Der Tod ist überall gegenwärtig

Egal wo man sich befindet, es gibt immer und überall Momente, w0 man fassungslos ist, um Worte und Erklärungen ringt. Am Tod eines kleinen Jungen, der auch noch der Freund meines Enkels war, überschattete an diesem Tag alles. Ich habe lange überlegt, ob ich dazu schreiben soll. Schließlich steht gerade jetzt bei uns ein langes Wochenende bevor und es ist Frühling, mit Blumen und schönen Aussichten.
Ich habe mich dann doch dazu entschlossen.

Ganz zeitig am Morgen bekam meine Tochter eine Nachricht von der Lehrerin des Enkels. Sein Freund M. war tot. Er wohnte mit seiner Familie an einer stark befahrenen Straße gleich um die Ecke. Die Oma holte M. an diesem Tag aus der Schule ab. Im Wagen saß auch noch der Bruder des kleinen Jungen. Als die Oma den Jungen aus dem Auto heben wollte, raste ein LKW mit überhöhter Geschwindigkeit bei Rot über die Ampel und krachte in das Auto der Familie. Der kleine Junge starb an der Unglücksstelle, Oma und Bruder brachte man ins Krankenhaus.

Tod und Trauer - gesehen in der Mission Los Angeles
Trauer – gesehen in der Mission Los Angelas

Ich war geschockt. Die ganzen Tage hatte ich nur Freude erlebt und nun das. Mir fehlten die Worte.
Meine Tochter hat eine Zeitlang als Trauerbegleiter gearbeitet. Sie ist ja in einem Kriseninterventionsteam tätig. Jetzt musste sie dem Enkel erklären, warum sein Freund nicht mehr kommen wird, nie wieder. Was wird sie ihm sagen?

„Auf alle Fälle die Wahrheit. Kinder haben ein Recht darauf.“
Sie erzählte mir, dass ein kleines Mädchen in dem Krankenhaus, in dem ihre Mutter an Krebs verstorben war, von einem Arzt zum anderen ging und flehte, dass man ihr helfen sollte in den Himmel zu kommen. Ihre Mutti ist da, hatte man ihr gesagt und sie will zu ihrer Mama.“

Ein anderes Kind konnte plötzlich nicht mehr schlafen und wenn, dann nässte es ein. Man hatte ihm erzählt, dass die Mutti verreist sei. Als sie nicht wieder kam, fragte sich das Kind, was es falsch gemacht hatte, dass die Mutti weggegangen war. Einfach so hatte sie ihr Kind verlassen?
Wenn es um den Tod geht, bedarf es schon einer Erklärung. Und wenn man die nicht geben kann, dann sollte man sich Hilfe holen.

Der Tod gehört zum Leben dazu, so wie die Jahreszeiten, die eine Phase beenden und eine neue bringen.
Kinder brauchen Sicherheit und Schutz. Das heißt aber gerade nicht, dass man sie von allem fernhalten soll. Aber ein Satz dazu reicht eben auch nicht.

Ich habe nicht alles gehört, was meine Tochter dem Enkel erzählt hat, habe die beiden in ihrer Trauer dann alleine gelassen. Es gab wegen des Todes des kleinen Jungen Tränen, ja, und große Traurigkeit über den Tag hinweg, aber auch immer Umarmungen und Festhalten, wenn der Enkel das wünschte.

Als wir mal am Haus des Jungen vorbei kamen, standen viele Kerzen vor der Tür. Kuscheltiere und viele Blumen brachten Nachbarn, Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen. Niemand wendete sich verschämt ab und ließ die Trauernden alleine. Ich habe jetzt eine ganz andere Sicht, wenn ich solche Bilder sehe.
Auch gab es eine Spendenaktion, damit die Eltern wenigstens die finanziellen Belastungen nach dem Tod ihres Kindes nicht alleine tragen müssen.

Hier fand die Trauerfeier nach dem Tod des kleinen M. statt
Wir waren an einem anderen Tag hier, aber in dieser Kirche fand die Trauerfeier statt.

Ich hatte großen Respekt vor dieser Anteilnahme. Immer mal wieder ging mir allerdings die Frage durch den Kopf, wie ich mit meinen Kindern nach solch schmerzhaftem Verlust geredet hätte. Hätte ich die richtigen Worte gefunden? Wie hätte ich getröstet? Ich glaube, der Tod sollte heraus aus der Tabuzone. Schweigen und Abwenden hilft niemand.

Der Tod ist gewiss – die Stunde nicht. Eine Software will das ändern.

Menschenskinder, schwere Kost vor dem Wochenende. Ich musste das aber los werden und darüber schreiben.

Wenn ein Mensch stirbt ändert sich manchmal von einem Tag auf den anderen alles. Nicht nur der Verlust des geliebten Menschen ist zu beklagen, sondern auch das gewohnte Leben mit seinem Standart geht oft verloren. Man sollte sich besser auf den Tod vorbereiten können, meinten die Entwickler der kanadischen Software „Elder Live Calculator“.

Leipziger Rathaus am Abend
das Leipziger Rathaus am Abend

Was hat Leipziger Rathaus damit zu tun?
An diesem Rathaus, hier auf dem Bild nicht zu sehen weil auf der rechten Seite, gibt es eine Rathausuhr. Oben an der Uhr steht: Mors certa – Hora incerta. Der Tod ist gewiss, die Stunde nicht. Das sollte auch so bleiben, finde ich.

Die oben genannte Software soll den Zeitpunkt errechnen, wenn einen der Tod ereilt. Natürlich erst, nachdem allerlei Angaben zum Leben eines Menschen, sein Alter, seine Vorerkrankungen, Geschlecht, Bildungsabschluss und einiges mehr eingespeist wurden. Dann rödelt der Allgorthmus los und erreichnet ein Ergebnis bis auf einen Monat genau.

Familie und Pflegedienste wären so besser planbar, sagt man. Eine Krankenkasse könnte aber auch zu der Entscheidung kommen, dass sich die teure Therapie nicht mehr lohnt. Oder eine Versicherung kündigt schnell noch alle Versicherungen. Wirtschaftlichkeit steht da im Vordergrund. Und das verursacht mir Bauchgrimmen.

Ja, über den Tod muss man reden, auch in den Familien. Aber gleichzeitig sollte man jede lebenswerte Minute mit seinen Angehörigen nutzen. Ich finde diese Software einfach nur unmenschlich. Manchmal mache ich Witze darüber, was ich noch kurz vor dem Ableben für Blödsinn machen würde. Aber wisst ihr was? Ich will weder die Stunde wissen, noch den Monat. Auf einem Pulverfass zu sitzen finde ich nicht zumutbar.

Meine Informationen habe ich übrigens von „netzpolitik.org“. Ich lese dort regelmäßig, habe auch den Newsletter abboniert, weil ich schon wissen will, was sich in der digitalen Welt so tut.

Von der Rathausuhr hatte ich kein ordentliches Foto, deshalb habe ich mal fix eine Zeichnung gemacht. Nein, ein Kunstwerk ist es nicht, aber so ähnlich sieht sie aus, die Uhr mit ihrem Spruch.
Hora incerta – ja so sollte es für mich bleiben.

Dar Tod ist gewiss - die Stunde nicht. (Leipziger Rathausuhr.)