Den Zeichenstift hatte ich seit dem Kindergarten nicht mehr in der Hand.

Wie oft hab ich das schon gehört und immer für schade empfunden.

„Zeichnen kann ich nicht.“ „Einen Zeichenstift oder Pinsel hatte ich seit dem Kindergarten nicht mehr in der Hand.“ „Warum soll ich jetzt mit so was anfangen?“

Manchmal müssen Klimaanlage und Rechner gewartet werden. Und so musste ich mit den Mediengestaltern einst in einen Raum ohne Rechner umziehen. Oh, das gab zu Beginn großes Geschimpfe und eben genau die oben stehenden Sätze.
Und dann? Am Ende der Woche war es eine gute Woche geworden. Und gezeichnet haben sie alle, für’s Storyboard, als Skizzen für anstehende Illustrationen, um Blitzideen fest zu halten.

Wenn Kinder zum Zeichenstift greifen
So „aufgeklappt“ zeichnen Kinder einen Stadtplan, ihre Straße zum Beispiel. Schlecht ist das nicht, oder? Ich hab es mal aufgezeichnet.

Wenn Kinder zeichnen, gehen sie unbefangen an die Aufgabe heran. Ich war bei meinen immer ein Kopfmensch mit Rock, langen dürren Beinen, Riesenfüßen und Riesenhänden. Auf dem Kopf hatte ich wohl Haare, aber als Kringel. Die zeichneten sich besser als meine Stocklocken.
Dass Haare auf den Kopf gehören, hatte ihnen bestimmt ihre linke Hirnhälfte eingeflüstert. Und die rechte hat gezetert: „Das kann ich so nicht malen.“ Und die Linke wieder: „Ist doch Wurscht. Komm, mache die Haare jetzt!“
Heute habe ich aber den dringenden Verdacht, dass man Kindern das Kritzeln, das Malen nach dem Kindergarten abgewöhnt.

Die beiden Hirnhälften zanken sich oft, vor allem, wenn eine meint, etwas besser zu können. Sie arbeiten aber auch hervorragend zusammen, wenn man das trainiert und von ihnen verlangt.
Was eine Tasse ist, wissen beide. Und während die eine an eine eher technische Zeichnung denkt, darf die Tasse bei der anderen auch mal quietschebunt, krumm und mit verbogenem Henkel sein. Gebrauchen kann man beides, je nach Aufgabenstellung. Wunderbar ist es, wenn die beden Zankhähne sich ergänzen.

Und der Zeichenstift? Er hilft ihnen dabei.
Was bei Künstlern angeboren ist oder erworben, das weiß man noch nicht ganz genau. Üben kann man es und es hat sich gezeigt, dass Menschen, die ein Instrument spielen oder Zeichnen auch wunderbar mit abstrakter Logik zurechtkommen. (Meine jüngste Tochter zum Beispiel findet immer gute Worte und kann auch mit knochentrockener Grammatik von Berufs wegen umgehen).

Meine jüngste Tochter zeichnet wieder. Und ich finde es großartig, mit welcher Ausdauer sie das angeht. Schon alleine, dass es entspannt, Stress abbaut, ist guter Lohn für alle Mühe. Ich finde, es kann sich aber auch sehen lassen, was sie mit ihrem Zeichenstift entstehen lässt.

Die Zeichnungen meiner Tochter. Danke, dass ich sie zeigen durfte.

Übrigens, deshalb schenken wir uns öfter gerne was. Wir kennen uns gut, wissen, was dem anderen gut tut. Den Kommerz-Zeigefinger möchte ich jetzt nicht sehen. Es hat bei uns einfach was mit Achtung und Verstehen zu tun.

Lasst es euch gut gehen und kritzelt oder pinselt ruhig mal wieder.

14 Gedanken zu „Den Zeichenstift hatte ich seit dem Kindergarten nicht mehr in der Hand.“

  1. Kinderbilder können auch das Erwachsenenhirn manchmal positiv anregen (so wie der Stadtplan). Perspektivenwechsel. „Naive Kunst“ weiß das manchmal zu nutzen.

    1. Dir, lieber Stefan, muss ich da wahrscheinlich nichts erzählen, weil du von bestimmt viel dazu zu sagen hast. Viel eher würde ich dir gerne Löcher in den Bauch fragen, wie du zu deinen Musikstücken kommst, von der Idee bis über alle Veränderungen zum Fertigen.
      Danke, dass du da warst und danke für dennen Beitrag.
      Liebe Grüße

  2. Ich wünsche mir die Unbefangenheit der Kinder/Kindheit zurück! Einmal ganz unbeschwert einfach drauflosmalen! Ohne dass gleich die Kritikergedanken einen von allen Seiten anspringen. Gell?
    Dasselbe gilt für das Schreiben. Es macht soviel Spaß einfach drauflos zu schreiben. Und als nächstes kommt dann gleich….. Setze ich die Grammatik richtig ein? Wo kommt das Komma hin? Ab da wird es dann zur Arbeit und manchmal furchtbar anstrengend.
    Wie schön diese Unbeschwertheit und das Leuchten in Kinderaugen.

    1. Wir sollten sie uns einfach nehmen, diese Unbeschwertheit. Leistungsdruck weg und los geht es, probieren, anderen (Freunden) zeigen, daran arbeiten. Liebe Mia, ich würde zu gerne wissen, wie es dem kleinen Drachen geht. Ich vergesse das nie, als du mir in der Gastwohnung vorgelesen hast. Weißt du noch?
      Ich schicke dir liebe Grüße.

  3. Ich bin mir sicher, dass es sehr viel mehr Künstler gäbe, würden nicht manche Erwachsene die Zeichnungen von Kindern überkritisch bewerten. Schon ein „Was soll denn das sein?“ im entsprechenden Tonfall, kann einem Kind die Lust am Kritzeln nehmen. Ich kenne übrigens kein einziges Kind, das nicht voller Begeisterung malt. Meine Enkel wissen ganz genau, wo bei mir Papier und Stifte zu finden sind. Mittlerweile entdecken sie aber auch die schier unbegrenzten Möglichkeiten der digitalen Malerei.
    Liebe Grüße,
    Elvira

    1. Ich muss mich gerade an ein Bild von mir erinnern, dass ich in der Grundschule gemalt habe… einen Schornsteinfeger. Der war natürlich schwarz. Der Kommentar der Lehrerin: Warum so dunkel?

      1. Oh, an solchen Stellen hatte mein Jan immer feine Antworten drauf. Und manchmal beschwerten sich die Lehrer bei mir. Und ich musste kämpfen, dass ich nicht schallend loslache. Aber eigentlich ist diese Gängelei überhaupt nicht gut. Kreativität braucht auch einer, der an einem neuen Getriebe arbeitet oder ein Physiker, der an besserer Ausnutzung aller Energie forscht.

    2. Wie Recht du hast, liebe Elvira.
      Mir hat es unglaublich weh getan, als ein kleiner Junge bei uns zu Gast war und meinte: „Nein, ich mache das nicht. Ich bin völlig talentfrei und unkreativ und ideenlos.“Diese Worte hat er sich ganz bestimmt nicht einfallen lassen, sie wurden ihm so gesagt. Ich konnte nichts bewegen in der kurzen Zeit.
      Solche Sachen wieder herauszubekommen, ist schwer und manchmal unmöglich.
      Mit der Digitalen Malerei beschäftige ich mich ja auch, einmal weil der Rechner eh da ist und ich nicht noch Leinwand, Farben und so kaufen muss und zweitens weil ich Grafiksoftware unterrichtet habe. Ich wollte nicht einfach erzählen: „Das ist das Werkzeug und das ist jenes.“ Wir haben alle ausprobiert mit kleinen und dann auch größeren Übungen. Manchmal möchte ich zu gerne wissen, ob sich meine Schüler noch an mich erinnern.

  4. Leider sehe ich bereits in vielen Kitas, dass die meisten Kinder keinen Stift mehr in die Hand nehmen wollen. So früh wird bereits bewertet was gut und schlecht gemalt ist. Das nimmt den Mut und die Freude am gestalten. Dazu gibt es ein schönes Bilderbuch mit dem Titel: Der Punkt, Kunst kann jeder von Peter H. Renolds
    Da geht es um ein Mädchen „das nicht malen kann“. Als die Lehrerin sie gegen Ende der Stunde auffordert doch mit dem Malen zu beginnen, haut sie wütend mit ihrem Stift einen Punkt aufs Papier. Die Lehrerin nimmts gelassen und fordert sie auf ihren Namen darunter zu schreiben. In den nächsten Stunde findet das Mädchen seinen Punkt gerahmt an den Wand hängend. Da erwacht die Freude an der Kunst in ihr und sie malt hochmotiviert viele neue Punkte.

    1. Es gibt Kreativitätstechniken, nach denen man alle Ideen erfasst, wertungsfrei. Alle Ideen, auch die, die völlig umumsetzbar sich. Diese Wertungsfreiheit müssen Erwachsene erst wieder lernen, weil genau das passiert ist, worüber du schreibst, liebe Isa.
      Die Geschichte mit dem Punkt finde ich toll. Schade, dass ich sie nicht eher wusste. Ich hätte gerne den Mediengestaltern davon erzählt. In meine Sammlung kommt die Geschichte wieder. Danke.
      Herzliche Grüße an dich, liebe Isa.

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