Vergessenheit geraten?

Und da habe ich nun so ein Bild da oben eingefügt, was so gar nicht zu meinen Gedanken passen zu scheint. Doch, irgendwie passt das schon, denn ich bin immer noch damit beschäftigt mit der Frage, wie ich leben will. Auf einem Hof bestimmt nicht mehr, aber einen malen kann ich mir ja mal. Malen gegen die Angst hat nicht funktioniert, aber darüber nachdenken, was ich an kleinen Zielen haben kann auch und auch darüber, was ich auf keinen Fall haben möchte, konnte ich dann doch:
Nie wieder Krieg! Nie und nirgendwo.

Nachtrag:
Es gibt schönere und angenehmere Themen, aber ich musste mir heute etwas von meiner Angst von der Seele schreiben. Den Mund halten will ich nicht. Das hatte ich vor Jahren meinen Eltern versprochen.

24 Gedanken zu „Angst“

  1. Wir stecken beide in einem Rheumaschub, haben beide Mütter, die vom Krieg und Hunger erzählten, haben beide eine Angst. Ich lächle dir zu, Gudrun.

    Dein Bild gehört dazu: #artsforpeace

  2. Ich kenne viele bedrückende und erschreckende Geschichten vom Krieg und von der Nachkriegszeit hauptsächlich aus den Erzählungen meiner Mutter. Mein Vater hat sich da eher bedeckt gehalten. Unter einem Krieg würden nur wieder – wie immer! – die „kleinen“ Menschen leiden, die Großen haben da schon längst ihre Schäfchen ins Trockene gebracht. Europa lebt seit nunmehr gut 80 Jahren in Frieden – das darf nicht aufs Spiel gesetzt werden! Unsere Außenministerin, die ihren Job richtig gut macht, wie ich finde, hat vor einigen Tagen gesagt: „Wer miteinander redet, der schießt nicht aufeinander.“ Ich hoffe so sehr, dass sie recht behalten und dieser Konflikt, der nur ca. 2.000 km von uns entfernt zu eskalieren droht, mit diplomatischen Mitteln entschärft wird.
    Sei ganz lieb gegrüßt!

    1. Stimmt, der Konflikt ist nicht weit weg von uns und nicht immer kann man davon ausgehen, dass der Kelch an uns vorbei geht.
      Ich kenne Menschen, sowohl im Baltikum, in der Ukraine und auch in Rußland, Menschen, bei denen ich mich immer wohl gefühlt habe und die eine unglaubliche Gastfreundschaft zeigten. Ich würde gerne wieder mit ihnen ein Bier trinken gehen und nicht Feinde in ihnen sehen.
      Liebe Grüße an dich.

  3. Guten Morgen, liebe Gudrun,

    so schön, heimelig und einfach wohltuend, dein Bild von dem Hof ..wie ein geschützter Raum .. hab Dank dafür.

    Deinem Wunsch kann ich mich nur rundweg anschließen, und ich finde es gut, dass du deine Gedanken und Gefühle so rausschreibst ..nein, nicht den Mund halten .. Leider gibt es eben nicht nur die angenehmen Themen. Und gerade das, worauf man keinen Einfluss hat, belastet ganz besonders.

    Auch meine Eltern haben mir viele schlimme Geschichten vom Krieg erzählt. Meinen Vater in der Stadt hatte es schwerer getroffen, als meine Mutter auf dem Land – sie hatte Glück, dass sie den Hof hatten, die Landwirtschaft – und dass die Bombe ein Stück neben dem Haus eingeschlagen war ..der Krater lange Zeit zu sehen .. Mein Vater hat gehungert, wurde dann von der Familie weggeschickt zu Verwandten, wo es aber auch sehr schwierig war ..und beide berichteten sie von den angstvollen Stunden im Luftschutzkeller.

    Das Kriegsleid trifft immer die Bevölkerung, weniger die Machthaber .. Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass der aktuelle Brand gelöscht werden kann, auf diplomatischem Wege.

    Viele liebe Grüße schickt dir
    Ocean

    1. Deinem Wunsch schließe ich mich an, liebe Ocean. Und du hast Recht, immer den Mund halten kann man nicht. Es musste raus, ich musste das schreiben. Und ich wünsche mir wieder eine Friedensbewegung, wie sie es schon einmal gab. Das, was unsere Eltern erlebt haben, sollte niemend wieder erleben müssen.
      Ich schicke dir ganz liebe Grüße.

  4. Mein Mann ist Jahrgang 1944, als Baby wäre er fast verhungert (was auf den zwei Fotos, die es von damals gibt, sehr gut zu sehen ist). Da die Berliner Wohnung ausgebombt war, wurde seine Mutter mit ihm auf einem Bauernhof im Umland untergebracht. Die Bäuerin tauschte die Milchmarken für das Baby (mehr Wasser als Milch) gegen richtige Milch ein und rettete meinem Mann das Leben. Meine Mutter war junge Frau und erzählte schreckliche Dinge von den Bombennächten in Luftschutzkellern und Bunkern, von toten Pferden, die von den hungrigen Menschen auf den Straßen zerlegt wurden. Ich habe sehr viel vom Krieg geträumt und war später in der Friedensbewegung. Schwerter zu Pflugscharen war damals das Motto. Ich hoffe sehr, dass die Diplomatie Erfolge zeigen wird. Angst habe ich nicht wirklich, eher so ein Unbehagen, dass irgendwer irgendwo die Nerven verlieren könnte. Nachrichten höre ich überhaupt nicht mehr. Morgens schaue ich in die App der Tagesschau, das reicht für die nächsten 24 Stunden. Es gibt zu viel, was gerade schiefläuft auf diesem Planten. Da würde ich gerne auch auf so einen Hof flüchten, abseits von allem, und mich einigeln.
    Liebe Grüße,
    Elvira

    1. Liebe Elvira, ich hätte dich gerne schon viel, viel früher kennengelernt. Ich glaube, wir hätten und gut verstanden und wir hätten viel mitnehmen können in das jeweils andere Land. Ich denke nämlich, dass es schon eine Rolle spielt, wenn eine starke Friedensbewegung da ist. Ich wünsche mir sehr, dass wieder eine entsteht, unabhängig von Parteien, Religionen …
      Mit den Nachrichten mache ich es in der Zwischenzeit genau so wie du. Ichmache mich sonst verrückt und merke es wieder in den Knochen.
      Es stimmt, es läuft gerade ganz viel schief auf diesem Planeten. Statt Rüstungsindustrie bräuchten wir eine, die ansatzweise das wieder in Ordnung bringt, was bis jetzt versaut wurde.
      Liebe Grüße zu dir und auch Grüße an deinen Mann.
      PS: Ein alter Schäfer hat mir vor Jahren erzählt, dass er den Schafen und Ziegen immer mal Milch abgenommen hat und sie den Müttern mit Babys und kleinen Kindern gegeben hat.

  5. Liebe Gudrun, diese Angst vor einem Krieg in Europa habe ich natürlich auch, weil ich ahne, wie machtgierig nicht nur manche Politiker sind, sondern vor allem die an einem Krieg verdienende Industrie. Ich kann nur hoffen, dass er den unmittelbar betroffenen Menschen und allen Menschen in Europa erspart wird – der Krieg in der außereuropäischen Welt ist ja schon schlimm genug.
    Ich bin ja genau 3 Monate nach Kriegsende geboren und möchte mein Leben auch kriegsfrei zu Ende bringen. – Von meinem Vater konnte ich keine Kriegserlebnisse erzählt bekommen und meine Mutter hat zum Glück außer Hunger wohl nichts richtig Schlimmes erlebt wie Bombennächte, Vergewaltigung und Schlimmeres. Sie wurde ja mit vielen anderen vor meiner Geburt nach Bayern aufs Dorf evakuiert, wo sie zwar nichts verstand, ich aber wenigstens 8 Monate satt wurde. Dann musste sie in das hungernde Görlitz zurück, weil mein Vater tödlich verunglückt war.
    Zu beneiden ist diese Generation auf keinen Fall – uns geht es ja im großen und ganzen recht gut und ich möchte, dass das für viel mehr Menschen auf der Welt zutrifft.
    Liebe Grüße zu dir von Clara

    1. In einem Krieg würde es keine Sieger geben. Das ist aber denen egal, die sich in ihren Jet setzen und alles irgendwo anders aussitzen, während ihr Konto anschwillt.
      Meine Eltern haben über die Zeit erzählt und ich musste ihnen beiden versprechen, dass ich mich dafür einsetze, dass so etwas nie wieder passiert. Ich bin bloß gerade ein bisschen hilflos, was ich wie machen kann. Und auch deshalb habe ich etwas dazu geschrieben.
      Als Kind wurde ich dazu erzogen, dass ich nie jemand etwas wegnehmen soll. Das fängt im ganz Kleinen an bei der Sandschaufel im Sandkaste. Im Krieg gelten solche Regeln nicht mehr. Meine Mutter hat sich ewig geschämt, dass sie auf einen Bauernhof Eier und ein Stück Speck geklaut hat, damit zu Hause ihr Kind nicht verhiungert. Mein Vater erzählte ganz schlimme Geschichten aus dem anderen Land, wo er nichts zu suchen gehabt hätte, nicht mit einer Waffe in der Hand. Das darf nie wieder passieren.
      Liebe Grüße

  6. Noch was, was nicht unmittelbar zum Thema passt. Gestern habe ich eine Dokumentation gesehen, die mir die Haare zu Berge stehen ließ. Es ging um die Zustände in Heimen, in die unterernährte Kinder zur Kur geschickt wurden. Nicht Missbrauch stand an erster Stelle, sondern die durchgehend übliche Misshandlung der Kinder – Zustände, die sich bei den Betroffenen noch nach 60 oder mehr Jahren auswirken.
    Der Mensch kann nicht nur in Kriegen so furchtbar sein. Was mag diese „Tanten“ damals bewogen haben, so grausam zu unschuldigen Kindern zu sein??? Ist dieses „Machtgen“ im Menschen so verwurzelt, dass er es ausleben muss, sobald er eine Gelegenheit dazu hat?

    1. Weißt du Clara, ich hatte kein inniges verhältnis zu meiner Mutter. Sie wollte mich nicht und das hat sie mir gesagt und auch spüren lassen. Ich habe ihr das längst nachgesehen, denn die Kriegsgeneration war immer mit ihren Erlebnissen behaftet. Ich glaube, solche Erlebnisse wird man nie wieder los. Sie machen hart und ungerecht und manchmal auch einen Prellbock, an dem man alles auslässt. Leider ist das so und ich wünsche mir, dass das aufhört. Überall.

  7. Gerade habe ich bei NTV die Überschrift gefunden: „Deutsche Unternehmen bereiten sich auf Einmarsch vor“. Zwischenüberschrift: „So viele Zulieferungen für Rüstungsindustrie wie noch nie“. Wer jetzt noch Erklärungen braucht?

      1. Ich auch nicht. Das ist nicht mein Stamminformationsmedium. Aber der Ton ist schon schlimm, auch bei diversen Printmedien. Es wird gelesen und heizt an. Das finde ich nicht gut, liebe M.

  8. Meine Mutter hat mir davon erzählt, wie es war, wenn es Fliegeralarm gab, wenn man nachts in den Keller flüchten musste, oder wenn die Straßenbahn anhielt und man sofort einen Luftschutzbunker aufsuchen sollte, man aber doch lieber versuchte nach Hause zu kommen. Sie erzählte mir auch, dass ihre liebste Freundin durch eine Bombe, die auf ihr Haus gefallen ist, starb.
    Mein Paps erzählte mir, wie es zuletzt (er war da noch ganz ganz jung) an der Front war, wie er bei Engländern in Gefangenschaft war, wie er später Glück hatte zu den Amerikanern zu kommen statt zu den Russen, und wie er später dort mit Hilfe entkommen konnte. Er war ein Überlebenskünstler, mutig und voller Lebenskraft.
    Nein, einen Krieg will ich nicht erleben. Ich finde es schlimm, dass es „weiter weg“ immer noch Kriege gibt. Sie verursachen nur vie Leid.
    Auch ich bin besorgt, liebe Gudrun, und schiebe es so gut es geht beiseite, denn was soll ich schon ausrichten? Ich wünsche mir sehr, dass überall Frieden herrscht.

    Ganz liebe Grüße,
    Martina ❤️

  9. Stimmt, es sollte nicht all unsere Gedanken bestimmen und uns hemmen in dem, was wir uns vorgenommen haben. Angst ist da, aber sie bestimmt uns nicht. Ich wünsche mir überall Frieden. Was könnte gelestet werden mit dem Geld für Rüstung? Und Probleme gibt es ja noch genug.
    Unsere Väter hatten da wohl ähnliche Erlebnisse. Es ist gut, wenn das nicht vergessen wird.
    Liebe Martina, ich schick dir ganz liebe Grüße.

  10. „Ich musste mir die Angst von der Seele schreiben“
    Exakt das war auch meine Motivation, darüber heute ein paar Sätze zu verlieren.
    Wenn auch mit etwas anderem Ansatz als Du.

    Und ich entnehme Deinem Nachsatz, dass Du auch einige Zeit gezögert hast, bevor Du darüber schreibst…..

    1. Zu schnell aufs Knöpfchen gedrückt, und den wichtigen Nachsatz vergessen:

      Danke, dass Du darüber schreibst, denn das zeigt mir, dass ich damit nicht alleine bin…

      1. Nein, du bist damit nicht alleine, lieber Wilhelm.
        Ich hätte mir gerne ein schöneres Thema gesucht, nachdem ich gerade wieder am Schreibtisch sitzen kann. Zu gerne hätte ich wieder eine starke Friedensbewegung. Auf alle Fälle mag ich die Berichterstattung um das Thema Ukraine gar nicht. Sie ist anheizend und recht einseitig. Wenn man lange genug so redet, bleibt einiges hängen. Das habe ich gerade in der Familie gemerkt.
        Ich grüße dich.

    2. Ja, ich habe gezögert, hielt es aber dann doch für nötig.
      Andere Ansätze habe ich bestimmt. Ich habe Freunde im Baltikum und auch in Russland. Wir waren alle Lehrer, haben geredet, gefeiert, die Landschaften angesehen. Russland z.B. ist nicht Putin, und umgekehrt. Ich aber wurde schon als Putinversteher beschimpft. Ich mag ihn nicht, aber ab und zu sollte man sich mal in die Rolle der anderen versetzen.
      Die ganze Diskussion ist inzwischen in unserer Familie angekommen. Das ist nicht einfach, ich werde aber trotzdem nicht schweigen. Ein Weilchen aber habe ich darüber nachgedacht.

    1. Ich kenne das Lied, liebe Karin, und es fiel mir jetzt auch wieder ein. Das ist von 1961, verdammt alt und leider immer och so aktuell. Manchmal glaube ich, dass die Meinungen fest stehen und sie sagen können, was sie wollen: Es verhallt. Ich finde das traurig.
      Liebe Grüße an dich.

Kommentare sind geschlossen.