Eine Hommage an meinen Deutschlehrer.

Lothar Flämig hieß er und er war mein Deutschlehrer und Klassenleiter an der EOS. Er bereitete uns auf das Abi vor. Oh ja, er hat uns eine Menge abverlangt, uns aber auch viel gegeben an Lebensphilosophie und Wissen. Nie hat er uns einfach vollgetextet und wir sollten das dann alles irgendwie Wissen. Er hat alles mit uns erarbeitet. Und dann saß das auch.

Manchmal probten wir aber auch den Aufstand. Ich auch. In Aufsätzen konnte ich machen, was ich wollte, er fand immer ein Haar in der Suppe. So sehr ich mich auch mühte, zu einem „Sehr gut“ reichte es nie.
In einem Aufsatz muss mich der Teufel geritten haben, denn ich verwendete den Ausdruck „als wie“. Stehenden Fußes bekam ich einen Rüffel, mit dem Rotstift auf den Rand geschrieben. Bei der Aufsatz-Rückgabe regte ich mich auf. Schließlich hatte Goethe den Ausdruck im „Faust“ auch verwendet:

Mein Deutschlehrer ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, meinte nur lapidar:
„Das kannst du machen, wenn du mal mit Goethe auf einer Stufe stehst.“
Peng! Das hatte gesessen und ich habe den Ausdruck nie wieder verwendet.

Dann kam der Abi-Aufsatz. Einige Tage später fingen die anderen an zu nerven und zu fragen, ob er schon korrigiert hätte. Ich fragte lieber nicht, aber auch die anderen bekamen keine Antwort. Im Internat lief mir mein Lehrer über den Weg und sagte zu mir: „Jetzt hast du es geschafft.“
Wäääää! Ich hatte den Abi-Aufsatz versemmelt! In der Nacht schlief ich schlecht.

Zur Auswertung wollte ich gar nicht hin, musste aber. Mit der schlechtesten Note fing er die Auswertung an. Meinen Aufsatz zum Ansehen (die Abi-Aufsätze wurden archiviert) bekam ich als Letzte. „Sagte ich ja schon – jetzt hast du es geschafft.“
Zum ersten und zum letzten Mal hatte ich einen sehr guten Aufsatz geliefert. Endlich!

den Grundstein für freiwillige Lektüre legte einst mein Deutschlehrer.


Und jetzt?
Jetzt lese ich solche Bücher (eines hab ich von meiner Tochter bekommen; das andere hab ich mir im Antiquariat besorgt.), war zum Seniorenstudium an der Uni am Germanistischen Institut, lese Korrektur und möchte, dass unsere Sprache mit all seinen Facetten erhalten bleibt. Sie ist nämlich schön und wunderbar ausdrucksstark.

Mein Deutschlehrer lebt nicht mehr. Ich hatte vergessen, ihm zu sagen, dass ich ihm dankbar bin für das, was er mir und den anderen gegeben hat. Das tut mir leid, aber ich mache es jetzt noch nachträglich auf diese Weise.
Ich danke Ihnen, Herr Flämig.

16 Gedanken zu „Eine Hommage an meinen Deutschlehrer.“

  1. Wie schön, diese Hommage an deinen Deutschlehrer.
    Auch ich hatte einen (er lebt schon lange nicht mehr), der eine solche Würdigung verdient hätte. Er hat mir die Liebe zur deutschen Sprache, die eh schon da war, gestärkt und vertieft. Und er war es auch, der uns mit der klassischen Dichtkunst (samt Metrik, Rhythmus und Interpretation) vertraut machte und auch die neue Lyrik nicht aussparte.
    Ich bin ihm wirklich zu sehr viel Dank verpflichtet. :–)
    In diesem Sinne liebe Grüsse zu dir,
    Brigitte

    1. Ich glaube, da hatten wir beide großes Glück, einen solchen Lehrer zu haben. Ja, ich liebe unsere Sprache sehr und das das so ist, habe ich meinem Lehrer zu verdanken, und meinem Vater, der mir Bücher schenkte. Ich denke, dass ich einiges davon an meine Kinder weitergeben konnte.
      Liebe Brigitte, herzliche Grüße an dich.

  2. Ich habe nun einige Zeit nachgedacht und mir fiel kein einziger meiner Lehrer oder Lehrerinnen ein, die eine Hommage verdient hätten. Aber ich finde es schön, dass du solch einen Lehrer hattest. Alles Liebe

    1. Erst viel später wurde mir klar, was ich für ein Glück hatte. Meine Klassenlehrerin in der achten Klasse empfahl meinen Eltern, mich auf die Internatsschule in der Nähe von Altenburg zu schicken. Es war eine schöne Zeit dort. Wir lebten wirklich in einer guten Gemeinschaft und hatten Lehrer, wie man sie sich wünscht. Mein Deutschlehrer war der beste.
      Liebe Grüße zu dir.

  3. Unsere deutsche Sprache ist eine wunderbare Sprache. Sehr facettenreich und ausdrucksstark, auch deswegen weil wir Wörter aneinanderreihen können.

    Ein Lehrer fällt mir auch nicht – schon deswegen nicht, weil ich schon immer aufmüpfig war und nie eine gehorsame liebe Schülerin. So war ich nicht beliebt…

    1. Eine bequeme Schülerin war ich auch nicht. Das war auch gar nicht gewünscht an dieser Schule, denn wir sollten und ausprobieren und auseinandersetzen mit uns und der Welt. Schade, dass es die Schule in ihrer Art nicht mehr gibt.
      Wenn ich heute noch einmal eine Studienrichtung wählen sollte, dann wäre es Germanistik. Das gab es an meiner Uni auch, aber ich kam erst viel, viel später drauf. Meine jüngste Tochter hat das dann studiert und ich bin einfach mitgegangen zu manchen Vorlesungen oder in die Bibliothek.
      Liebe Grüße zu dir.

  4. Ein Lehrer deckte alle Fächer und vier Klassen gleichzeitig ab – so war es bei uns im Dorf.
    Sehr streng und es gab eigentlich keine 1, nur ein Mitschüler hatte das Glück einmal mit dem Nachsatz: wer so gut ist wie ich hat es verdient.
    Beneidenswert sind deine guten Erfahrungen.
    Zu meiner Zeit gab es für Lehrer noch Fettpakete aus dem Elternhaus, mein Vater was strikt dagegen.
    Später als Mutter ergab sich manch ein Kampf mit Noten und Lehrern, verehrt hab ich den guten, gerechten Rektor und hab die Gelegenheit auch genutzt es ihm zu sagen.
    Ein guter Pädagoge!
    Lieben Gruß!

    1. Erzählungen, wie es an der Dorfschule zuging anno dunnemals, kannte ich von meiner Mutter. Mein Vater in der nahegelegenen Kleinstadt hatte schon ein ganz anderes Umfeld. Und ich hatte das Glück, als Arbeiterkind eine hervorragende Bildung zu bekommen. Mir tut das unheimlich leid, dass Bildung oft jetzt so verkommt. Ich hätte das gerne wieder anders. Und auch, dass die Lehrer wieder mehr Achtung erfahren.
      Liebe Kelly, herzliche Grüße zu dir. Du bist bestimmt schon wieder unterwegs am Deich. Ich würde gerne mitkommen.

  5. Hallo Gudrun, bei mir war es genau umgekehrt. Ich hatte von der 9. bis zur 12. eine Perle von Deutschlehrerin. Und seit Kindesbeinen an hatte ich in Deutsch immer eine Eins. Aber auf der EOS wurde es ja nach dem 13. August 61 doch sehr politisch. – Bei meinem Aufsatz hat der Zweitkorrektor „nur“ eine zwei gegeben und ich musste in die mündliche Prüfung. Und dort habe ich mich bei dem Thema von Thomas Mann politisch um Kopf und Kragen geredet und habe auf dem Zeugnis nur eine Zwei bekommen – die ich aber auch überlebt habe.
    Lieben Gruß

    1. Eine Eins hatte ich auch, liebe Clara, nur in den Aufsätzen nicht. Da musste ich mich arg mühen, d.h. mein Deutschlehrer hat mich sehr gefordert. Heute weiß ich, dass es gut war.
      Ich hatte wahrscheinlich sehr viel Glück mit der Schule. Es wurde ordentlich Wissen vermittelt und ansonsten wurde uns beigebracht, nichts einfach hin zu nehmen, sondern selber zu denken und zu entscheiden. Wir hatten gute Lehrer. Nur mein Deutschlehrer, der war noch eine Wucht für sich.
      Liebe Grüße

  6. Es ist faszinierend, dass wir offensichtlich zeitgleich an unsere Deutschlehrer gedacht haben. Mir ging meine Deutschlehrerin in diesen Tagen wieder durch den Kopf. Ich freue mich, dass es Lehrer*innen gibt, die eine Hommage verdienen.
    Meine Professorin hat mir ebenfalls die Liebe zur deutschen Sprache in mein Gemüt gepflanzt, hin und wieder danke ich ihr in meinen Erinnerungen. Wenn ich sie heute sehe, sitzt eine alte Dame im Rollstuhl, schwer geprägt von ihrer Erkrankung. Das tut mir jedes Mal sehr leid.
    Einen schönen Tag für Dich, liebe Grüße, Chris

    1. Liebe Chris, ich habe es leider verpasst, meinem Deutschlehrer später nochmal zu danken. Die Schule war einige Jahre später aufgelöst wurden und wir hatten uns alle aus den Augen verloren. Schade, denn es war die einzige Internatsschule in der Gegend und das Leben und Lernen in Gemeinschaft war gut.
      Es ist gut, dass wir solche Lehrer hatten und ich kenne auch welche, die sich sehr engagieren. Hoffentlich werden sie nicht verheizt oder vergrault.
      Ich grüße dich herzlich.

  7. Ach, wie schön sind deine Erinnerungen, liebe Gudrun. Und ich muss dir recht geben, ich mag die deutsche Sprache auch. Und wie du hatte ich auch einen Ausnahme-Deutschlehrer. Er hatte mit der Hand für jeden Schüler (ca. 30 an der Zahl) einen Ordner angelegt, mit Regeln und Beispielen, ganz übersichtlich mit schöner Schrift und farbigen Hervorhebungen. Das muss man sich mal vorstellen, soviel Arbeit und Sorgfalt steckte hinter dieser Arbeit. Er hieß Herr Scharf und ich konnte ihn auch nie vergessen. Er war damals schon ein älterer Herr. Ich weiß leider nicht, was aus ihm geworden ist. Jedenfalls prägte auch er mit Sicherheit so manches Leben von ehemaligen Schülern, die unserer Sprache auch zugetan waren.

    Ganz liebe Grüße zu dir,
    Andrea

    1. Es ist gut, dass wir so gute Erinnerungen haben an unsere Deutschlehrer, liebe Andrea. Es ist schon erstaunlich, wie sie uns geprägt haben. Ich bin sehr dankbar dafür.
      Wir haben wirklich eine sehr schöne Sprache und ich möchte, dass sie erhalten bleibt. Ja, es ist zu Beginn immer mühselig, sich mit den Regeln zu beschäftigen, aber dann merkt man, was man für eine feine Möglichkeit hat, sich auszudrücken.
      So einen Hefter anzulegen für jeden Schüler ist wirklich eine Glanzleistung. Dein Lehrer hat es ja auch geschafft, das Interesse seiner Schüler zu wecken. Bei dir war es jedenfalls so. Das merkt man.
      Ganz liebe Grüße an dich und vergiss nicht, ein Streicheln an die Lilli weiter zu geben.

      1. Danke, liebe Gudrun, den Streichler gebe ich gern weiter an die kleine Wilde!

        Ja, dieser Ordner war am Ende der Schulzeit richtig dick gefüllt. Er hat uns wirklich fast zu jeder Unterrichtsstunde wieder Futter dafür gegeben. Es ist so so schade, dass es ihn nicht mehr gibt. Ich hätte den Ordner gern behalten, aber meine Eltern wohnten damals so beengt, dass meine Mutter nichts aufgehoben hat. Auch keine Zeichnungen und Erinnerungen an meine Kindergartentzeit, die auch kleine Ordner angelegt hatten.
        Später hat es meine Mutter bereut, leider zu spät. Mich macht es immer noch ein wenig traurig.

        1. Als ich meine Lehrunterlagen weggeworfen habe mit vielen selbst erstellten Folienb zu Satzspiegel, Schriftarten, Gestaltungsregeln, hat mir das Herz geblutet. Was soll ich aber jetzt noch damit? Trotzdem tut ess auch immer weh, denn das war mal mein Leben.

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