Ein Jahr geht zu Ende

Weihnachten ist vorbei. Es war sehr schön mit meinen Kindern. Meine Tochter ist schon lange wieder an der Nordsee und mein Sohn reist morgen ab. Dann wird es wieder still bei uns und ich freue mich schon auf das nächste Mal im nächsten Jahr.
Noch einige Tag, dann ist das Jahr zu Ende.

Winterhimmel. Ein Jahr geht zu Ende
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Ich probier’s mal mit Gemütlichkeit.

Auch bei uns liegt jetzt ein bisschen Schnee. Der Wacholder vor dem Balkon hat ein Schneemützchen bekommen. Als es noch warm war, hat mir Herr E. einige Spitzen von dem Wacholder vor dem Haus mitgebracht. Die habe ich getrocknet und in ein Gläschen gefüllt. Und genau die Wacholderspitzen brauchte ich jetzt dringend für ein bisschen Gemütlichkeit. Mir ging es nicht gut.

der Wacholder vor dem Haus wird efür ein bisschen Gemütlichkeit sorgen.
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Kein gewöhnlicher Tag oder was wäre wenn?

Es hatte einer sein können, ein gewöhnlicher Tag. Er ist es aber nicht, ganau wie die Tage davor. Ich kann meine Ruhe nicht mehr finden.
Die Abende sind wieder länger und ich habe meine Wollkiste aufgemacht. Solche Arbeiten zu Hause haben mir immer geholfen, mich zu beruhigen und klarer zu denken. Nein, diesmal klappte das nur bedingt.

die Spule ist voll
Wolle vom Gotland-Pelzschaf – die Spule ist voll

Ich kann mich noch erinnern, wie es war als junge Mutter, als mein erstes Kindchen zum ersten Mal krank wurde. Es hatte Fieber, glühte förmlich. Voller Panik packte ich es in den Kinderwagen und rannte im Dauerlauf durch den Leipziger Osten in die Kinderklinik der Uni. Ich glaube, ich kam in einem erbarmungswürdigen Zustand da an. Meinem Kindchen wurde sofort geholfen und mir damit natürlich auch.

Wie wäre es aber gewesen, wenn man mir gesagt hätte, dass man meinem Kind nicht helfen kann, weil es keine Medikamente gibt?

Wollarbeiten. Es ist kein gewöhnlicher Tag mehr
Die weiße Wolle hab ich geschenkt bekommen, gesponnen und verzwirne die beiden jetzt.

Wenn eines meiner Kinder mal keinen Appetit hatte, begann ich mir Sorgen zu machen. Was aber, wenn sie vor Hunger geweint und geschrien hätten, weil ich ihnen nichts hätte geben können? Was wäre, wenn ich nicht mal Wasser gehabt hätte für den größten Durst und um sie zu säubern?

Weiches selbstgesponnenes Garn. Ich werde mit Weben anfangen.

Vor einigen Tagen gab es in Afghanistan wieder ein schweres Erdbeben. Mehr als 90 Prozent der Todesopfer waren Frauen und Kinder, wie das UN-Kinderhilfswerk UNICEF mitteilte. Nach UN-Angaben waren insgesamt mehr als 12.000 Menschen von den Beben betroffen. Nehmen wir das bei aller Kriegsberichterstattung überhaupt noch zur Kenntnis? Und hätten wir nicht dort genug zu tun, um auch den Menschen zu helfen? Ein Stücke weiter wird eine ganze Region zusammengebombt.

Versteht mich bitte richtig: Jeder hat das Recht, sich zu verteidigen, aber keiner hat das Recht, unschuldige Menschen zu töten. Und es soll mir bloß keiner kommen mit den Sprüchen, dass man die Zivilbevölkerung verschonen will. Für dieses Ansinnen ist es in jedem Krieg zu spät.

Diese Tätigkeit sprach bisher immer für einen ganz gewöhnlichen Tag.
Diese Tätigkeit sprach bisher immer für einen ganz gewöhnlichen Tag.

Meine Gefühle im Moment kann ich kaum beschreiben. Ich bin traurig, weine. Und manchmal verliere ich den Glauben an das Gute.
Und dann wieder rede ich mit meinen Nachbarn, mache das Körbchen vom Gastkater winterfest, erzähle Geschichten und höre zu, verschenke Kräuter, … Die kleine Welt, um mich herum, möchte ich bewahren.

Aber ganz ehrlich: Ein ganz gewöhnlicher Tag wird es einfach nicht.

Nachtrag:

Ich habe drei Kommentare von einem Menschen gerade gelöscht. Wir sind viele Menschen auf der Erde und so gibt s auch viele Meinungen. Manche kann ich mir nicht annehmen. Dann ist es eben so. Man kann sich trotzdem respektieren, denn es gibt ja noch viele andere Dinge, die man durchaus gemeinsam hat.
Beschimpfen und beleidigen lasse ich mich aber nicht. Und schon gar nicht, wenn ich gegen Gewalt, Waffen und Kriege bin, sondern für Frieden, Abrüstung und Diplomatie.

Wärme schaffen und Reformationsbrötchen backen

Wenn meine Freundin kommt und meint sie muss mir was Gutes tun und mich zum Essen einladen, dann lehne ich das meist ab. Ich bin nicht die, die auf gepflegte Gastronomie großen Wert legt und sich dort besonders wohl fühlt. Das war schon immer so. Zu Hause freue ich mich über meine Linsensuppe, die Gemüsetöpfe aller Art und auch mal über Quarkkeulchen. Joghurt mache ich selber und auch das Brot. Gestern war es uns nun danach, Reformationsbrötchen zu backen. Wir hatten viel Spaß dabei und das Gebackene schmeckte dann zum Kaffee besonders gut.

wir backen Reformationsbrötchen

Immer um diese Zeit gibt es hier in der Gegend dieses besonderes Gebäck, die Reformationsbrötchen. Beim Bäcker war mir aber der Appetit vergangen als ich den Preis dafür sah. Alle Zutaten hatte ich zu Hause, also beschloss ich, ab jetzt selber Hand anzulegen.

Ehe jetzt wieder irgendein Zeigefinger hochgeht: Ich weiß, dass die Reformationsbrötchen der Lutherrose nachempfunden sind, dem Siegel Luthers. Sie hat fünf Blütenblätter. Wir haben nur vier gemacht. Auch die beim Bäcker waren so, wahrscheinlich, weil es so einfacher ist mit der Herstellung.

das nächste Mal bekommt mein Reformationsbrötchen vielleicht auch seine fünf Blütenblätter
das nächste Mal bekommt mein Reformationsbrötchen vielleicht auch seine fünf Blütenblätter

Die Reformationsbrötchen bestehen aus leichten und fettarmen Teig, Stollenteig nicht unähnlich. Es ist also kein Hexenwerk, die Brötchen herzustellen. Kaufen werde ich nie wieder welche und zu dem momentanen Preisen gleich gar nicht. Irgendwie muss ich schon wichten, sonst komme ich nicht mehr zurecht.
Warm war es geworden durch unsere Backerei, Spaß hatten wir auch und schließlich etwas Gutes zum Kaffee. Mehr brauchte es nicht.

Mir geht es gut. Da gibt es nichts zu meckern. Ich denke auch, dass ich mein „Krisenmenagement“ annehmbar bewältige. Mir geht es nur nicht gut, wenn ich daran denke, dass es viele Menschen gibt, die ohne Strom, Wasser und Nahrung, notwendige Medikamente und ohne ein Zuhause leben müssen. Ich hoffe sehr, dass alle Entscheidungsträger einen klaren Kopf behalten und sich dafür einsetzen, dass Leben erhalten wird und nicht vernichtet. Ich glaube fest daran, dass es dann friedlicher werden kann.

Das sind die letzten Dahlien aus dem Garten. Wenn die Knollen der Pflanzen ausgebuddelt und eingelagert sind, dann ist bei uns die Gartensaison vorbei. Noch ein bisschen Winterfestmachung ist nötig und dann halt nur noch das Vögelfüttern. Herr E. wird wohl nun immer alleine in den Garten fahren für den Rest des Jahres.

die letzten Dahlien - jetzt ist wirklich Herbst

Der Sandsack auf den Schultern

„Stell dir vor, dass alle Menschen ihr Leben in Frieden leben. Du wirst sagen ich bin ein Träumer, aber ich bin nicht der Einzige. Ich hoffe, dass du dich uns eines Tages anschließt und die Welt wird Eins sein.“ 
(John Lennon)

So komme ich mir manchmal vor, mit einem Sandsack auf den Schultern, der sich schwer trägt.
Da, wo Hitze und Trockenheit nicht den Wald anzünden, sorgen Menschen für Brände. Wo nicht Erdbeben Häuser zerstören, bomben Menschen sie weg.
Es ist an so vielen Stellen der Erde Krieg und er ist verdammt nahe gekommen. Krieg, das ist nicht einfach eine Computersimulation, es ist Hunger, Elend, Siechtum, Tod. Und jeder, der einen Krieg anzettelt, schickt Menschen genau dahin, in den Tod. Da ist nichts mehr rückgängig zu machen.

Ich bin meinem Vater heute noch dankbar, dass er über seine Erlebnisse im zweiten Weltkrieg gesprochen hat. Viele konnten das nicht, haben geschwiegen. Mein Vater wollte am Anfang, gerade 18 Jahre alt geworden, ein Held sein und es endete so wenig heldenhaft. Alles Menschliche fällt weg im Krieg. Es fiel ihm schwer, darüber zu reden, aber auf mich hat das, was er zu erzählen hatte, letztendlich mehr Eindruck gemacht als jedes Geschichtsbuch. Ich habe ihm versprochen, dass ich meine Kinder nicht für Kriege hergebe, für keinen Grund der Welt. Es gibt keine gerechten Kriege. Und es gibt an keinem Ort der Welt eine Rechtfertigung, Kinder, ihre Mütter und Väter, Schulen, Krankenhäuser und anderes weg zu bomben.

Ich werde nicht schweigen. Ich träume davon, dass aus Schwertern wirklich Pflugscharen werden. Und ich weiß, dass Kriege durch Machtstreben und Gier entstehen. Nein, es ist nicht ein Ausrutscher eines „Nieselpriems“, wie immer er auch heißen mag. Es stehen knallharte Interessen ganzer Gruppe dahinter, denen es völlig egal ist, was mit den einzelnen Menschen geschieht. Hauptsache, es klingelt in ihrem Säckel. Das meiste Geld lässt sich in der Rüstung verdienen und am besten, wenn das Zeuchs auch noch verballert wird. Um Investoren muss man sich da gerade nicht sorgen. (Das kann man nachlesen in Börsenberichten.) Ein Spielwarenhersteller in Eisleben, der Stahlmöbel für Schulen herstellt, schließt. Ja, klar, wer braucht denn so was?

Noch mehr Waffen verhindern keine Kriege. Man sieht es ja.
Im Moment habe ich den Eindruck, dass alles völlig ungehemmt aus dem Ruder läuft. Vor morgen graut es mir.Ich habe Angst.

Vor einigen Tagen habe ich ein unveröffentliches Lied von 1981 von „Zupfgeigenhansel“ gefunden. Bei öffentlichen Auftritten bei Friedensveranstaltungen haben sie es gesungen. Als ich es hörte, kamen mir die Tränen. Manchmal fühle ich mich so schrecklich hilflos.
Ich wünsche mir solche Veranstaltungen wieder, nicht nur in meinem Land. Und ich wünsche mir, dass wir wieder mehr miteinander reden, unaufgeregt und ehrlich. Und das wir uns achten und akzeptieren, auch wenn wir nicht immer 100 %ig einer Meinung sind.

Den Sandsack auf den Schultern würde ich so gerne wieder los werden.

Hier kann man sich das Lied von Zupfgeigenhansel anhören.

„Mama sagt, dumm ist der, der Dummes tut.“ (Forrest Gump)

Stupid is as stupid does.

Eigentlich wollte ich heute über meine Kräutertinkturen schreiben, aber „ist der Plan auch gut gelungen, verträgt er doch noch Änderungen“.
Mir war gestern Abend so, wie einen Film sehen zu wollen. Herr E. las auf dem Balkon und ich musste nicht verhandeln über einen Film. Ich hatte mich für „Forrest Gump“entschieden. Der Spruch von Gumps Mutter: „Dumm ist der, der Dummes tut.“ ging mir danach nicht wieder aus dem Sinn.

Ich weiß nicht, wie oft ich den Film schon gesehen hatte; mindestens aber drei Mal, mit jedem meiner Kinder. Das war mir wichtig.
Und nun also auch wieder gestern Abend. Der Film berührt mich jedesmal aufs Neue, weil er von so viel Liebe und Menschlichkeit erzählt und von einem Menschen, der in jeder Situation seines Lebens zurecht kommt und seinen Weg findet. Auf seine Weise. Und so ganz nebenbei bekommt man noch eine kleine Lektion in amerikanischer Geschichte. Forrest wird oft verlacht und als dumm bezeichnet. Und dann kontert er immer mit dem Spruch aus der Überschrift: Dumm ist der, der Dummes tut.

Forrest sagte auch: „Meine Mama erklärt mir immer alles so, dass auch ich es verstehe.“ Das versetzte mir einen Stich, weil ich mich vor Jahren viel damit beschäftigt hatte, wie man lernen und wie viel Freude das machen kann. (Dann wurde ich nicht mehr gebraucht.)
Im Schulhort war für mich nicht der Gehaltsscheck das Größte, sondern wenn mich ein Kind aufgeregt an der Hand nahm und sagte: „Mutti, Mutti, komm mal mit. Ich muss dir etwas zeigen.“

Ich mag das Wort „dumm“ nicht. Es ist so ohne Inhalt und eigentlich nur abwertend. Da ist vielleicht jemand langsamer im Denken oder hat durch seine persönliche Entwicklung eine andere Denkweise. Aber dumm? Nein. Manche Auseinandersetzung und manche Wortwahl tun mir weh. Poltergesellen betonen immer wieder, dass sie ja nur ehrlich seien. Das bin ich auch, aber meine Worte werde ich mir noch mehr überlegen als bisher. Und mit Friede-Freude-Eierkuchen hat das so gar nichts zu tun.

Menschen, die mir guttun

Nein, ganz jung bin ich nicht mehr. Jetzt fiel mir mal ein, dass ich mich im Laufe meines Lebens mit doch einer ganzen Menge Menschen umgeben habe. Das lag an meinem Beruf, aber auch so bin ich recht kontaktfreudig. Da haben sich einige Bekanntschaften angesammelt und nicht alle konnten mir guttun. Über letztere will ich nicht schreiben. Ich lasse sie einfach außen vor, wie im Leben halt auch.

Was aber sind das für Menschen, die mir guttun?
Es ist keine Frage der Zeit, wie lange ich die Menschen kenne. Manche begleiten mich schon ein ganzes Leben lang; anderen bin ich viel später erst begegnet. Die Länge der Verbindung scheint überhaupt keine Rolle zu spielen. Manche Beziehungen tun mir von Anfang an gut, während andere mich irgendwie ausgelaugt und ein bisschen hilflos zurücklassen.

  • Ich merke das schon an der Körperhaltung. Bin ich angespannt oder entspannt? 
  • Habe ich einen Stock verschluckt, oder kann sich mein Körper fallen lassen? 
  • Kann ich ungezwungen reden? 
  • Bin ich bereit, mich dem anderen Menschen zu öffnen, vielleicht, weil er es mir gegenüber auch tut? 
  • Werden meine Grenzen akzeptiert? Oder muss ich mich dauernd rechtfertigen?
  • Fragt auch mal jemand nach oder erinnert sich jemand an Dinge, die mir wichtig sind und zeigt so, dass ich ihm wichtig bin?
  • Fühlt sich alles leicht und unbeschwert an, wenn ich mit dem Menschen zusammen war?

Wenn vieles mit „JA“ beantwortet werden kann, dann habe ich Menschen getroffen, die mir guttun. Und von Zweien will ich heute schreiben.

Der erste Mensch ist mein Physiotherapeut.
Ach, ich bin schon einigen begegnet, war aber immer froh, wenn die Behandlungszeit um war. Jetzt ist das anders. Er weiß viel, erklärt mir alles gut und wenn ich wieder mit viel Motivation nach Hause gehe, dann ist alles ein bisschen leichter und die Schmerzen sind weniger. Ich habe Vertrauen und das ist gut so, denn ich kann meinen Körper wieder ein bisschen mehr leiden als früher. Was das Rheuma „geschrettert“ hat wird nicht wieder heile, aber anderes kann ich hegen und pflegen, und erkunden, was ich mir zutrauen kann und was nicht. Ich muss immer mein bester Therapeut sein, sagt er.

Vielleicht hat sich der eine oder andere schon gefragt, was die Vögel im Beitragsbild sollen, wo es doch laut Überschrift um Menschen gehen soll.

eine von den Menschen, die mir guttun
eine von den Menschen, die mir guttun

Die Vögel sind die Schützlinge einer Nachbarin von zwei Häusern weiter, die mir einen gute Freundin geworden ist. Jeden Tag schafft sie den Vögeln Futter raus und bringt ihnen Wasser. Sie pflegt „ihr Gärtchen“ und karrt mit ihrem Rollstuhl Blumenerde an. Eine unglaublich starke und lebensfreudige Frau ist sie. Und mir hat sie beigebracht, dass man manchmal schon Unsicherheiten haen darf im Umgang mit der eigenen Behinderung, auch mal Wut auf sich hat oder sich selber nicht leiden kann. Nur ein Dauerzustand darf es nicht werden. Man lernt es, damit umzugehen und das nicht zuzulassen. Sie hat mir sehr geholfen.

Nein, über Krankheiten reden wir nicht andauernd. Sie ist ein Mensch, mit dem man sich über so vieles austauschen kann. An einem Hobby hält sie eisern fest, dem Nähen. Das ist nicht gerade einfach, wenn man sich nur auf seine Hände verlassen kann.
Egal, was noch passiert, es gibt Menschen in meinem Umfeld, die mir guttun, die wichtig sind und die mit ihrer Art, ihrem Wissen und Können dafür sorgen, dass mein Kopf immer schön oben bleibt. Und ich lege jetzt noch mehr Wert darauf, ein bissel Wärme und Freundlichkeit weiter zu geben. Das tut nicht weh.

Ums Mutter sein.

– ganz persönliche Gedanken in einem Nachtrag-

Muttertag spielte zu DDR-Zeiten bei mir keine Rolle. Erst als ich Hernn E. kennenlernte bekam ich das mit. Seine Eltern wohnten in Stuttgart und viel konnte er nicht tun für sie. Und so schickte er seiner Mutter zum Muttertag immer Blumen über Fleurop.

Den Internationalen Frauentag, ja, den zelebrierte man, halbherzig wie ich immer fand. Es wurde ein Blümchen verschenkt, Hände geschüttelt, zum Kaffee geladen. Versteht mich Recht, ich finde Frauenrechte wichtig und das auch überll auf der Welt, aber ich fand das damals immer sehr aufgesetzt. Der Chef der Forschungsgruppe zu Frauenrechten an meiner Hochschule gab zu Hause und auch so gerne den Pascha. Das war ein Grund, warum ich mich mit dieser Gruppe nicht anfreunden konnte.

Es war nicht alles in Ordnung, aber Frauenrechte waren damals und hier gesetzlich verankert. Um Schwangerschaftsurlaub, Mutterschutz, medizinische Betreuung, Urlaub und Ferienbetreuung der Kinder, die Kinderbetreuung überhaupt, musste ich mich nicht sorgen. Existenzängste kannte ich nicht, nicht die Angst um den Arbeitsplatz oder dass ich meine Miete oder meine Stromrechnung nicht mehr bezahlen könnte.

Viele Frauen waren berufstätig und ja, auch Mutter. Sie wollten das auch und sie waren aufgeschlossen und selbstbewusst. Ich weiß nicht, ob der Muttertag eine Rolle spielte.
Heute entscheiden sich immer mehr Frauen, die im Beruf eine Berufung gefunden haben, gegen eigene Kinder. Die Unsicherheit ist groß, die Belastungen auch, die Unterstützungen mangelhaft.
Ehrlich, wenn Mann und Frau für gleiche Arbeit unterschiedlich bezahlt werden, wer bleibt dann wohl zu Hause zur Pflege und Betreunug der Kinder?

Meine drei Kinder wollte ich haben. Und als sie da waren, wollte ich ihnen eine gute Mutter sein. War das Knie aufgeschlagen, gab es Trost und Pflaster, genauso später beim ersten Liebeskummer oder wenn es Zoff in der Schule gab. Am Küchertisch wurde immer viel gebastelt und gemalt. Blumen bekam ich auch oft: Gänseblümchen, Löwenzahn, Hirtentäschel. Ich habe die Sträuße immer in die Vase gestellt.
Wir haben uns viel geschenkt, nein, nichts was viel kostete. Wertvoll war es aber immer. So haben wir das beibehalten.

Am Sonntag war nun Muttertag. Alle drei Kinder haben angerufen, mein Sohn aus dem Ausland, wo er gerade ist. „Ich hoffe, du weißt, dass wir nicht nur anrufen, weil gerade Muttertag ist?“, fragte er. Na klar, weiß ich das. Wir haben immer einen engen Kontakt.

Gefreut habe ich mich trotzdem sehr, denn ich bin ja nun mal ihre Mutter und das war und bin ich gern. Auf das Mutter sein war ich allerdings nie reduziert. Ich war voll berufstätig und habe mich auch für Frauenrechte eingesetzt. Gegen den Muttertag wettern, gehörte nicht dazu.

Am Abend bekam ich dann noch ein Bild. Meine älteste Tochter und der Enkel haben gemalt und geklebt. Es kommt immer später, denn wenn bei uns der Tag anfängt, ist am anderen Ende der Welt noch gestern. (Aussage der Tochter.)
Ich zeige das Bild jetzt mal und lasse das einfach so stehen.

Das leere Blatt Papier

Leerräume sind ja wichtig, sind Gestaltungselement, wie in der Typographie zum Beispiel. Bedenklich wird es, wenn es nur ein leeres Blatt Papier bleibt. Das könnte aber auch für Gedankenleere stehen oder die Unlust, einfach mit einem Projekt anzufangen.

Mir ging das jetzt so. Ich war ein ganzes Weilchen unlustig. Damit, wie sich die Welt verändert und mein Land und auch die Menschen darin, komme ich nicht klar. Wenn wieder mal etwas gerade den Bach hinunter geht, etwas an Werten und auch einst Geschaffenem, empfinde ich das fast als Ohrfeige. Ich weiß nicht, was ich tun kann und mir fehlen meine Eltern und Großeltern, die mit solchen Situationen öfter umgehen und zurecht kommen mussten.

unbenutzte Rohwolle ist auch wie ein leeres Blatt
Tja, ich müsste mal wieder!

Heute regnet es endlich mal wieder. Gut so, denn es war ja schon wieder reichlich trocken draußen. Die Kastanien im Innenhof, die roten und die weißen, fangen an zu blühen und die Vögel füttern die ersten Nachkommen schon am Futterplatz. Es ist eben schon Mai.

Stare habe ich auf der Fensterbank, eine Drossel und auch die Elster kommt zu mir hoch. Letztere habe ich immer nur auf der Wiese gesehen.
Ich hatte noch Futter-Knödel vom Winter, die keiner der Vögel so recht wollte.
Seit ich sie zerkrümele und anbiete, herrscht großer Andrang und die Dinger gehen ab wie warme Semmeln. Ja gut, aber hat das leere Blatt Papier mit dem allen zu tun?

Das leere Blatt Papier gibt es nun  auch nicht mehr. DAs Prpjekt kann beginnen.

Irgendwie schon. Jaja, ich habe mich vom Geschehen da draußen ablenken lassen, war manchmal sogar dankbar dafür. Ablenkung macht aber gar nichts, weil es mir hilft, die Gedanken zu sammeln und zu wichten. Und siehe da, das leere Blatt ist nicht mehr leer. Das, was wie eine lieblos dahergekritzelte Skizze aussieht, ist für mich der Anfang eines neuen Projektes. Ich kann es lesen und weiß, was ich zu tun habe.
Na dann mal los.

Schlafen geht das kleine Saxophon.

Jaja, die Geige auch noch.

Dieser Tage hatte ich in einem Blogbeitrag ein Video mit einem Song von Max Raabe verlinkt. Und weil es mir so gut gefiel, hörte ich mir dann noch viel mehr an von Max Raabe, zum Beispiel „Das Fräulein Gerda“. (Link zu Youtube)
An was erinnerte mich das bloß? Ich hörte ein Saxophon und mir wurde sowohl fröhlich, aber auch etwas beklommen zumute.

Zum Saxophon komme ich gleich. Zuerst suchte ich mal nach dem Ursprung des Liedes. Ich kannte das Lied, aber was ich dann über den Sänger und Songschreiber Peter Igelhoff las, fand ich interessant.

Igelhoff, 1904 in Österreich geboren, arbeitete von 1924 bis 1932 als Beamter in Wien, brach seine Beamtenlaufbahn ab und studierte an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien und London. In Berlin fing er an zu arbeiten als Unterhalter am Klavier.
(Auf der Suche nach meinem mulmigen Gefühl ging mir an dieser Stelle langsam ein kleines Licht auf.)

Igelhoff kennen bestimmt einige von euch, z.B. seine Lieder Tante Jutta aus KalkuttaDas NachtgespenstIn meiner Badewanne bin ich Kapitän und Der Onkel Doktor hat gesagt. Die beschwingte Musik und die leichten Texte kamen beim Publikum gut an, bei den Nationalsozialisten weniger. Igelhoffs Musik war zu amerikanisch. Er wurde von der Reichsmusikkammer  mit Auftrittsverbot belegt und musste 1942 an die Front einrücken.

Und schon nähere ich mich dem Saxophon und kann meine Gefühle nun deuten. Das kommt mir nicht unvertraut vor. Von Igelhoff kam ich zu der „zu amerikanischen Musik“, vornehmlich dem New Orleans Jazz, zu Juke Ellington zum Beispiel oder Louis Amstrong, Glen Miller und zu meinem Dad.

Mein Dad stammte aus gutbürgerlichem Hause, schmiss die höhere kaufmännische Schule und ging auch an eine Musikschule. Die Folge: Er wurde enterbt. Seinem Saxophon und den beiden Klarinetten blieb er treu.
Nach dem Krieg arbeitete mein Vater in einer Bigband. Nachts saß er am Radio und schrieb die Noten für jedes einzelne Instrument der Glenn Miller Bigband auf. Er erzählte mir, dass die Saxophone in diesem Orchester so hell klingen, weil immer eine Klarinette den Part mitspielt.

Mein Vater erzählte mir aber auch, dass von der Lebensmittelkarte, die er als Musiker bekam, keine Familie satt wurde. Der Trompeter fiel mal vor Hunger vom Stuhl. Und als der Orchesterleiter sich mit der Kasse nach dem Westen absetzte, gab er seine Musik auf. Saxophon und die Klarinetten blieben von da an unberührt und mir wurden alle Berufswünsche in Richtung Musik ausgeredet.
Auf dem Boden bei uns stand eine alte Truhe. Darin waren Zeitungsausschnitte: „Heute wieder Tanz mit dem beliebten Hermann K.“ Aber der Hermann hat dann aufgegeben.
Nein, Kriege mit allen Folgen sind durch nichts zu rechtfertigen.

Und zum Schluss nochmal Max Raabe und das Palastorchestermit mit Schlafen geht das kleine Saxophon“. (daher hab ich meine Überschrift, Erinnerungen und die eine oder andere Träne)
Mit meiner Lebenserfahrung jetzt, würde ich meinen Vater in den Arm nehmen und ihm etwas ganz, ganz Wichtiges zu sagen haben. Wenn es doch etwas geben sollte nach dem irdischen Leben jetzt: Dad, warte, wir machen einst beide zusammen Musik!