Spinnstubenlieder. Von Arbeit und Geselligkeit, Sehnsüchten und Gefühlen.

Wenn ich mich beeile, habe ich bald ein Weihnachtsgeschenk fertig. Gut denken kann ich beim Werkeln mit meiner Wolle. Durch Zufall stieß ich auf Spinnstubenlieder und wollte das natürlich genau wissen.

Spinnstubenlieder, danach habe ich gesucht und Interessantes gefunden. Durch Zufall kam ich darauf, weil eines meiner Lieblingslieder so genannt wurde. Und nun höre ich welche beim Spinnen und Knüpfen. Vielleicht kann ich mal eine Veranstaltung dazu machen, irgendwann. Ein bisschen darüber schreiben ist aber auch schon ganz gut.

Spinnstubenlieder hören beim Teppichknüpfen

Man merkt es schon, dass die Abende wieder länger werden. Ich habe meinen alten Knüpftisch ins Wohnzimmer gestellt. Er hat ein feines Plätzchen an der Wand gefunden, wo er am Tage nicht stört. Am Abend ziehe ich ihn mir vor und knüpfe an meinem Teppich weiter, bis mir mal wieder die Fäden ausgehen. Dann muss der Knüpftisch seinen Platz mit dem Spinnrad tauschen. 
Mich einfach abends hinsetzen und die Hände falten kann ich nicht. 

meine Knüpfwolle, selbstgesponnen und zögerlich zerschnitten

Schade, dass jetzt fast jeder und die meiste Zeit für sich alleine hockt. Das war mal ganz anders, als es in den Dörfern und Gemeinden noch die guten, alten „Spinnten“ gab, die Lichthäuser, Spinnstuben. Man traf sich am späten Nachmittag und werkelte zusammen. Gegen um 9.00 oder um 10.00 Uhr abends wurde alles Gerät zur Seite geräumt und es begann der gesellige Teil, mit Musik, Tanz, Gesellschaftsspielen. Besonders bei der Jugend war das sehr beliebt, ohne Frage. 
Wenn es nicht eine spezielle Spinnstube im Ort gab, dann traf man sich in den verschiedenen Bauernstuben, reihum. 

Spinnstubenlieder sang man beim Arbeiten und auch danach in fröhlicher Runde. Manch ein junges Mädchen legte Heftchen mit den Lieblingsliedern an und so sind verschiedene  Sammlungen von Spinnstubenliedern erhalten geblieben. Viele gingen ein in die 1805 bis 1808 von Clemens Brentano und Achim von Armin veröffentlichte Volksliedsammlung „Des Knaben Wunderhorn“.
Man sagt, dass mit dem Verschwinden der Spinnstuben, auch das gemeinsame Singen weniger wurde. 

Um zwei Dinge geht es mir eigentlich:

  1. Wir leben immer isolierter von einander.
    Was wissen wir denn noch von einander? Nein, ich meine nicht, die Geheimnisse, die auch privat und geheim bleiben sollten. Ich meine das, was uns als besonderen Menschen ausmacht, mit allen Ecken und Kanten aber auch liebenswerten Eigenschaften.
    In den Spinnstuben kannte man sich und dort wurde auch erst mal der Dorftratsch ausgewertet, aber auch über Probleme und politische Gegebenheiten diskutiert. Es wurden Normen und Regeln des Zusammenlebens, des Redens miteinander festgelegt, gestritten und um Meinung gerungen. Das braucht keine Spinnstube, aber so einiges scheint uns abhanden gekommen zu sein.
  2. Die Lieder, Spinnstubenlieder und andere, gehören zu unserem Kulturerbe.
    Zweie gefallen mir besonders gut, „Das Herbstlied“ und „Es dunkelt schon in der Heide“, gesungen von Zupfgeigenhansel. (zum Letzteren möchte ich gern einen Extrabeitrag schreiben)
    Nun gibt es Leute, die lehnen solche Lieder kategorisch ab.  Als schnulzig oder rührselig werden die Lieder oft bezeichnet. Vielleicht liegt es daran, dass manche Menschen keine Gefühle kennen oder keine zeigen wollen.  Stark will man erscheinen, als jemand, der mit jeder Situation klar kommt und sowieso immer alles richtig wertet. Diese Menschen benenne ich immer als „Berufsrevolutionäre“. Ich habe da genug davon kennengelernt und ich habe auch erfahren, dass es falsch ist, nur mit Kampfliedern aufzuwarten.

Nein, ich will nicht die Spinnstuben von damals aufleben lassen, aber wissen wie es damals war will ich schon. Ein antiquarisches Buch habe ich mir bestellt: „Spinnstuben in Thüringen“. Ach ja, mal wieder ein Stücke heimwärts schauen ist auch nicht schlecht. Vielleicht will ich auch um ein bisschen mehr Zusammenhalt  und Verständnis füreinander kämpfen. Und wenn jemand Lust hat, mit mir zusammen zu werkeln, dann ist die Einladung jetzt ausgesprochen.

Denen, die die Sehnsucht nach Gemeinsamkeit und Frohsinn auch erkannt haben und die zu gern das „Nationale“ überbetonen, möchte ich den Wind aus den Segeln nehmen. Ihnen gehören die Lieder nicht und ihnen überlasse ich sie auch nicht! 

Spinnstubenlieder oder Lieder über das Spinnen spielten übrigens auch in der Klassik eine Rolle, bei Wagner, Schubert, Brahms, Mozart und anderen. Und wenn man da die Augen schließt und nur zuhört, dann kann man das Spinnrad surrend vernehmen.

15 Gedanken zu „Spinnstubenlieder. Von Arbeit und Geselligkeit, Sehnsüchten und Gefühlen.“

  1. Ja, die Zeiten und die Menschen sind heute anders … jeder lebt für sich. Ist ja schon in den Familien so. Deine bunten Farben gefallen mir sehr gut.
    Liebe Grüße Ellen

    1. Das stimmt und irgendwie belastet mich dss sehr. Wenn man sich doch mal in einer Gruppe bewegt, fällt man ganz schnell durch’s Raster, wenn man sich nicht der Gruppenmeinung anschließt oder irgendwie anders ist.
      Liebe Ellen, ich habe dein Gedicht mit den Buntstiften nicht vergessen.
      Liebe Grüße an dich.

  2. Singen ist Gesundheit pur. Ich singe oft vor mich hin. Gemeinsames zwangloses Singen ist etwas ganz Besonderes. Manchen Leuten fehlt einfach der Zugang zu alten überlieferten Liedern. In den Kitas vermisst man heute auch das alte Liedgut. Ich finde das sehr schade.

    1. Mir haben die L7eder schon als Kind gefallen und ich habe sie gesungen, auch für mich allein. Dann wird man erzogen, manchmal arg derquer, und jetzt singe ich wieder. Mich stört kein Gerede anderer mehr. Es wäre eine gute Zeit zu versuchen, etwas in Sachen Gemeinsamkeit auf die Beine zu stellen. Mir fehlt aber die Kraft gerade ein bisschen. Ich bin müde, Isa.

  3. Als ich mit dem Quilten begann, gefielen mir Traditionen in den USA. Dort trafen sich Frauen zum gemeinsamen Quilten. Meistens wurde dann an einem Hochzeitsquilt genäht, in den alle guten Wünsche eingearbeitet wurden. Oder an einer Babydecke, oder, oder, oder. Ob dabei gesungen wurde, weiß ich nicht. Was ich aber gelesen hatte, war, dass die Frauen viel miteinander redeten. Vielleicht hatte das auch einen therapeutischen Nebeneffekt?
    Ich habe letztens im Netz mal nach Sets für Teppichknüpfen gesucht. Aber alles, was dort angeboten wurde, gefiel mir nicht. In meinem Zimmer liegt ein recht großer Teppich, den meine Oma mit ihrem Mann gemeinsam geknüpft hat. Ein schönes Stück!
    Liebe Grüße,
    Elvira

    1. Ich habe auch gesucht und nichts hat mir gefallen, bis auf zwei, die ich nach meinen Wünschen abgewandelt habe. Die Wolle spinne ich ja selber. Inzwischen sind 30 cm von 120 ferti und das nächste Projekt gärt schon im Kopf.
      Mir fehlt dieses Gemeinsame, das Verständnis für einander und das gegenseitige Beistehen.
      Liebe Grüße zu dir.

  4. Ich mag einige sogenannte Volkslieder sehr. Die Gedanken sind frei, ist ein Dauerliebling. Aber auch „Kein schöner Land in dieser Zeit“. Ich bin damit aufgewachsen. Obwohl ich selbst eine scheußliche Singstimme habe, ist mein Vater immer in einem Chor gewesen, der hat allerdings mehr plattdeutsche Lieder im Repertoire gehabt. Min Jehan, ist eines derer, die mir nie ganz aus dem Kopf gehen.
    Alles Liebe

    1. Stimmt, es gibt schöne Lieder, manche mit einem feinen Sinn, der wie eine Tageszeitung weitergegeben wurde, andere mit viel Gefühl und wieder andere mit Regionalen Gegebenheiten. Ich glaube, wir brauchen das alles.
      Das Lied habe ich mir angehört. Es wurde zur Trauerfeier von Helmut Schmidt gesungen und hat mich sehr ergriffe. Ich mag übrigens solche Lieder in Dialekten oder Mundart.
      (Wir haben uns gerade unterhalten und mein Schwabe hat mir gleich was vorgesungen. Frag mal Deinen, ob er das auch kennt. „… lieber will i gar koi Schätzle, als no so en Flederwisch.“)

  5. Es gibt schon schöne alte Lieder. Selbst Hannes Wader hat Volks-und plattdeutsche Lieder gesungen. Oder Ougenweide, Liederjan. Alle nun wahrlich nicht im Verdacht, in der rechten Ecke zu stehen. Meine Welt ist das nicht so, wobei ich manchmal noch gerne die plattdeutschen Lieder von Knut Kiesewetter höre.
    Ja, wir leben immer isolierter, Großfamilien gibt es kaum noch, aber ich denke, es liegt an jedem selber, wie er leben möchte. Ich persönlich z.B. möchte gar nicht unbedingt dörflich leben, weil mir die soziale Kontrolle too much wäre. Aber das ist ja Geschmackssache. Ich denke, man kann auch in der Großstadt miteinander leben und mittlerweile schießen Wohnprojekte ja wie Pilze aus dem Boden. Wir haben auch mal drüber nachgedacht, es dann aber für uns doch nicht als das richtige empfunden.

    1. Nö, dörflich leben möchte ich auch nicht unbedingt. Von der Landschaft her schon, von dem unkoplizierten Umgang miteinander auch. Aber das ist ja nicht alles. Darum geht es mir auch gar nicht so sehr. Mir geht es um die Lieder, um Gefühle und Lebensweise, auch um das Zusammengehörigkeitsgefühl.
      Da ich ja nun mal eine Woll-Else bin, interessiert mich, welche soziale und kulturelle Rolle die Spinnstuben gespielt haben. Und das haben sie. Ich lese da gerade einiges dazu, auch aus meiner Gegend. Nun wird es keine Spinnstuben mehr geben, aber etwas muss sich finden lassen, was übertragbar ist in unsere Zeit.
      Mein Opa, der alte Sozi, sang auch Volkslieder, wenn er mit seinen „Jungs“ unterwegs war. Sieben junge Männer auf der Walz sind bei sieben Schwestern in meinem Kaff hängen geblieben. Eine war meine Oma.

  6. Die Spinnlieder sind es ganz bestimmt wert, bewahrt und der Nachwelt überliefert zu werden. Das macht mich schon manchmal betroffen, wie viel schönes Kulturgut zusehends verloren geht.
    Liebe Grüße!

  7. Jetzt hab ich doch gerade mal nachschauen müssen, weil mich interessiert worüber du schreibst. In Rheinland-Pfalz treffen sich tatsächlich an verschiedenen Orten Menschen zum Spinnen. Das finde ich sehr schön. Ich treffe mich ab und an gerne mit einer Freundin zum Basteln, gemeinsam macht es mehr Freude.
    Herzliche Grüße von Beate

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