Leben in einem fremden Land

Es gibt Länder, in denen würde ich nicht leben wollen. Ich habe auch nicht die Absicht, auswandern zu wollen. Wenn es aber angebracht oder nötig wäre, dann käme ich hier zurecht. In diesem Land könnte ich leben. Mir wurde schon gesagt, dass Kalifornien nicht die USA seien. Gemeint ist, dass das, was ich hier erlebe, nicht für andere Bundesstaaten zutrifft. Das weiß ich.

Was Gleichstellung, Frauenrechte, Rechte von Minderheiten u.ä. anbelangt, gefällt mir vieles, was von der Gesetzgebung in Kalifornien festgelegt ist. Bis das durch die Köpfe durch ist, dauert es ja bekanntlich immer ein bisschen. Das ist bei uns ja nicht anders.

Begeistert bin ich von der Freundlichkeit hier im Land. Man wird auch im Supermarkt begrüßt und wenn man geht, wünscht man sich einen schönen Tag. Die „ewig alles Anzweifelnden“ würden jetzt wieder etwas von Oberflächlichkeit faseln. Man kann es nennen wie man will, ich bin mit einem Lächeln gekommen und mit einem wieder gegangen. Und das hat mir unglaublich gut getan.

Wir haben eine Schiffstour durch den Hafen und an der Küste entlang gemacht. Als wir an der Anlegestelle ankamen, stand da schon eine lange Schlange. Jemand von der Crew kam und begleitete mich im Rolli als erste in das Schiff. Genauso wurde mir wieder beim Aussteigen geholfen, lieb und aufmerksam. Die Rücksichtnahme auf Behinderte spüre ich ständig, bei den Menschen, auf der Straße im Verkehr, im Supermarkt, immer.

Wenn man hier eine Idee hat und in seiner Garage ein start up gründet (scherzhaft habe ich ja mal gesagt, dass ich eine Marmeladenbude aufmache), ist das viel einfacher als bei uns. Es gibt halb so viele Vorschriften und Verordnungen, wahrscheinlich, weil es gut ist, wenn man etwas für sich selber tut und nicht nur auf Hilfe angewiesen ist. Vom Tellerwäscher zum Millionär wird wahrscheinlich eine Legende bleiben, aber am Machen hindert einen niemand. Da gibt es viel Freiheit.

Das Leben in Los Angeles ist teuer, die Wohnkosten ganz besonders. Ich würde meine Rente hier bekommen und weil die jämmerlich ist, zahlt der Staat Kalifornien dazu. Auch eine staatliche Krankenversicherung würde ich bekommen und einige Unterstützung wegen meiner Behinderung. Bleiben darf ich, weil meine Tochter hier lebt und arbeitet, US-Bürger ist.

Manches ist allerdings überall gleich: die Bürokratie. Sich da durch zu wursteln ist nicht ganz einfach. Ich hätte da noch Glück, weil meine Tochter damit beruflich ständig zu tun hat und sich auskennt.

Einkaufen gehen wir hier inzwischen auch alleine. Ich war beim Frisör. Beim Arzt war ich nicht und das sollte auch so bleiben. Angst davor hätte ich allerdings nicht. Wenn man muss, dann geht so vieles. Hemmungen fallen alsbald weg.

Heute habe ich einen Zitronenkuchen gebacken. Die Maßeinheiten umrechnen geht inzwischen gut, die Temperatur am Backofen von Celsius in Fahrenheit auch. Die Vokabeln für die Backzutaten sind nun auch im Kopf. Alles bestens, würde ich mal sagen.

Vokabeln lernen, Maßeinheiten umrechnen und einen Kuchen backen im Fremden Land

Fazit:
Ja, ich könnte hier leben. Und ja, ich freue mich aber auch wieder nach Hause zu können.
Die Fragestellung, ob ich in einem anderen Land leben könnte, ist für mich als Ostdeutsche besonders interessant und auch ein bisschen neu. Ich habe mich das bisher noch nie gefragt.

Der Grapefruitbaum hängt die Ohren: Regen und ungewöhnlich starke Kälte im fremden Land
der Grapefruit-Baum hängt heute etwas die Ohren

Es hat übrigens heute gegraupelt. Kalt ist es noch mal geworden. Es ist eben Winter in Kalifornien und der ist in diesem Jahr ungewöhnlich kalt. Die Wüste ist halt auch gleich nebenan.
Mein tägliches Sonnenbad habe ich aber bekommen. Alles ist gut.

18 Gedanken zu „Leben in einem fremden Land“

  1. So viel Wahres in Deinen Zeilen, Gudrun. Da mittlerweile fast die Hälfte von uns in irgendeiner Form ausgewandert ist, ist die Frage, wie es sich zu Hause zurückgeblieben lebt. Und wie immer, wenn man erstmal vom Kuchen gekostet hat, dann kann man meistens nicht aufhören, davon zu essen. Für mich war es keine Frage, die erst lange beantwortet werden musste. Als ich die Chance bekam, war ich weg.

    Bleib noch ein wenig dort, in Europa wird es auch nochmal kalt. Der Wind hat sich gedreht und kommt von Norden und Osten und bringt minus Grade und Schnee

    1. Hier ist es auch gerade ungemütlich. Es ist kalt, wie lange nicht mehr, und es schüttet wie aus Kannen. Die Küste ist gesperrt, einige Gebiete im County auch. Gestern hat es gehagelt, ein Stücke hin zu den Bergen schneit es. Wir haben eine Warnung bekommen auf die Mobilgeräte, dass wir nach Möglichkeit zu Hause bleiben sollen.
      Den LA River hinter dem Haus hatte ich vor zwei Tagen als Rinnsal bezeichnet. Heute hat er ordentlich Wasser und das hat gutes Tempo drauf.
      Ansonsten ist es so: Ich weiß jetzt, was ich zu tun und zu lassen habe, wenn ich wieder zu Hause bin. Manchmal muss man erst weggehen, um wieder kommen zu können.
      Liebe Grüße an dich.

      1. Ich habe es gehört und gelesen, dass South LA Schnee wie seit 31 Jahren nicht mehr hat. Auf der anderen Seite fließt der schöne Regen statt aufgefangen zu werden „billions of liter“ in den Ozean. Mehr Menschen, die Wasser brauchen, aber keine Infrastruktur haben, um das Wasser aufzufangen, da kann man nur sagen, menschliches Versagen.
        Überhaupt ist die Nordhälfte in diesem Winter sehr kalt. Uns bewahrte bisher nur der starke Golfstrom und Jetstream davor, sonst wären wir in der Linie South California, Afghanistan, China, Korea, you know. Die alle hatten sehr starken Frost diesen Winter. Nord Sibirien hatte minus 62 Grad was selbst bei denen Rekord war.
        Re: Ich weiß jetzt, was ich zu tun und zu lassen habe, wenn ich wieder zu Hause bin. Manchmal muss man erst weggehen, um wieder kommen zu können.
        Sounds good.

        1. Das sehe ich auch so mit dem menschlichen Versage. Vor Klimaveränderungen wird schon seit den Siebzigern des vergangenen JH gewarnt, aber es wurde weitergemacht als wären alle Ressourcen unerschöpflich. Jetzt erarbeitet man hier Projekte, das viele Wasser aufzufangen, abet es wird wohl Jahre dauern, bis das greift.
          Wenn ich hier wohnen würde, hätte ich eine Zisterne im Garten, zumindest so groß, dass es zum Gießen reicht. Ich weiß nur nicht, was passiert, wenn der Planet im Sommer ballert. Aber das wäre ja herauszubekommen. Nun bin ich schon am Überlegen, was ich zu Hause noch ändern kann. Ein bisschen hilflos fühle ich mich aber schon, weil es offensichtlich viel wichtiger ist, dass die Stahltiegel fein am Kochen sind.

          1. Wenn Du wieder daheim angekommen bist in dem Sinne, dass Du sagst, nun bin ich da, kannst Du mir ja mal eine E-mail schicken und wir können „Skypen“. Dann kann ich Dir was zu dem Thema zeigen, was vielleicht (hoffentlich) gut erklärt.
            Als wir letztes Jahr die drought hatten, da merkt man ganz schnell, dass so ein 200l Wassertank nichts ist. Ich habe Pflanzen gewählt, die die drought-resident sind.
            Was Du zu Petra unten drunter geschrieben hast, ja, die Wohnungen in LA sind nicht nur unerschwinglich (1 Raum = $2k) sondern auch nachbarschaftlich nicht unbedingt das, was Du kennst von daheim und bei Deiner Tochter kennst.

  2. Liebe Gudrun,
    mit der Bürokratie ist das so eine Sache. Das war auch bei mir ohne Schwedischkenntnisse nicht ganz so einfach. Aber wir hatten Hilfe. Ich darf ehrlich sein. Ich will nicht mehr nach Deutschland zurück, dafür gibt es viele gute Gründe, die aufzuzählen den Rahmen sprengen würde. Ich bin auch nicht in der Position dir einen ungefragten Rat zu geben. Außer diesen- mach es! Ziehe nach Amerika zu deiner Tochter und nehme den Herrn E mit. Was habt ihr zu verlieren?
    Liebe Grüße aus Schweden, ein Land in dem ich mich frei fühle

    1. Ich werde wohl zu Hause bleiben, liebe Petra. Ich würde nur dann wo anders hingehen, wenn ich meine Aufwendungen erarbeiten könnte oder Vermögen hätte. Beides erfülle ich nicht. Ich kann mir hier keine eigene Wohnung leisten. Und damit ist schon alles entschieden.
      Mit meinem Land hadere ich auch. Und mit den Verhaltensweisen mancher Menschen komme ich auch nicht zurecht. Da werde ich mich abschotten müssen.
      Wenn ich meinen Rechner zu Hause wieder nutzen kann, schreibe ich dir eine Mail.
      Herzliche Grüße an dich.

  3. Doch leben könnte ich in einem anderen Land schon. Nur bin ich mittlerweile in einem Alter, in dem ich es nicht noch einmal schaffen würde mich zu erhalten. Das schaffe ich ja nicht mal in Deutschland, trotz reger Arbeit im Weinberg der Literatur. In jungen Jahren bin ich viel gereist und auch über längere Zeiträume in einem Land geblieben, zurecht kam ich eigentlich überall.
    Der Zitronenkuchen sieht deliziös aus. Alles Liebe

    1. Der Zitronenkuchen war wirklich gut. Ich habe ihn gebacken, weil wir so viele Zitronen geschenkt bekommen haben. Zu Hause werde ich ihn auch wieder backen, weil es mir gut geschmeckt hat.
      Ich denke da wie du, was das Auswandern betrifft. Ich könnte es hier aushalten, komme zurecht. Aber ich möchte das ohne Unterstützung und genau das schaffe ich nicht.
      Herzliche Grüße an dich.

  4. Ich glaube, in Kalifornien könnte ich auch gut leben. Oder in Florida. Diesen US-Bundesstaat habe ich ja mehrmals kreuz und quer durchreist, und mich dort auch jedesmal recht wohl gefühlt. Und ob die Freundlichkeit und Höflichkeit im „Amiland“ oberflächlich ist oder nicht – sie gefällt mir weitaus besser als die häufig schon fast provozierend zur Schau gestellte Muffigkeit und Unfreundlichkeit, die hierzulande immer öfter förmlich gepflegt wird.
    Herzliche Grüße!

    1. Die Muffligkeiten, von denen du schreibst, sind auch hier bekannt. Man sieht uns so und das ist sehr schade. Die Freundlichkeit hier gefällt mir viel besser.
      Irgendwie freue ich mich wieder auf zu Hause, auf meine Nachbarn, die mir so geholfen haben während meiner Abwesenheit. Und ich freue mich auf mein Spinnrad und meinen Webrahmen.
      Ganz liebe Grüße an dich
      PS: ein Stücke hin, an den Bergen, schneit es.

  5. Liebe Gudrun,
    wenn du würdest bleiben wollen, hätte man jetzt schon den Eindruck, dass du angekommen bist. Trotz aller Bürokratie und der Muffeligkeit des „deutschen Michels“ fühle ich mich zuhause in Deutschland sehr wohl. Wenn ich würde auswandern wollen, dann träume ich noch am ehesten von Skandinavien. Norwegen wäre so ganz mein Ding, schon allein der herrlichen Natur wegen.
    Herzliche Grüße – Elke

    1. Norwegisch lernen ist gar nicht so schwer. Wir sind ja eine Sprachfamilie.
      Ich glaube, in den Norden Europas wurde keiner mitkommen. Denen ist es da zu kalt. Mein Vater hatte mal recherchiert, dass Generationen vor mir von da kamen. Daher die Vornamen von meinem Bruder und mir.
      Ganz liebe Grüße an dich, liebe Elke.

  6. Ja, liebe Gudrun, das kann ich mir gut vorstellen. Schließlich kann man sich überall gut einrichten. Hier fällt mir der Spruch von einer Frau ein. Als ich mal im Urlaub war half diese in einer Hotelpension ihrer Schwester aus. Mich beeindruckte ihre Selbstverständlichkeit mit der sie dort aushalf und ihre authentische Ausstrahlung. Eine natürliche Freundlichkeit ohne irgendwie aufgesetzt zu sein. Sie war einfach sich-selbst. Den Zusammenhang weiß ich jetzt nicht mehr, aber ihre Worte: “ Ich bin überall Zuhause, egal wo ich bin“. Das hat mich tief beeindruckt und sehr zum nachdenken angeregt. Ich glaube, wenn man ganz bei sich ist, dann kann man wirklich überall sein.
    Ach ja – das Wetter, hier graupelt es heute auch. Aber der Frühling liegt trotzdem schon irgendwie in der Luft. Die Schneeglöckchen und Krokusse (Kroküsse??) recken ihre Köpfchen. Die Winterlinge ebenso. Es wird……
    Liebe Grüße von Mia mit dem Hundemädel

  7. Stimmt, dann kann man überall zu Hause sein mit dieser Einstellung. Ich kann nur nicht immer und nicht alles helfen und deshalb werde ich wieder in mein Zuhause fliegen. Auf neine Freunde und Nachbarn freue ich mich schon sehr. Die haben sich um vieles gekümmert in meiner Abwesenheit.
    In allen Ländern könnte ich allerdings nicht sein, niemals da, wo ich mich bedingungslos unterordnen müsste. Das gänge eonfach nicht.
    Herzliche Grüße an dich und einen großen Streichler für das Hundemädchen.

    1. An frei gewählten Orten, so war es sicherlich gemeint.
      In einem Land wo Unterdrückung herrscht würde ich auch nicht leben wollen.
      Ja, man kommt auch gerne wieder in die eigenen vier Wände zurück, gell?

      1. Ja, ich weiß, liebe Mia, wie es gemeint war.
        Klar, ich freue mich auch wieder auf mein Zuhause, wo mein Spinnrad und der Webrahmen warten und die Gastkatze. Ich hätte so gerne wieder eine Katze, aber es geht nicht.
        Grüße zu dir und dem Hundemädchen.
        PS: Der kleine Wüstenhund hustet.

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