Dieser Tage hatte ich einen mächtigen Rheumaschub wie schon seit Jahren nicht mehr. Wenn die Wirbelsäule betroffen ist, wird es immer ungemütlich. Ich kann nie sagen, wann es zuschlägt und auch nicht warum. Wie ein Pulverfass ist das. Und dann wollte ich unbedingt den Held spielen.
„Ich steh das durch!“ „Nur stark sein muss ich. Das erzwinge ich!“ Medikamente wollte ich nicht nehmen. Mit eisernen Willen geht es auch ohne, dachte ich. Und dann hing ich in den Seilen und gar nix ging mehr.
Ich las dann bei der Rheuma-Liga, dass man nicht den Held spielen soll. Sogar reine Schmerzmittel sind besser als gar nix. Von einer verqueren Schonhaltung wird nämlich alles noch viel schlimmer.
Warum ich den Held spielen wollte, weiß ich nicht mehr. So schnell passiert mir das auch nicht wieder. Es ist, wie es ist und ignorieren bringt gar keine Punkte. „Es“ wird mich auch mal wieder loslassen. Und ich werde auch einiges loslassen müssen. Auf Hochzeiten, wo man mich gar nicht haben will, muss ich auch nicht tanzen wollen.
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Nachtrag: Nach einer Nacht in der Notaufnahme gönn ich mir jetzt doch mal eine Pause. Nein Covid habe ich nicht, aber einen Blutdruck jenseits von Gut und Böse, schmerzindiziert. Der brauchte mehrere Kanonenschläge, bis er sich etwas einholte. Irgendetwas war einfach zu viel.
Der erste Tag im neuen Jahr begann bei mir meist mit dem Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker. So auch 2022. Als Kind saß ich mit meinem Vater vor dem Radio. Er erklärte mir einige Passagen der Musikstücke, worauf ich doch mal gleich achten solle. Und er erzählte mir nebenher Geschichten über die Komponisten, wie zum Beispiel die, dass Johann Strauss Vater dem Sohn die Geige zerschlug, weil er nicht wollte, dass sein Sohn sich mit Musik ins Unglück stürzte. Der Freund der Familie, Joseph Lanner, schenkte dem Junior allerdings eine Neue und unterrichtete ihn heimlich. Zum Glück!
Jetzt habe ich das Neujahrskonzert 2022 im Fernsehen gesehen, sowohl die schönen Bilder genossen, als auch gesehen wie Daniel Barenboim und die Musiker das pandemiebedingte wenige Puplikum mitnahm. Und mich natürlich auch. „Leichte Muse“ – das hört man manchmal mit einem leicht abfälligem Tonfall. Ich habe in die Gesichter der Musiker geschaut, wie konzentriert sie waren. Nein, leicht spielt sich das alles gar nicht, wiewohl Tempo und Intensität ständig wechseln.
Mitten im Konzert fiel mir dann ein, dass wir noch Sekt hatten. Und währenddessen sich manche ins Ballkleid werfen, lassen wir eben mal den Korken knallen. Der Sekt heute schmeckte zumal viel besser als der Pflichtsekt um Mitternacht. Die Ruhe, mit der der erste Tag 2022 begann, will ich mir bewahren über das Jahr. Aber das hatte ich mir ja eh‘ schon vorgenommen.
Die Wiener Philharmoniker geben das Neujahrskonzert jedes Jahr und ich kann es mir indes anhören. „Aber umso wichtiger ist es heute“, sagt Daniel Barenboim, der diesmal dirigierte. Die Coronapandemie sei eine „menschliche Katastrophe, die versucht, uns auseinander zu drängen“. Am Orchester, das im gemeinsamen Musizieren eins wird im Denken und Fühlen, solle sich jeder ein Beispiel nehmen. „Es ist für mich eine riesige Inspiration, heute hier zu sein. Nehmen wir dieses Beispiel von Menschlichkeit und Einigkeit mit in unseren Alltag.“ Ja, das nehme ich mir mit, auch für ganz andere Situationen. Nein, mit Friede, Freude, Eierkuchen hat das nichts zu tun, nur mit respektvollem Umgang miteinander auf der einen Seite und mit Konsequenz auf der anderen.
Wie auch immer der Weg aussieht: Ein gutes Jahr 2022 wünsche ich uns allen von ganzem Herzen. Dann woll’n wir mal, jeder für sich und auf seine Weise und doch respektiert und vor allem gemeinsam.
Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen.
(Albert Schweizer)
Meine Tochter ist schon wieder auf der Rückfahrt zur Nordsee. Ich freue mich immer wochenlang auf Weihnachten, weil ich dann meine Kinder mal wieder da habe, zumindest die, die im Lande leben. Aber dann ist die Zeit rum und ich muss Abschied nehmen.
Früher habe ich meine Tochter am 1. Feiertag immer auf den Bahnhof gebracht. Auf meiner Rückfahrt mit der „Leipzscher Bimmel“ konnte ich mir die Tränen dann nicht verkneifen. Manch einer wird gedacht haben: „Die arme Frau. Es ist Weihnachten. Wer weiß, was ihr passiert ist?“
Nix. Ich hatte so schöne Tage, mit ganz viel Wärme, Gemütlichkeit, Lachen, Beisammensein mit meinen Kindern. Aber, das erste Kind reist schon wieder ab und mir ist, als ob sich ein stählernes, kaltes Band ums Herz legt.
„Ach, Mutti, ich bin doch noch da“, sagt der Jan und umarmt mich. Stimmt. Wir werden noch einige Tage zusammen verbringen können, lachen, erzählen, zusammen kochen. Weihnachten ist für mich immer ein Fest der Familie. Wenn nur der Abschied nicht wäre.
Zum Abschied hat mir meine Tochter ihren Beutel dagelassen. Er gefiel mir so gut und nun wird er mein Begleiter sein und mich an sie erinnern.
Wir werden jetzt gleich gemütlich Kaffee trinken und an die Tochter denken, dass sie wieder gut im Norden ankommt. Es hat geschneit heute bei uns und es ist grimmig kalt.
Meine Kinder hatten sich getestet, bevor sie zu mir kamen und auch Herr E. und ich haben das gemacht. Wir wollen auf keinen Fall jemand gefährden. Die Schwiegermutter meiner Tochter leitet ein Altenheim. Auch da ist Vorsicht geboten. Also hat sich die Tochter gleich noch mal vor der Abfahrt in den Norden getestet. Es ist eine kleine Mühe. Ich verstehe die ganze Aufregung drumherum überhaupt nicht.
Wieder war alles gut. Mein größter Wunsch ist, dass es auch so bleibt jetzt und auch in Zukunft: Wir wollen uns wieder treffen im nächsten Jahr.
In den Herzen ist’s warm,
still schweigt Kummer und Harm, …
Es wird ruhiger werden hier, wie eigentlich immer zum Jahresende. In diesem Jahr ist es aber noch ein bisschen anders.
Ich sehne mich nach Ruhe und werde mir die gönnen, jetzt erstmal im ganz kleinen Familienkreis, mit meinen Kindern. Ich wünsche allen ein schönes Fest, wie immer ihr es begeht. Für manche ist es Weihnachten in christlicher Tradition. Andere sehen das beginnende neue Jahr erwachen. Und für wieder andere ist es eine schöne gemeinsame Zeit in der Familie. Alles ist gut und richtig.
Mein erstes Kind ist schon angereist und wir haben bis zum Morgen geschwatzt. Zwei Jahre hatten wir uns nicht gesehen. Herr E. und ich hatten uns trotz Dreifachimpfung getestet, denn auch wir wollen nichts weiter verbreiten, was nicht sein soll. Auch unsere Kinder tun alles, um uns nicht zu gefährden und so hoffen wir, dass wir eine gute Zeit haben werden, jetzt und dann auch im neuen Jahr.
Brot werden wir zusammen backen und uns erinnern. Wie zum Beispiel an das alte Lied „Oh Tannebaum…“, welches bei dem ganz kleinen Jan annodunnemals großen Eindruck hinterlassen haben muss. Als wir irgendwann im Sommer an einem Nadelbaum vorbei kamen, rief mein Sohn plötzlich; „Ohhhhh, kuckt mal, ein Otannebaum“. Oder die Geschichte mit dem Weihnachtsmann. Jan hatte immer reichlich Phantasie. Am Weihnachtsabend schaute er durch das Schlüsselloch im Kinderzimmer und erzählte seiner Schwester, dass er den Weihnachtsmann gesehen hätte, mit einem grünen Rucksack. Oh, gab das Tränen! Meine Tochter weinte, weil immer der Jan so etwas sah, nie sie. Es hat ein Weilchen gedauert, sie zu trösten.
So, genug geschwatzt. Ich verabschiede mich.
Besinnliche Momente wünsche ich allen, jetzt am Jahresende, wo es ruhiger wird. Liebe, Geborgenheit und ein wärmendes Stübchen wünsche ich mir für jeden und die Gewissheit, dass auch Eiszeiten einmal vorbei gehen.
Martina von der Buchstabenwiese öffnet jeden Tag ein Fensterchen in ihrem Adventskallender. Und immer weckt sie Kindheitserinnerungen, schöne Momente voller Ruhe und Hoffnung. Und ich erzähle heute von meinem Teddy Robber.
Ohne den Robber ging ich nirgendwohin, das heißt, da wo ich war, war der Teddy auch. Ihm erzählte ich abends im Bett alle Geheimnisse und es kam auch vor, dass ich ihm ins Fell geweint habe. Er hat mich dann getröstet und ruhig einschlafen lassen.
Der Teddy musste natürlich einen Namen bekommen. „Teddy“ reichte mir nicht, aber ein Name fiel mir nicht ein. Mein Vater setzte sich dann zu mir und wir überlegten gemeinsam. Er erzählte mir die Geschichte eines Wolfes namens Robber, der bei Menschen aufwuchs, im Dorf nicht gern gesehen war und seinem Lieblings-Menschen das Leben rettete und seines dabei verlor.
Viel später bekam ich das Jugendbuch mit dem Namen „Robber“ von meinem Vater geschenkt, las die Geschichte des Wolfes selber und vergoss auch die eine oder andere Träne. Die Geschichte vom Wolf Robber schrieb Wolf Durian (eigentlich Wolfgang Walter Bechtle), ein bekannter Jugendbuchautor der DDR. Sie gefiel mir und der Name des Wolfes war auch der Name meines Teddys, der mich treu durch meine Kindheit begleitete.
Dieser Tage erfüllte ich mir einen Wunsch und kaufte mir das Buch über ZVAB. Es wird mir nicht wieder abhanden kommen und wer weiß, vielleicht erzähle ich die Geschichte vom Wolf Robber, wenn ich mal wieder mit Spinnrad und Wollkorb unterwegs sein kann. Vielleicht erzähle ich die Geschichte aber auch ganz anders, so wie mein Vater zuerst, denn die aus dem Buch ist ein bisschen traurig.
Die größten Ereignisse sind nicht unsere lautesten, sondern unsere stillsten Stunden. (Friedrich Wilhelm Nietzsche)
Ich brauchte dringend mal eine Pause. Alles aus lassen, abschalten, Ruhe. Angekrankt war ich, mit Fieber und Husten. Keine Lust zum Lesen hatte ich, Filme schauen wollte ich auch nicht. Also habe ich mich eingekuschelt, die Augen geschlossen und vor mich hingedämmert.
Mein alter Hausarzt fiel mir ein, der aus der Kinderzeit. Die Erwachsenen nannten ihn den „Dr. Eisenbarth“ (Name von einem privilegierten Landarzt in Sachsen-Gotha-Altenburg), weil er recht ruppig war zu den Erwachsenen. So musste man wahrscheinlich sein als Landarzt bei dem Starrsinn mancher seiner Patienten. Zu uns Kindern war er lieb. Wenn eines von uns krank war, kam er auf seinem Heimweg bei uns vorbei und sah nach uns. Waren wir krank, kam immer das gefürchtete Wort: „Bettruhe!“ Ich muss aber sagen, Recht hatte er. Es half. Und deshalb hatte ich mir das jetzt auch verordnet, so wie der Dr. Eisenbarth damals.
aus dem Fotoalbum meines Vaters für mich
Lungenentzündung hatte ich als Kind oft. Mein Vater machte als Polizist Nachtschichten und schlief dann am Tage im Sessel neben meinem Bett. Wenn Dr. Eisenbarth kam, gab es eine Penicillin-Spritze. Das tat weh, denn das Zeuchs war wie Suppe.
Der Doktor machte mit mir einen Deal. „Pass auf, ich spritze zuerst deinen Teddy. Und wenn der nicht weint, dann weinst du auch nicht.“ Das funktionierte. Ich saß da mit zusammengekniffenen Mund und Augen, sagte aber keinen Ton.
Die Pause jetzt hat mir gut getan. Ich merke, dass ich schon wieder umtriebig werde. Gut so. Dann wird auch alles wieder gut. Ach, aber zu allem Unglück habe ich jetzt auch noch einen Ohrwurm:
„Ich bin der Doktor Eisenbarth,widewidewitt, bum bum. Kurir die Leut nach meiner Art, widewidewitt, bum bum Kann machen, daß die Blinden gehn, Und daß die Lahmen wieder sehn. Gloria, Viktoria, widewidewitt juchheirassa! Gloria, Viktoria, widewidewitt, bum bum.
Gastfreundschaft besteht aus ein wenig Wärme, ein wenig Nahrung und großer Ruhe. (Ralph Waldo Emerson)
Es war ein schönes Wochenende. Wir hatten Enkelinbesuch. Herrn E.s Enkelin war da, eine taffe, junge Frau. Ich hatte sie ganz lange nicht mehr gesehen. In meinem Zimmer steht ein Bild von ihr. Als Kind hatte sie mich bei den Schafen auf der Weide besucht. Inzwischen studiert sie internationales Lehramt, hat mehrere Auslandssemester hinter sich und schreibt gerade an ihrer Masterarbeit. Es war angenehm, mit der netten und klugen jungen Frau zu reden und zu schwatzen. Das rückt doch so einiges mal wieder klar und gerade.
Viel ist es ja nicht, aber ein bisschen sieht es aus wie Puderzuckerwiese.
Am Morgen hatte es doch noch ein bisschen geschneit in unserer Region. Es ist kaum der Rede wert, aber gefreut habe ich mich sehr über die Puderzuckerwiese. Das Foto musste ich noch halb im Dunkeln machen, weil der Schnee nicht liegen bleiben wollte. Ein bisschen tröstete er mich darüber hinweg, dass der Enkelinbesuch so schnell wieder vorbei sein sollte.
Über die junge Frau habe ich mich sehr gefreut. Es war schön mit ihr zu reden. Sie arbeitet schon neben ihrem Studium als Lehrer, nimmt ihren Beruf sehr ernst und ich wünsche mir, dass sie an ihren Idealen festhält.
Da ist so vieles, was den Lehrerberuf unatraktiv macht, wie viel zu große Klassen, immer mehr Reglementierungen, schlechte Organisation des Schulbetriebes. Ich wehre mich immer dagegen, von Fachkräftemangel zu reden, so wie über ein Unglück, was einfach so herein bricht. Dass viele aus ihren Berufen abwandern liegt daran, dass die Arbeitsbedingungen einfach schlecht sind. Unter schlechten Bedingungen kann man nicht jede Schülerin oder jeden Schüler „mitnehmen“, so sehr man sich auch bemüht. Und das zerreibt.
Ein bisschen habe ich mich wiedergefunden in den Erzählungen der Enkelin. Allerdings hatte ich es noch viel, viel leichter als die jungen Leute jetzt, zumindest beim Unterrichten. Die Enkelin hat schon einige Auslandssemester weg und es ist auch noch eines geplant. Diese Chancen finde ich wertvoll und vor der jungen Frau ziehe ich meinen Hut. Sie weiß, was sie will.
Der Nistkasten vor dem Haus trägt ein Häubchen.
Meinen Schlehenlikör haben wir mal anlässlich des Enkelinbesuch probiert. Ich bin zufrieden; er ist gut geworden, schmeckt sehr fruchtig und ich kann ihn durchaus anbieten. Bestimmt werde ich im nächsten Jahr wieder Schlehen ernten und verarbeiten. Und jetzt gönne ich mir erstmal einen Schlehensaft. Alkohol ist nichts für mich.
Das Wort Krise setzt sich im Chinesischen aus zwei Schriftzeichen zusammen. Das eine bedeutet Gefahr und das andere Gelegenheit. (John F. Kennedy)
Ja, ich empfinde das, was jetzt gerade um mich herum passiert und weltweit zu spüren ist, als Krise. Es ist nicht die erste in meinem Leben, aber diesmal ist es anders, bedrohlicher. Ich habe das Gefühl, dass mir da etwas entgleitet, ich keinen Einfluss nehmen kann. Die Berichterstattung in den Medien tut das Ihre dazu. Die Nachrichten überschlagen sich, ich habe kaum noch Zeit, sie zu verarbeiten.
Die erste große Krise kam, als ich meine Kündigung erhielt, damals, als ich im Schulhort arbeitete. Am letzten Schultag hatte ich sie am Nachmittag im Kasten. (600 anderen ging es genau so.) Zack, Ende! Keine Abfindung, kein Sozialplan. Das Schlimmste war, dass ich mich von meinen Kindern nicht verabschieden konnte.
Ich habe dann wie ein Löwe um eine Weiterbildung gekämpft, habe sie nach zwei Jahren dann auch bekommen. Und danach habe ich wieder als Lehrer gearbeitet und Softwareanwendungen unterrichtet. Ich habe das gerne gemacht. Bis man der Meinung war, dass man genug ausgebildet hat. Diesmal bekam ich keine Kündigung. Ich war freischaffender Dozent und wurde einfach nicht mehr gebraucht.
Der Bergrat Borlach hat in diesem Pumpwerk Wasser von der Saale zum Gradierwerk befördert.
Oh diesmal hatte ich mehr zu knaupeln an der Situation. Sie veränderte viel, brachte finanzielle Verluste mit sich und krempelte mein Leben so richtig um. Einmal habe ich gedacht, ich schaffe das alles nicht mehr. Dann traf ich Schafe und zwei total verlotterte Hütehunde. Sie weckten die Lebensgeister wieder und bescherten mir zwei wunderbare Jahre. Ich wusste wieder, was ich brauche und was nicht und wie ich sein und leben wollte. Nebenher wurde ich zur „Kräuter- und Wolltante“.
Jetzt aber ist alles anders. Ich habe das Gefühl, dass es nicht alleine von mir anhängt, wie diese Pandemie und Krise ausgeht. Das macht mir Angst. Aufgeben, wie damals vor der Zeit mit den Schafen, will ich nicht. Kräuter- und Wolltante bin ich immer noch und ich habe meinen Rechner „neu entdeckt“.
In einem Gespräch mit meiner Tochter sagte ich einfach mal so daher: „Eigentlich hab ich ja jetzt Zeit in der Krise. Da könnte ich doch einen Roman schreiben.“ Sie: „Na, mach es doch. Schreiben kannst du doch.“ Ich: „Nee, ich hab dieses Ratgeber-Buch gelesen und jenes und bekomme das nicht zusammen, wo es los geht und wo es hin soll.“ Sie: „Das ist dein Problem: Du liest Anleitungen ohne Ende und denkst ständig darüber nach anstatt einfach los zu schreiben. Mach es. Danach fängst du erstmal an mit Selbstlektorat an und nimmst dir dafür viel Zeit. Und dann sehen wir weiter.“ Töchterchen, du hast Recht. Ein Roman wird es bestimmt nicht, aber schreiben werde ich.
Der Dom in Naumburg
In der Krise jetzt, in Pandemiezeiten, sind Freundschaften zerbrochen. Oder waren es gar keine? Jeder hockt in seiner Blase und wehe, man stimmt den Meinungen nicht immer zu oder stört den alpha-Menschen in der Blase beim Denken. Ich finde so etwas schade, weil der, der „abrauscht“ auch gleich noch einige mitnimmt. Aber was soll’s. Meine Freundinnen, aus Leipzig und aus der Elsteraue, und ich sagen uns auch mal Dinge, die nicht unbedingt zustimmend sind. Aber, wir wollen für einander da sein und da ist das nötig. Vielleicht halten diese Freundschaften genau deshalb schon über viele Jahre.
Ab Montag haben wir in Sachsen wahrscheinlich einen harten Lockdown. Ich finde es zu spät, aber diese Notbremse dennoch gut. Zu tun habe ich genug und verziehe mich gleich wieder hinter meinen Monitor.
Die Geschichte der kleinen Elli (Name geändert) ging mir gerade jetzt wieder im Kopf herum. Warum weiß ich nicht genau. Vielleicht, weil ich mir wünsche, dass immer jemand da ist, wenn man das Gefühl hat, unlösbare und unüberwindbare Probleme vor sich her zu schieben. Jemand soll einfach da sein, zuhören und trösten. Das würde viel Schlaflosigkeit verhindern.
Meine Arbeit im Schulhort änderte sich nach der Wende stark. Hausaufgaben konnten gemacht werden, mussten aber nicht. Die Hortner kontrollierten nicht mehr auf Richtigkeit, mussten nicht mehr helfen. Ich fand das nicht gut, denn manche Eltern waren nach einem anstrengenden Tag dazu nicht mehr in der Lage. Die Kinder am Abend auch nicht. Manchen war das aber auch Wurst oder sie waren mit ihren eigenen Problemen beschäftigt.
Zumindest für die erste Klasse hatten wir beschlossen, weiter Hausaufgaben mit den Kindern zu machen. Auch den Mittagsschlaf behielten wir bei. Meine anvertrautenKinder schliefen jeden Tag tief und fest, natürlich nicht ohne eine Geschichte gehört oder vorgelesen bekommen zu haben. Schule und stille Sitzen waren halt anstrengend. Geweckt habe ich mit leiser Musik und ein bisschen Zeit. Dann war das Wachwerden nicht so heftig.
Elli schlief sonst immer, aber mir fiel auf, dass sie neuerdings auf ihrer Liege lag wie angewurzelt und an die Zimmerdecke schaute. Die ganze Woche ging das so. Ich setzte mich dann an ihre Liege und fragte sie, was denn los sei. Mit traurigen Augen schaute sie mich an und flüsterte dann: „Der Papa ist ausgezogen. Und er hat unseren Teppich geklaut, sagt die Mama.“
Oh, daher also die Schlaflosigkeit. Elli musste mit der Trennung der Eltern fertig werden und mit dem Zorn der Mama obendrein. Wir haben dann geredet, dass Kinder sich ja auch mal zanken. Oh ja, das kannte Elli. Naja und bei den Großen ist es eben auch manchmal so. Und dann ziehen sie auseinander, damit der Streit aufhört. Das, was sie haben, das teilen sie. Und er Papa hat den Teppich bekommen. „Aber, warum sagt die Mama sowas?“ „Sie hat sich sicherlich sehr geärgert. Sieh es ihr nach, Elli, leicht hat sie es jetzt auch nicht“
Ich nahm Elli dann in den Arm und strich ihr über den Kopf. „Weißt du was, Elli? Wenn du wieder ganz traurig bist, dann reden wir.“ Ich weiß nicht, ob Elli das noch hörte. Sie war eingeschlafen. Die Schlaflosigkeit war für sie vorbei.
Schlafender Verwandter – meine Zeichnung vor einiger Zeit
Am Nachmittag fragte Elli, ob sie dem Papa ein Bild malen darf. Na klar durfte sie. Der Weg zum Spielplatz führte an seiner neuen Wohnung vorbei und Elli steckte ihm das Bild in den Briefkasten. Einmal im Monat durfte der Papa Elli aus dem Hort abholen. Er kam auf mich zu, gab mir die Hand und sagte leise: „Danke.“ Nur dieses eine Wort. Ich nickte. Wir hatten uns verstanden.
Wenig später erreichte uns eine neue Verordnung. Wir sollten keinerlei Körperkontakt zu den Kindern haben. Das alles könnte als sexuelle Handlung ausgelegt werden. Was lief bloß schief? Für mich war es selbstverständlich, die Kinder zu trösten, wenn sie hin gefallen waren. Das größte Lob für mich war, wenn die Kinder mich an der Hand nahmen und aufgeregt sagten: „Mutti, Mutti, komm mal mit. Wir müssen dir was zeigen.“ Elli hatte keine Probleme mehr mit Schlaflosigkeit. Und ganz ehrlich, ich würde das immer wieder so machen. Kinder brauchen unsere Obhut, aber keine falsch verstandene.
Man kann ohne Liebe Holz hacken, Ziegel formen, Eisen schmieden. Aber man kann nicht ohne Liebe mit Menschen umgehen. (Leo Tolstoi)
Darüber hatte ich schon mal geschrieben. Ein kleiner Junge war bei mir zu Besuch. Ganz unvermittelt sagte er plötzlich leise: „Ich bin talentfrei, ideenlos und unkreativ.“ Ich: „Wie kommst du denn da drauf?“ Er: „Das hat man mir so gesagt
Ich habe nicht erfahren können, wer das zu ihm gesagt hat, war aber erschüttert, was ein Satz, vielleicht nur gedankenlos daher geplappert, bewirken kann. Mir tut so etwas körperlich weh. Und weil das so ist, bemühe ich mich darum zwar bestimmt, aber freundlich zu sein. Ich mag keine poltrige Sprache, Beleidigungen, stures Beharren auf einem einmal als richtig befundenem Standpunkt, Überheblichkeiten.
Manchmal wird Freundlichkeit als „Schwäche“ ausgelegt. In einem sogenannten „Seminar für Führungskräfte“ sagte jemand zu mir, ich sei ein „Sozialschlaffi“. Warum? Weil ich so viel Verständnis für jeden und alles habe. Ach, ja, alles ist besser als ein emotionaler Eisklotz zu sein. (Mir lag jetzt noch ein anderes Wort auf der Zunge, aber das wäre nun gerade in diesem Beitrag gar nicht gut.)
Ich mache, sage, schreibe nicht immer alles richtig und manchmal platzt mir auch die Hutschnur. Dann gibt es eben einen neuen Ansatz mit ruhigeren Worten und auch mal mit einer Entschuldigung, wenn es dann doch hitzig wurde. Es ist selten, kann aber auch vorkommen, dass ich die Tür zumache. Ich muss nicht alles ertragen.
Es geht durchaus, andere nicht bloß zu stellen oder belehren zu wollen, wann immer sich eine Gelegenheit ergibt. So etwas mag ich einfach nicht. Nachfragen „Wie hast du denn das gemeint?“, ist nicht das Schlechteste, bevor losgepoltert wird. Es gibt ja noch die weniger öffentlichen Kommunikationswege. Jemanden verletzen geht schnell, auch wenn man nicht mit der betroffenen Person redet, sondern über sie.
Wieder hat sich eine gute Bekannte aus den sozialen Medien verabschiedet. Ein Grund, warum ich bei fb (die Abkürzung lasse ich so stehen, aus Gründen) bleibe ist, dass ich dort auch ganz wunderbare Menschen getroffen habe und gerne bei und von ihnen lese. Ein Beispiel?
Tollabea ist Bloggerin. Ich lese im Blog bei ihr, aber auch ihre Beiträge bei fb. Die Methode von Frau Kopf, wie sie mit Fehlern umgeht, finde ich Klasse. Und dann ist es, als wäre nichts gewesen. Gut so. Ich persönlich zehre immer noch von einem Erlebnis aus der Schule, als ein Mädchen aus der ersten Klasse mich an der Hand nahm und rief: „Mutti, Mutti, komm mal mit! Ich muss dir etwas zeigen.“ Ob sich das Mädchen noch an mich erinnert?
Wie Frau Köpfchen zu diesem Namen kam, schreibt die Bloggerin Tollabea in einem Interview mit Ivonne Kopf, einer über ihre Stadt hinaus bekannten Schulleiterin. Nachzulesen ist das auf Tollabeas Blog. Es lohnt sich.
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