Flieg ich durch die Welt

„Flieg ich durch die Welt“, diese Sehnsucht hatte ich schon immer und das war eine treibende Kraft und blieb es bis heute.

Am Wochenende bin ich eines Abends vor dem Fernseher „kleben“geblieben. Es kommt selten vor, aber manchmal schon.
City, die Band mit der ich groß geworden bin, geht in die letzte Runde, d.h. nach 50 Jahren (!) ist zum Jahresende Schluss. Und wie sich das für gestandene Musiker gehört, gehen sie auf Abschiedstournee, zusammen mit den Berliner Symphonikern. Eines der Konzerte wurde im Fernsehen übertragen (Link führt {eine Zeit lang noch} zur ARD-Mediathek) und ich sah es mir an; mit einem weinenden und einem lachenden Auge.

In ihren Liedern fand ich mich wieder, sowohl damals und als auch jetzt noch. Typen wie den „King vom Brenzlauer Berg“ gab es bei uns auch. Die Texte fanden hier im Osten wahrscheinlich stärkere Aufmerksamkeit als anderswo. In ihnen waren Botschaften, die man nicht immer und nicht laut heraus posaunen konnte. Sie machten Mut, trösteten, ließen einen nachdenklich werden und manchmal auch trotzig.

Citys Song „Am Fenster“ schlug damals ein wie eine Bombe. Ich war noch ganz jung und die Bandmitglieder hatten noch Haare.
Keiner von uns tanzte, alle standen und hörten einfach nur zu, besonders bei dem Violinen-Solo von Georgi Gogow. Der Text zum Song stammte übrigens von Hildegard Maria Rauchfuß.

Seit damals ist viel Zeit vergangen und ich habe mich gefreut, die Jungs mal wieder zu sehen und zu hören. Nur „flieg ich durch die Welt“ kann ich erst jetzt so richtig singen, weil ich es bald machen werde. Wer weiß, wo es mich noch hintreibt.

Es ist ein kleiner Abschied; deshalb das weinende Auge. Die Lieder aber werden mir jedoch bleiben, alle, auch das hier. Es scheint fast, als ob sie es für mich geschrieben haben. Ich bin manchmal anders, habe anderes erlebt und mich hat anderes geprägt. Wie heißt es zum Beispiel im Lied: „Hab‘ keine Berge versetzt, nur ein Haus drauf gebaut.“

Danke, City. Danke, Jungs.

20 Gedanken zu „Flieg ich durch die Welt“

  1. Schon als ich den Titel las, hatte ich diese Stimme im Ohr. Und die Erinnerung an die erste gekaufte Musikkassette von City, auf deren einer Seite eine 17-min-Version des Liedes „Am Fenster“ war.

    Schade, daß sie jetzt aufhören. Gut, daß ihre Lieder bleiben.

    1. Ja, die Lieder bleiben, Erinnerungen auch. Wenn ich daran denke, dass die Jungs älter sind als ich, dann kann ich ihnen nur Respekt zollen.
      Stimmt, es gab damals noch eine besonders lange Version, weil die Band nicht genügend Songs hatte. Ich fand es Klasse. Andere wahrscheinlich auch.

    2. Nach der langen Version habe ich oft in einer esoterisch angehauchten Location (mir fehlt ein besseres Wort dafür, es war keine Dico, kein Club, kein Tanzlokal) barfuß und völlig selbstvergessen getanzt. Die kurze Fassung ist noch immer in meiner Playlist „Lieblinge“.

      1. Das vergisst man nie wieder, gell? Nach den ganz großen Gefühlen von damals sehnt man sich, aber sie sind dann anders, nicht schlecht, aber anders.
        Liebe Grüße an dich.

  2. Da habe ich eben ganz wehmütig zugehört und zugesehen. Danke für diese schöne Erinnerung an eine ferne Zeit, die auch irgendwie ihre Reize hatte.
    Liebe Grüße von der Silberdistel

    1. Das war ein Fernsehabend voller Erinnerungen. Es war schön daran zu denken, wie das war als wir jung waren und das viele Neue hat mir auch gefallen.
      Liebe Grüße an dich, liebe Silberdistel.

  3. Hallo Gudrun, am schönsten finde ich ja deine Fotos – beim zweiten hätte ich gedacht, dass das Nina Hagen ist, als sie ihren Farbfilm vergessen hat.
    Ich glaube, ich stand Zeit meines Lebens schon mit Musik, wo gesungene Texte dabei waren, auf Kriegsfuß. Ich habe in einer Oper nieeeeeeeeeeeeeeeee verstanden, was die wirklich gesungen haben – und außer bei ganz gängigen Sachen mit immer wiederholtem Refrain habe ich auch kaum etwas verstanden, so wie jetzt bei der Band. – Deswegen war ich IMMER ein absoluter Klassikfan – nicht aus Arroganz, sondern, weil ich da auf keinen Text lauschen musste.
    Ja, und du wirst jetzt auch bald durch die Welt fliegen.
    Liebe Grüße an dich

    1. Ganz oft haben wir die Lieder laut mitgesungen, einschließlich „oooooho ba ba da ba baby… Du di du di dale…du di du di da.“. Ich habe aber immer gerne gesungen, war auch in einem Konzertchor. Wenn es eben mal nicht um die Klassik ging, dann trällerten wir das, was gerade in war. Manche Texte kann ich immer noch. Und die hatten mir meist auchbwas zu sagen.
      Der Hut hat mir im Tagebau gute Dienste geleistet. Sonst hätte ich da unten auf der Kohlesohle einen Sonnenstich bekommen. Er hatte aber dann eine etwas andere Farbe.
      Herzliche Grüße nach Berlin.

  4. Ich habe es auch gesehen und hatte Pipi in den Augen.
    Fernseher laut, gut das wir so schöne dicke Wände haben, und mitgesungen.

    „Am Fenster“ , das erinnert mich an den Zeltdiscos in den Achtziger Jahren.
    Was waren das für schöne Zeiten.
    Deine Fotos sind schön, tolle Erinnerungen.

    Liebe Grüße Marion

    1. Haha, in den 80igern hatten die einen Slogan: „Ohne Bass und ohne Haare durch die 80iger Jahre“. Zu meiner Diskozeit hatten sie noch welche.
      Mich hat die Sendung auch sehr berührt. Und 50 Jahre als Band zusammen, auch durch bewegte Zeiten, das ist wirklich eine Leistung.
      Herzliche Grüße an dich, liebe Marion.

  5. Die Band kenne ich zwar leider nicht – aber deine Fotos gefallen mir sehr. Vor allem das rechte.
    Und ich freue mich so, dass du in absehbarer Zeit wirklich um die Welt fliegen wirst.
    Sei herzlich gegrüßt!

    1. Ich freue mich schon sehr auf die Welt und übe schon fleißig mit dem Rolli Hinternisse zu überwinden. Ich will mobil bleiben. Es muss ja nicht ans andere Ende der Welt sein; es darf auch gleich um die Ecke sein.
      Auch ich grüße dich herzlich.

  6. Meinen Kommentar habe ich weiter oben auf Emils Kommentar abgegeben. Die Legende sagt, dass Mick Jagger, als er dieses Lied hörte, schwer begeistert gewesen sein soll. Wer wäre das auch nicht?
    Liebe Grüße,
    Elvira

    1. Naja, wir kannten die hier halt alle. Ihre Songs liefen im Radio und in den Diskos tanzten wir dazu. Das sind halt die Auswirkungen des eisernen Vorhangs gewesen, dass man vieles nicht von einander wusste. Um so besser ist es jetzt. Mir geht es ja genau so. Ich musste mich in eine andere Welt hineintasten.
      Liebe Grüße an Herrn E.s Lieblingsmeer.

  7. Oh ja, aus der Zeit gibt es ein paar Songs, die mir immer noch Gänsehaut bescheren, wenn ich sie höre. Nicht selten kommen mir sogar die Tränen. Und es ist wie verrückt, auch entstehen sofort Bilder aus jener Zeit in meinem Kopf … jahrzehntelang Verstautes erscheint plötzlich, als wäre es gestern gewesen … und auch die Gefühle von einst spürt man in seinem Herzen. Das ist echt krass.
    Es mag nicht alles korrekt und gut gewesen sein, aber wo gibt es das schon. Auf jeden Fall habe ich viele gute, wunderbare Gefühle, wenn ich an früher denke und bestimmte Augenblicke/Songs abrufe … und möchte diese Zeit nicht missen.

    Wow, du sahst so toll aus, liebe Gudrun. Beim zweiten Foto dachte ich erst, es sei Nina Hagen … hihi. Aber du warst/bist hübscher!!! 🙂

    Ganz liebe Grüße zu dir,
    Andrea

    1. Das war mein tagebau-Hut. Meine Mutter hatte mir den schnell genäht, weil ich einen deckel auf den Kopf brauchte und es nichts Passsendes gab. Der hat mir gute Dienste geleistet. Es gab nämlich welche, denen die Hitze und die Sonne nicht so gut getan hatte.
      Die Lieder der Bands aus meiner Jugend ergreifen mich auch wieder jedesmal. Manches bleibt ein Lebenlang. Wenn ich so richtig die Schn… voll habe, muss ich AC/DC hören, schön laut. Und dann geht es wieder. Das habe ich damals schon so gemacht. Meine Mutter hatte dafür gar kein Verständnis. 😀
      Das Vertraute! Ja. Mir fehlen auch bestimmte Maler, Schriftsteller, Filme und Bücher.
      Liebe Andrea, ich schicke dir herzliche Grüße.

  8. Liebe Gudrun,

    beim Lesen und Schauen dieses Beitrags hab ich jetzt ein Lächeln auf dem Gesicht 🙂 zum einen wegen den schönen Bildern von dir …hab Dank für diese ganz besonderen persönlichen Einblicke, darüber freu ich mich ganz besonders.

    Und wegen diesem wunderbaren Lied, mit dem ich ganz viele Erinnerungen verknüpfe. Eine liebe Freundin von mir nahm mir Ende 1988 eine Kassette mit ihren Lieblingsliedern auf. Und da war auch die lange Version von „Am Fenster“ dabei. Sie hatte die LP von City. Mich hat es total gepackt, hab mir das Album natürlich auch gekauft ..und auch heute noch hat das Lied nichts von seiner Intensität und Schönheit verloren.

    Wir waren Ende der 80er oft in einer Oldie-Rock-Disco. Dort liefen überwiegend Songs aus den 60ern, 70ern – nur am Wochenende auch mal neuere Titel. Und irgendwann wurde auch „Am Fenster“ dort gespielt. Die Stimmung auf der Tanzfläche war unbeschreiblich …

    Ich grüß dich ganz herzlich und wünsche dir bereits jetzt frohe und schöne Ostertage,

    Ocean

    1. Fein, dass du wieder da bist, liebe Ocean, aber schade für dich, dass die Tage am Meer schon wieder vorüber sind.
      Die Band hab ich sehr gemocht, auch wegen der Texte. So zwischen den Zeilen konnte man eine Menge lesen und das war gut so zu DDR-Zeiten.
      Schöne Osterfeiertage wünsche ich dir auch, liebe Ocean und feine sonnige Frühlingstage.

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