In Dankbarkeit an das Elisabeth Krankenhaus in Leipzig
Ins Krankenhaus geht wahrscheinlich niemand gern. Ich bin hingeschlichen, voller Angst, manchmal mit schon Panikanfällen. Über den Grund will ich nichts schreiben. Notwendig war es, dass ich dort einrückte.
Ich habe mich für das Elisabeth Krankenhaus entschieden, weil es einen guten Ruf hat, weil man sich dort spezialisiert hat auf das, womit ich angeschlichen kam und weil ich nicht wieder in die Klinik wollte, wo anno dunnemals alles schief gegangen war, was schief gehen konnte.
Heute sind an vielen Orten in Deutschland Demos für Demokratie. Gut finde ich das, und mutmachend. Eine zeitlang hatte ich das Gefühl, dass es es schon wiedermal zu spät ist und der rechte Haufen gewinnt.
Freunde, Familienmitglieder, Bekannte gehen heute zur Demo, in Leipzig aber auch in Berlin. Ich kann nicht mit. Mit dem Rollstuhl in einer wogenden Menschenmasse halte ich es nicht aus, Am Rand stehen will ich auch nicht in der Kälte. Mein Rheuma beutelt mich gerade wieder arg.
Es waren viele Menschen unterwegs, lese ich gerade. Auch das ist mutmachend. Ich habe Bilder gesehen. Alte und Junge waren da und Menschen verschiedener Organisationen und aus Vereinen. Der Zusammenhalt tat gut zu sehen. Auch in Leipzig gab es eine große Demo. Aber das überrascht ich nicht. Leipzig ist schon immer weltoffen gewesen und die, die am Lautesten brüllen, dass sie das Volk sind, sind es eben nicht. Ich bin froh in dieser Stadt zu leben.
Auf Wiedersehen. Es war schön mit dir. Besonders an den trüben Tagen, an denen es nicht richtig hell wurde, hat dein Licht für eine zauberhafte Stimmung gesorgt. Jetzt ist der Schmuck ab und der Glanz vorbei. Du darfst dich jetzt ausruhen bis zum 24. Dezember, wenn meine Tochter und Herr E. dich wieder erstrahlen lassen.
Silvester. Bald beginnt ein neues Jahr. Nur Gutes wünsche ich uns allen und was das ist, weiß jeder am besten. Gesundheit, Wärme und Geborgenheit, Kraft, Freude und Unternehmungsgeist sind bestimmt nur ein kleiner Teil der Wünsche.
Weihnachten ist vorbei. Es war sehr schön mit meinen Kindern. Meine Tochter ist schon lange wieder an der Nordsee und mein Sohn reist morgen ab. Dann wird es wieder still bei uns und ich freue mich schon auf das nächste Mal im nächsten Jahr. Noch einige Tag, dann ist das Jahr zu Ende.
Auch bei uns liegt jetzt ein bisschen Schnee. Der Wacholder vor dem Balkon hat ein Schneemützchen bekommen. Als es noch warm war, hat mir Herr E. einige Spitzen von dem Wacholder vor dem Haus mitgebracht. Die habe ich getrocknet und in ein Gläschen gefüllt. Und genau die Wacholderspitzen brauchte ich jetzt dringend für ein bisschen Gemütlichkeit. Mir ging es nicht gut.
Es hatte einer sein können, ein gewöhnlicher Tag. Er ist es aber nicht, ganau wie die Tage davor. Ich kann meine Ruhe nicht mehr finden. Die Abende sind wieder länger und ich habe meine Wollkiste aufgemacht. Solche Arbeiten zu Hause haben mir immer geholfen, mich zu beruhigen und klarer zu denken. Nein, diesmal klappte das nur bedingt.
Ich kann mich noch erinnern, wie es war als junge Mutter, als mein erstes Kindchen zum ersten Mal krank wurde. Es hatte Fieber, glühte förmlich. Voller Panik packte ich es in den Kinderwagen und rannte im Dauerlauf durch den Leipziger Osten in die Kinderklinik der Uni. Ich glaube, ich kam in einem erbarmungswürdigen Zustand da an. Meinem Kindchen wurde sofort geholfen und mir damit natürlich auch.
Wie wäre es aber gewesen, wenn man mir gesagt hätte, dass man meinem Kind nicht helfen kann, weil es keine Medikamente gibt?
Wenn eines meiner Kinder mal keinen Appetit hatte, begann ich mir Sorgen zu machen. Was aber, wenn sie vor Hunger geweint und geschrien hätten, weil ich ihnen nichts hätte geben können? Was wäre, wenn ich nicht mal Wasser gehabt hätte für den größten Durst und um sie zu säubern?
Weiches selbstgesponnenes Garn. Ich werde mit Weben anfangen.
Vor einigen Tagen gab es in Afghanistan wieder ein schweres Erdbeben. Mehr als 90 Prozent der Todesopfer waren Frauen und Kinder, wie das UN-Kinderhilfswerk UNICEF mitteilte. Nach UN-Angaben waren insgesamt mehr als 12.000 Menschen von den Beben betroffen. Nehmen wir das bei aller Kriegsberichterstattung überhaupt noch zur Kenntnis? Und hätten wir nicht dort genug zu tun, um auch den Menschen zu helfen? Ein Stücke weiter wird eine ganze Region zusammengebombt.
Versteht mich bitte richtig: Jeder hat das Recht, sich zu verteidigen, aber keiner hat das Recht, unschuldige Menschen zu töten. Und es soll mir bloß keiner kommen mit den Sprüchen, dass man die Zivilbevölkerung verschonen will. Für dieses Ansinnen ist es in jedem Krieg zu spät.
Meine Gefühle im Moment kann ich kaum beschreiben. Ich bin traurig, weine. Und manchmal verliere ich den Glauben an das Gute. Und dann wieder rede ich mit meinen Nachbarn, mache das Körbchen vom Gastkater winterfest, erzähle Geschichten und höre zu, verschenke Kräuter, … Die kleine Welt, um mich herum, möchte ich bewahren.
Aber ganz ehrlich: Ein ganz gewöhnlicher Tag wird es einfach nicht.
Nachtrag:
Ich habe drei Kommentare von einem Menschen gerade gelöscht. Wir sind viele Menschen auf der Erde und so gibt s auch viele Meinungen. Manche kann ich mir nicht annehmen. Dann ist es eben so. Man kann sich trotzdem respektieren, denn es gibt ja noch viele andere Dinge, die man durchaus gemeinsam hat. Beschimpfen und beleidigen lasse ich mich aber nicht. Und schon gar nicht, wenn ich gegen Gewalt, Waffen und Kriege bin, sondern für Frieden, Abrüstung und Diplomatie.
Wenn meine Freundin kommt und meint sie muss mir was Gutes tun und mich zum Essen einladen, dann lehne ich das meist ab. Ich bin nicht die, die auf gepflegte Gastronomie großen Wert legt und sich dort besonders wohl fühlt. Das war schon immer so. Zu Hause freue ich mich über meine Linsensuppe, die Gemüsetöpfe aller Art und auch mal über Quarkkeulchen. Joghurt mache ich selber und auch das Brot. Gestern war es uns nun danach, Reformationsbrötchen zu backen. Wir hatten viel Spaß dabei und das Gebackene schmeckte dann zum Kaffee besonders gut.
Immer um diese Zeit gibt es hier in der Gegend dieses besonderes Gebäck, die Reformationsbrötchen. Beim Bäcker war mir aber der Appetit vergangen als ich den Preis dafür sah. Alle Zutaten hatte ich zu Hause, also beschloss ich, ab jetzt selber Hand anzulegen.
Ehe jetzt wieder irgendein Zeigefinger hochgeht: Ich weiß, dass die Reformationsbrötchen der Lutherrose nachempfunden sind, dem Siegel Luthers. Sie hat fünf Blütenblätter. Wir haben nur vier gemacht. Auch die beim Bäcker waren so, wahrscheinlich, weil es so einfacher ist mit der Herstellung.
Die Reformationsbrötchen bestehen aus leichten und fettarmen Teig, Stollenteig nicht unähnlich. Es ist also kein Hexenwerk, die Brötchen herzustellen. Kaufen werde ich nie wieder welche und zu dem momentanen Preisen gleich gar nicht. Irgendwie muss ich schon wichten, sonst komme ich nicht mehr zurecht. Warm war es geworden durch unsere Backerei, Spaß hatten wir auch und schließlich etwas Gutes zum Kaffee. Mehr brauchte es nicht.
Mir geht es gut. Da gibt es nichts zu meckern. Ich denke auch, dass ich mein „Krisenmenagement“ annehmbar bewältige. Mir geht es nur nicht gut, wenn ich daran denke, dass es viele Menschen gibt, die ohne Strom, Wasser und Nahrung, notwendige Medikamente und ohne ein Zuhause leben müssen. Ich hoffe sehr, dass alle Entscheidungsträger einen klaren Kopf behalten und sich dafür einsetzen, dass Leben erhalten wird und nicht vernichtet. Ich glaube fest daran, dass es dann friedlicher werden kann.
Das sind die letzten Dahlien aus dem Garten. Wenn die Knollen der Pflanzen ausgebuddelt und eingelagert sind, dann ist bei uns die Gartensaison vorbei. Noch ein bisschen Winterfestmachung ist nötig und dann halt nur noch das Vögelfüttern. Herr E. wird wohl nun immer alleine in den Garten fahren für den Rest des Jahres.
„Stell dir vor, dass alle Menschen ihr Leben in Frieden leben. Du wirst sagen ich bin ein Träumer, aber ich bin nicht der Einzige. Ich hoffe, dass du dich uns eines Tages anschließt und die Welt wird Eins sein.“
(John Lennon)
So komme ich mir manchmal vor, mit einem Sandsack auf den Schultern, der sich schwer trägt. Da, wo Hitze und Trockenheit nicht den Wald anzünden, sorgen Menschen für Brände. Wo nicht Erdbeben Häuser zerstören, bomben Menschen sie weg. Es ist an so vielen Stellen der Erde Krieg und er ist verdammt nahe gekommen. Krieg, das ist nicht einfach eine Computersimulation, es ist Hunger, Elend, Siechtum, Tod. Und jeder, der einen Krieg anzettelt, schickt Menschen genau dahin, in den Tod. Da ist nichts mehr rückgängig zu machen.
Ich bin meinem Vater heute noch dankbar, dass er über seine Erlebnisse im zweiten Weltkrieg gesprochen hat. Viele konnten das nicht, haben geschwiegen. Mein Vater wollte am Anfang, gerade 18 Jahre alt geworden, ein Held sein und es endete so wenig heldenhaft. Alles Menschliche fällt weg im Krieg. Es fiel ihm schwer, darüber zu reden, aber auf mich hat das, was er zu erzählen hatte, letztendlich mehr Eindruck gemacht als jedes Geschichtsbuch. Ich habe ihm versprochen, dass ich meine Kinder nicht für Kriege hergebe, für keinen Grund der Welt. Es gibt keine gerechten Kriege. Und es gibt an keinem Ort der Welt eine Rechtfertigung, Kinder, ihre Mütter und Väter, Schulen, Krankenhäuser und anderes weg zu bomben.
Ich werde nicht schweigen. Ich träume davon, dass aus Schwertern wirklich Pflugscharen werden. Und ich weiß, dass Kriege durch Machtstreben und Gier entstehen. Nein, es ist nicht ein Ausrutscher eines „Nieselpriems“, wie immer er auch heißen mag. Es stehen knallharte Interessen ganzer Gruppe dahinter, denen es völlig egal ist, was mit den einzelnen Menschen geschieht. Hauptsache, es klingelt in ihrem Säckel. Das meiste Geld lässt sich in der Rüstung verdienen und am besten, wenn das Zeuchs auch noch verballert wird. Um Investoren muss man sich da gerade nicht sorgen. (Das kann man nachlesen in Börsenberichten.) Ein Spielwarenhersteller in Eisleben, der Stahlmöbel für Schulen herstellt, schließt. Ja, klar, wer braucht denn so was?
Noch mehr Waffen verhindern keine Kriege. Man sieht es ja. Im Moment habe ich den Eindruck, dass alles völlig ungehemmt aus dem Ruder läuft. Vor morgen graut es mir.Ich habe Angst.
Vor einigen Tagen habe ich ein unveröffentliches Lied von 1981 von „Zupfgeigenhansel“ gefunden. Bei öffentlichen Auftritten bei Friedensveranstaltungen haben sie es gesungen. Als ich es hörte, kamen mir die Tränen. Manchmal fühle ich mich so schrecklich hilflos. Ich wünsche mir solche Veranstaltungen wieder, nicht nur in meinem Land. Und ich wünsche mir, dass wir wieder mehr miteinander reden, unaufgeregt und ehrlich. Und das wir uns achten und akzeptieren, auch wenn wir nicht immer 100 %ig einer Meinung sind.
Den Sandsack auf den Schultern würde ich so gerne wieder los werden.
Eigentlich wollte ich heute über meine Kräutertinkturen schreiben, aber „ist der Plan auch gut gelungen, verträgt er doch noch Änderungen“. Mir war gestern Abend so, wie einen Film sehen zu wollen. Herr E. las auf dem Balkon und ich musste nicht verhandeln über einen Film. Ich hatte mich für „Forrest Gump“entschieden. Der Spruch von Gumps Mutter: „Dumm ist der, der Dummes tut.“ ging mir danach nicht wieder aus dem Sinn.
Ich weiß nicht, wie oft ich den Film schon gesehen hatte; mindestens aber drei Mal, mit jedem meiner Kinder. Das war mir wichtig. Und nun also auch wieder gestern Abend. Der Film berührt mich jedesmal aufs Neue, weil er von so viel Liebe und Menschlichkeit erzählt und von einem Menschen, der in jeder Situation seines Lebens zurecht kommt und seinen Weg findet. Auf seine Weise. Und so ganz nebenbei bekommt man noch eine kleine Lektion in amerikanischer Geschichte. Forrest wird oft verlacht und als dumm bezeichnet. Und dann kontert er immer mit dem Spruch aus der Überschrift: Dumm ist der, der Dummes tut.
Forrest sagte auch: „Meine Mama erklärt mir immer alles so, dass auch ich es verstehe.“ Das versetzte mir einen Stich, weil ich mich vor Jahren viel damit beschäftigt hatte, wie man lernen und wie viel Freude das machen kann. (Dann wurde ich nicht mehr gebraucht.) Im Schulhort war für mich nicht der Gehaltsscheck das Größte, sondern wenn mich ein Kind aufgeregt an der Hand nahm und sagte: „Mutti, Mutti, komm mal mit. Ich muss dir etwas zeigen.“
Ich mag das Wort „dumm“ nicht. Es ist so ohne Inhalt und eigentlich nur abwertend. Da ist vielleicht jemand langsamer im Denken oder hat durch seine persönliche Entwicklung eine andere Denkweise. Aber dumm? Nein. Manche Auseinandersetzung und manche Wortwahl tun mir weh. Poltergesellen betonen immer wieder, dass sie ja nur ehrlich seien. Das bin ich auch, aber meine Worte werde ich mir noch mehr überlegen als bisher. Und mit Friede-Freude-Eierkuchen hat das so gar nichts zu tun.