Ein Mensch muß sein Hobby schon sehr schätzen, wenn er es ohne Hoffnung auf Ruhm und Geld ausübt, ja sogar ohne jede Chance, es gut zu machen.
– G. K. Chesterton (1874 – 1936) –
Küken filzen, mit der Nadel, ich schicke heute mal diesen kleinen Frühlingsgruß. Ich bin sehr froh, dass ich etwas gefunden habe, was mich so beschäftigt, dass ich Schmerzen und so allerlei Ungemach vergessen kann. Das hat mich durch die Zeit der Pandemie gebracht, sorgt dafür, dass ich auch in Ausnahmesituationen ruhig bleibe und lenkt mich von Schmerzen ab:meine Wolle und die Beschäftigung damit.
Eigntlich wollte ich am Webrahmen sitzen, aber um die Kettfäden drauf zu bringen, brauche ich einen Helfer und Herr E. fällt gerade aus. Also habe ich die Filznadeln ausgepackt und mit der Nadel gefilzt. „Warum mache ich das eigentlich?“, habe ich heute Herrn E gefragt. „Na, du machst das für uns“, war die Anttwort.
Die Drei habe ich schon mal fertig. Spaß macht es, das Küken filzen. Beim Arbeiten kam ich auf die Idee, ihnen Sturmlocken zu verpassen. Ich musste lachen und das ist gut, besser, am besten.
Die Küken werden auf einem Aststück plaziert, mit gefilzten Haselzweigen und Glockenblumen. Und dann kommt es als Osterschmuck oder einfach als Frühlingsgruß ans Fenster. So ein Ästchen hatte ich auf dem Balkon liegen. Ich habe nur die Befürchtung, dass sich Insekten darin angsiedelt haben und ich ihnen den Lebensraum nhme. Deshalb werde ich wohl mal draußen suchen. Ein guter Nebeneffekt!
Ein bisschen bedauere ich es ja, dass ich mein Filzbuch auf Eis gelegt habe, aber es gibt so viele kreative Menschen, die das viel besser können als ich. Es ist gut, wie es ist, aber eine Anleitung sollte ich wieder verfassen. Die ich hatte sind mit meinem Blog damals unter gegangen.
Ich beschäftige mich nun mal wieder mit meinen Blüten und den Schnüren aus Wolle, damit sie von Küken-Ästchen herunterhängen können. Es wird mich ablenken, denn das Rheuma hat gerade Hochsaison. Das Wetter hier und auch so einige Belastungen haben es gut gefördert und unterstützt. Na dann!
Es sind die Menschen, die ein Land liebenswert machen.
Heute möchte ich mal wieder von meiner Reise erzählen, genauer, ich möchte eine der Nachbarn vorstellen.
Ich gehöre nicht zu den Menschen, die in ein anderes Land fahren, sich mit einem Drink in die Sonne bratzeln und das war’s. Auch von einer Touri-Ecke zur nachsten zu hetzen, ein Selfi machen und weiter rennen, ist nicht mein Ding.
Ich will wissen, welche Pflanzen und Tiere da wohnen, wie die Landschaft aussieht, wie es riecht (sehr salzig am Ozean zum Beispiel) und vor allem, wie die Menschen sind. Wie wohnen sie? Welche Freiheiten haben sie, ihr Leben zu gestalten? Ich will wissen, was man hier isst und worüber man lacht. Ich schreibe bestimmt noch über einiges.
Tracy wohnt im Haus neben meiner Tochter, gehört zu ihren Nachbarn. Wir hatten sie schon mal kurz auf der Straße getroffen, wo sie uns sagte: „Ich koche für euch.“ Das hat sie dann wirklich getan und zwar hervorragend. Das bekocht werden ist mir hier öfter passiert. Ich glaube, es ist eine Art Wertschätzung, ein sich um andere sorgen und kümmern. Es ist Freundlichkeit und Willkommen. Das alles trifft auf viele Menschen hier zu und es hat mir gut getan.
Tracy ist ein ganz lieber Mensch, eine Nachbarin, wie man sie sich wünscht. Als der kleine Wüstenhund, der Hund meiner Tochter, sich mal alleine fühlte und weinte, hat sie ihn zu sich ins Haus geholt. Er durfte dann bei ihr auf dem Sofa liegen bis seine Leute wieder kamen. Überhaupt ist mir aufgefallen, dass unter Nachbarn kaum gemeckert wird (Wir sind da wahrscheinlich Weltmeister!). Man ist sehr tolerant. Auf der anderen Seite des Flusses übt einer Metal, Nirvana und so. Er muss nicht um sein Leben fürchten; man lässt ihn üben.
Als ich mal im Garten meiner Tochter saß, hörte ich Gesang. Da sang sich jemand ein, übte Liedsequenzen, verschiedene Tonarten. Als ich dann Tracy kennengelernt hatte, wusste ich, dass sie das war. Tracy ist Background-Sängerin, singt aber auch Solo und schreibt Lieder für andere.
Mit Eminem (Achtung: Link führt zu Youtube) hat sie gesungen, Christina Aquilera und vielen anderen. Dass ich Eminem sehr mag, habe ich vielleicht schon mal erzählt. Nett ist er, sagte Traci. In ihrem Haus hängen viele goldene Schallplatten. Platin auch. Wenn ein Sänger das gewinnt, bekommen die, die an der Produktion beteiligt waren, auch eine.
Liebe Tracy, ich freue mich sehr, dass ich dich kennenlernen durfte und danke für das leckere Essen. Es sind die Menschen, die ein Land liebenswert machen. Du hast mir Deines nahe gebracht. Wenn du mal in Leipzig, in Germany, sein solltest, dann werde ich für dich kochen. Nice to meet you, Tracy.
Eigentlich wollte ich schon längst am Webrahmen sitzen, aber manchmal kommt es anders als geplant. Ich hatte mit der Zeitverschiebung von LA hierher und mit einem Rheumaschub zu kämpfen und dann hatte Herr E. einen Unfall. Gestern nun hatte er endlich seinen OP-Termin, nachdem er einige Tage mit seinen kaputten Knochen klar kommen musste. So eine große Hilfe als Hilfskrankenpfleger bin ich ja nun nicht. Naja und so war eben Funkstille.
Über Krankengeschichten schreibe ich nicht gerne. Das erinnert mich so an die Geburtstage meiner Tanten. Ich saß als Kind da und musste mir das anhören. Ich merke aber, dass etwas gewaltig nicht stimmt in unserem Gesundheitswesen. Und nicht nur dort, auch in den Schulen und Kindereinrichtungen und in anderen Bereichen, die keinen Gewinn erwirtschaften. Da kann man ruhig sparen und alles sich selbst überlassen. Man muss sich dann nur nicht scheinheilig wundern, wenn einiges aus dem Ruder läuft oder 12 jahrige Kinder Dinge tun, die man sich kaum vorstellen kann.
Mein Gastkater kommt nicht zu mir in die Wohnung. Schade, denn ich hätte ihm gerne mal ins Fell geheult, wie den Katzen, die bei mir wohnten. Aber sein Kasperletheater mit den Krähen draußen, veranstaltet er noch immer. Damit bringen mich die Viechter da draußen immer wieder zum Lachen.
Die Krähen und der Kater kennen sich schon. Mir ist aufgefallen, dass sie sich nichts tun, nur ein Schauspiel abziehen wie beim Wrestling. Die Krähen bauen danach an ihrem Nest weiter und der Kater geht in seinen Korb auf meinem Balkon. Ist ja auch anstrengend, so ein Schaukampf!
Ach ja , zum Nestbau fällt mir noch etwas ein. In der hohen Tanne, am Nest (grüner Pfeil) bemerkte ich gestern etwas Rotes und dachte so bei mir: “ Da hat der Wind wohl jemand den Schlüpper von der Leine auf die Tanne gezerrt?“ Es war aber Absperrband, was die Krähen da hoch bugsiert hatten (roter Pfeil). Ich muss also keine Sorge haben, dass jemand seine Dessouses sucht. Dass aber überall Plastikmüll herumliegt, ärgert mich sehr. Für den Nestbau ist das ungeeignet. Das haben meine Krähen dann wohl auch gemerkt.
Ich war die letzten Tage immer so unkonzentriert in meiner selbstauferlegten Funkstille, aber eine kleine Filzerei mit der Nadel habe ich dennoch fertig gebracht. Es sind inzwischen schon einige Küken entstanden. Ich weiß noch nicht, ob ich sie zu Ostern an die Büsche vor meinem Balkon hänge oder gleich verschenke. Hier wohnen einige Menschen, denen es gerade nicht gut geht. Vielleicht ist es ein ganz kleiner Trost, weil da jemand ist, der an einen denkt.
Ich arbeite jetzt meine Kalifornienreise weiter auf. Auch da habe ich noch einiges zu erzählen, weil das andere Land meine Sicht auf die Welt verändert hat. Funkstille aber will ich nicht wieder haben, es sei denn, mir gehen die Themen aus.
Ach, ich muss doch mal wieder etwas vom Gastkater zeigen. Als ich bei der Heimreise mit dem Rolli von der S-Bahn nach Hause rollerte, regnete es ziemlich stark. Ich kam nass und kalt zu Hause an und es passierte, was passieren musste: Ich bekam am anderen Tag einen Rheumaschub, der es in sich hatte. (Darüber schreibe ich nicht gerne.)
Mit der Zeitverschiebung habe ich auch noch zu kämpfen. Diesmal ist es heftiger und ja, wir waren diesmal lange am anderen Ende der Welt. Ich hatte es satt, wollte mir einfach mal die Decke über den Kopf ziehen. Daraus wurde allerdings nichts. Ein Glück, dass es den Gastkater gibt. Der ließ mich einiges vergessen, weil er wiedermal draußen im Hof ein Gastspiel aufführte.
„Komm mal her!“, rief Herr E. und führte mich ans Fenster. Ich wusste nicht gleich, was er mir eigentlich zeigen wollte. Vier Raben sah ich allerdings, die in dem Kirschbaum vor dem Küchenfenster herum hüpften und eigenartige Töne von sich gaben. Es klang, als würden sie lachen, und zwar so richtig hämisch.
„Na kuck doch mal genau hin“, sagte Herr E. Da sah ich den Gastkater weit oben im Baum herum klettern. Ein Rabennest war da nicht. Erwischt hatte er auch keinen der Raben. Vielleicht hat er es versucht, aber die Raben sind schlau und nun machten sie sich über den armen Findus lautstark lustig. Und wie!
Der trat schließlich den Rückzug an, nicht ohne dass die Raben ihn begleiteten und angackerten. Findus fand das gar nicht lustig, denn heute ließ er sich erst spät am Abend blicken. Vielleicht musste er die Schmach erstmal verwinden.
Tja, so ist das eben: Wer anderen eine Grube gräbt, …, braucht für den Spott nicht zu sorgen.
Flugzeug umdrehen, scharfer Schlenker über den Pazifik und ab nach Hause
Ich bin wieder zu Hause und inzwischen auch so einigermaßen erholt vom Rückflug von Los Angeles. Der Flug startete mit Verspätung. Der Pilot begrüßte uns mit den Worten: „Wir haben das Flugzeug umgedreht, machen noch einen kurzen Schlenker über den Pazifik und fliegen dann mal nach Hause.“
Viel Zeit hatte man mit dem Flugzeug nicht. Auftanken, Wasser rein für die Klospühlung, Essen fassen, technicher Check und wieder los. Der Rückflug von Los Angeles konnte beginnen. Gut, dass ich genug Reinigungstücher im Handgepäck hatte. Wenn man aber am Ziel angekommen ist und sieht, wie das Flugzeug aussieht nach 12 Stunden Flug, dann entsetzt mich das schon. In den höherpreisigen Angeboten sah es nicht besser aus. Die armen Menschen, die da putzen müssen.
Es war eine lange Reise an diesem Tag. Wir waren insgesammt 26 Stunden unterwegs, ohne Schlaf. Wir konnten beide nicht schlafen, obwohl Nachtflug befohlen war mit Rollo runter und Licht aus. Die kurze Zeit bis zum Abend nutzte ich, um noch einige Fotos zu machen. Es sind nur Handyfotos. Die Kamera hätte ich nicht mehr halten können. Mir ist das aber egal. Die Bilder aus der Luft vergessen ich nicht wieder.
Ein letztes Mal sah ich die Stadt der Engel, die ich so liebe. Manches erkannte ich von oben wieder. Ich war ja eine ganze Weile hier und habe viel erlebzt und gesehen. Ich sah, wie sich der LA-River durch die Stadt schlängelt. Irgendwo da hinten, an den Bergen, fließt er am Hause der Tochter vorbei. Wenn ich in ihrem Garten saß, sah ich öfter Flugzeuge starten. Jetzt saß ich in einem Solchen.
Der Abschied auf dem Flughafen und der Rückflug von Los Angeles war schrecklich für mich. Meine Tochter hat uns gebracht und das Check in überwacht. Das war auch gut so, weil man von meinem Rollstuhl nichts wusste. Meine Tochter hatte aber höchstpersönlich bei der Fluggesellschaft angerufen und nochmal nachgefragt. Sie konnte das nun für mich gut klären. Tja, und dann kam der Moment, wo sie uns nicht mehr begleiten konnte.
Nach LA kann man nicht einfach mal so sausen. Ich habe immer Angst, dass ich sie oder den Enkel das letzte Mal sehe. Ich habe erstmal geheult wie ein Schlosshund und war froh, dann ich mit den Bildern und dem, was ich unten sah beschäftigt war.
Wisst ihr, wie schön unsere Erde aussieht von Oben? Ich habe so vieles entdecken können auf dem Fluf zur kanadischen Grenze.Dann waren erstmal die Rollos unten und draußen eh Finsternis und Nacht. Der Sonennaufgang von von soweit oben sieht phantastisch aus. Der Himmel strahlt förmlich, rötlich bis golden und darunter blau, welches immer mehr seinen Magentaton annimmt. Island übrigens sieht aus wie ein Altenburger Huckelkuchen mit Puderzucker.
Und nun bin ich also wieder zu Hause, traurig, weil ich die Familie verlassen musste. Die Sonne wird mir fehlen, denn auch wenn es kalt war habe ich mein Sonnenbad fast jeden Tag nehmen können. Bestimmt schreibe ich noch über die Stadt und die Menschen, die ich da getroffen habe. Jetzt muss ich erstmal richtig wieder ankommen. Nachts um Viere werde ich nämlich munter und habe Hunger wie ein Bär nach dem Winterschlaf. Und heute habe ich bis um Zwölfe geschlafen. Tja!
Gestern, am Sonntag, waren wir in Chinatown in Los Angeles. Das erste Chinatown in LA wurde dem Erdboden gleichgemacht, um Platz für die Union Station zu schaffen. Schon das erste Chinatown gehörte chinesischen Einwanderern. Das Zweite erlebte eine moderne Renaissance mit Kunstgalerien, angesagten Restaurants bis hin zu Bruce Lees ehemaligem Studio.
Da war ich nicht, aber hier, in LA, fing es an.
Es war ein grauer Tag. Früh am Morgen hatte es geregnet und die Sonne ließ sich nur selten blicken. In Chinatown aber war ich überwältigt sowohl von der Farbenpracht der Häuser als auch den vielen individuellen Gestaltungen.
Geschäfte zum Beispiel gab es natürlich auch im Überfluss, wo man alles kaufen kann, von Tinnef bis hin zu sehr schönen Sachen. Ich hatte die größte Hochachtung vor den Frauen, die in ihrem Geschäft beispielsweise nähten, stickten, bügelten, Kunden bedienten und dabei immer freundlich waren. Früchte konnte man kaufen, die hatte ich noch nie gesehen.
So viele Touristen sind mir gar nicht aufgefallen, eher Einheimische, für die der Markt wegen seiner Preise sehr lukrativ ist. Wir waren sowas wie Exoten. Meine Tochter wurde gefragt, welche Sprache das ist, die wir sprechen. Und dann wollten sie auch noch wissen, wie lange wir bis LA geflogen sind von Deutschland. 12 Stunden? Das löste Erstaunen aus
Dieses Motiv hat mir gefallen, wiewohl der Himmel auch grau in grau war. Und ich zeige es dennoch hier im Blog, damit ich mich an mein Schmunzeln später immer erinnern kann.
Wir hatten immerhin Glück mit dem Wetter. Auf der Rückfahrt sahen wir aber, dass sich über meinen Lieblingsbergen schon wieder etwas Heftiges zusammenbraute.
Für mich war es gestern wieder ein schöner Tag und zugleich noch ein interessanter dazu. Ich hätte mich gerne mit den Leuten dort unterhalten, aber dafür spreche ich viel zu wenig Englisch. Zu Hause werde ich bestimmt noch etwas schreiben über das Land und die Leute. Jetzt bin ich erstmal für die Familie da, bevor ich wieder nach Hause fliege.
Ich friere ja immer schnell und so kauften wir für mich auf einem mexikanischen Markt eine Decke. Die Farben passten, wie ich so auf die Schnelle sah. Am Abend legte ich die Decke auf mein Bett. Sie wird mich warm halten in der Nacht. Im Moment ist es etwas kühl. Der Schwiegersohn meinte: „Oh, das ist ja die Jungfrau von Guadalupe auf der Decke.“
Das machte mich nun neugierig. Wer war die Jungfrau von Guadalupe?
In Guadalupe in Spanien gab es ein Kloster mit einer besonderen Marienstatue. Dahin begab sich Kolumbus, um von ihr den Segen für seine Weltreise zu erbitten. Als er 1492 auf eine unbekannte Inselgruppe im vermeintlichen Indien stieß, nannte er sie der Gottesmutter zu Ehren „Santa Maria de Guadalupe de Estremadura. Und damit brachte er den Kult um die Jungfrau von Guadalupe in die Neue Welt.
1545 verfasste der Indigene Literat Antonio Valeria eine Schrift zur amerikanischen Guadalupelegende. Danach soll dem Indigenen namens Juan Diego Cuauhtlatoatzin am 9. Dezember 1531 eine Jungfrau erschienen sein. Sie bat ihn, beim örtlichen Bischof vorzusprechen und ihr zu Ehren um die Errichtung einer Kapelle zu bitten. Der Bischof glaubte ihm nicht, obwohl Juan Diego sein Anliegen drei Mal vorbrachte. Juan Diego kehrte ein viertes Mal nach Tepeyac zurück, wo ihm die Jungfrau anwies, Blumen zu pflücken und in seinen Mantel gehüllt zum Bischof zu bringen. Als er dort ankam, fielen die Blumen heraus, hinterließen einen Abdruck, der sich nach und nach in das Antlitz der Jungfrau verwandelte.
Das Rosenwunder war geboren. Die Kapelle wurde gebaut und ist inzwischen zu einem der wichtigsten Wallfahrtsorten der Welt geworden.
Die Jungfrau von Guadalupe ist dunkelhäutig. Ihr grüner Mantel und ihr mit Blumen bedrucktes Kleid mit Gürtel soll sagen, das sie schwanger sei. Die indigenen namen diese Figur an und viele konvertierten zum Christentum.
Es gibt aber auch Zweifel an der Geschichte. Ja, die Jungfrau von Guadalupe wird sehr verehrt und spielte eine große Rolle im mexikanischen Befreiungskampf gegen Spanien. Es ist egal, ob man Christ ist oder nicht. Die Jungfrau gilt als Schutzpatronin Mexikos. Aber die Jungfrau ist Juan Diego in Tepeyac erschienen. Dort hatte einst der Tempel einer aztekischen Göttin, der Erdmutter Tonantzin gestanden. Viele waren der Meinung, dass die Göttin wieder auferstanden sei. Also musste ganz schnell eine andere Legende und ein Wunder her. Sind wir doch mal ehrlich: Missionieren konnte die katholische Kirche immer gut. Das ist mir hier an vielen Orten besonders aufgefallen.
Nachlesen kann man das alles unter anderem hier, wenn es interessiert. Ich hatte jedenfalls meine Kuscheldecke und wieder ein Stückchen Geschichte dazu bekommen. Die Decke wärmt mich fein, denn nachts wird es im Haus ganz ordentlich kalt.
Ach ja, in Kalifornien ist der Feiertag zu Ehren Kolumbus umbenannt worden in „Tag der Indigenen“. Das finde ich sehr gut und auch richtig.
So sagt man doch immer, wenn man reden will oder muss und es fällt einen kein Thema ein. Mir fällt eine Menge ein, aber das ist alles verschoben, denn ich möchte über das Wetter reden.
Viele jüngere Freunde können sich nicht erinnern, so einen Winter im Sonnenverwöhnten Kalifornien erlebt zu haben. Vor sechs Tagen sind wir mit der Tochter nach Long Beach gefahren. „Lasst uns mal heute noch fahren,“ meinte sie, „das Wetter wird schlecht.“ Ich konnte das gar nicht glauben, denn es war sonnig bei 24 Grad. Gut, dass wir waren.
Am nächsten Nachmittag tröteten alle unsere Mobilgeräte los. Unwetterwarnung vor Kälte, Sturm, Schnee und Überflutungen! Ich war so was von erschrocken, aber hier scheinen die Warnungen zu funktionieren. Solche Warnungen kamen noch einige Male, einmal mitten in der Nacht. Man soll zu Hause bleiben, wenn es irgendwie geht, hieß es. Das taten wir dann auch und es war gut so. Die Warnungen erscheinen hier immer in Spanisch und in Englisch.
Sturm ist man hier gewöhnt. Die Santa-Ana-Winde, Teufelswinde genannt, gibt es im Winter immer. Solches Wetter erschüttert niemanden. Der Wind jaulte gruslig um das Haus. Alle haben nicht besonders gut schlafen können. Meine Schamanenpalmen bogen sich erschreckend und ich habe alle Minuten aus dem Fenster geillert, ob sie noch stehen.
Dann fing der Regen an. Es klatschte so viel Wasser in den Garten und in den Hof, dass man meinen konnte, jemand kippt eimerweise Wasser oben aus dem Haus. So heftigen Regen habe ich vielleicht früher in den Gewittern mal erlebt, aber das nur wenige Minuten. Mehrere Tage ging das nun so. Als das klatschende Geräusch des Regens zu einem intensiven Klopfen wurde, trieb es mich ans Fenster. Es hagelte und die Körner landeten auf dem Spielhaus des Enkels und hüpften wieder hoch. Viele Videos sah man dann im Netz, denn so etwas ist hier ungewöhnlich.
Ein Stücke hin sind meine Lieblingsberge. Meine Familie macht schon immer Witze, weil sie in Santa Gudrun Mountains umbenannt werden sollten. 😀 Die Berge sind nicht besonders hoch und sie sind nahe an der Stadt Los Angeles. Meine Tochter hat noch nie Schnee darauf gesehen. Jetzt waren sie eingeschneit. Heute vormittag schien die Sonne und der Schnee schmolz rasch. Ein bissel Schneelandschaft habe ich gerade noch erwischt.
Ansonsten hat es bei uns in Los Angeles nur geschüttet wie aus Kübeln. Es werden schon wieder weitere Regenfälle angekündigt. Es sieht auch gerade so aus, als wenn sich die Schleusen jeden Moment öffnen. Nein, das Wetter gefällt mir gerade gar nicht. Der Los Angeles River hinter der Gartenmauer hat ordentlichen Wasserstand. Vor einigen Tagen hatte ich ihn noch als Rinnsal bezeichnet. „Das ist aber eine Dreckbrühe“, sagte Herr E. Klar doch, der Fluss kommt aus den Bergen und bringt in hoher Fließgeschwindigkeit allerlei Erde von den Berghängen mit.
Warum ich über das Wetter schreibe? Es wird allgemein eingeschätzt, dass das, was gerade hier passiert (es ist noch nicht vorbei), eine Folge der Klimaveränderungen ist. Mit dem Jetstream z. B. und seinen Einfluss auf das Wetter sollte man sich mal beschäftigen. (Man kann es nachlesen.) Ich schreibe dazu hier nichts: es sprengt den Rahmen. Fakt ist, dass es den Zusammenhang gibt und die Auswirkungen immer extremer werden, wenn wir nicht endlich zusammenrücken und nach Lösungen suchen. Es ist egal, an welchem Ort der Erde wir uns befinden, denn es betrifft uns alle und überall.
Kalifornien hat übrigens ein gutes Umweltprogramm, aber es gibt auch noch eine Menge zu tun. Ich wünsche mir überall solche Bestrebungen mit solcher Konsequenz. Und ich wünsche mir überall die Möglichkeiten, das durchsetzen zu können, also Unterstützungen für ärmere Länder. Darüber schreibe ich bestimmt mal noch, irgendwann, wenn ich wieder zu Hause bin. Und überhaupt weiß ich mal wieder, was ich noch zu tun habe in meinem Leben. Wenn ich Nachrichten lese, frage ich mich allerdings: Spielt das Thema überhaupt noch eine Hauptrolle?
Uns geht es gut und es ist uns nichts passiert. Andere hatten da weniger Glück. Bei meinem letzten Besuch tat es mir weh, Bäume sterben zu sehen ob der anhaltenden Trockenheit. Jetzt konnten sie sich in der aufgeweichten Erde und dem heftigen Sturm nicht halten. Es tut mir leid um jeden Baum in den Parks und Naturreservaten. Der Flughafen war überflutet. Ich hoffe, dass das nicht wieder passiert, wenn ich den Rückflug antreten werde.
Es gibt Länder, in denen würde ich nicht leben wollen. Ich habe auch nicht die Absicht, auswandern zu wollen. Wenn es aber angebracht oder nötig wäre, dann käme ich hier zurecht. In diesem Land könnte ich leben. Mir wurde schon gesagt, dass Kalifornien nicht die USA seien. Gemeint ist, dass das, was ich hier erlebe, nicht für andere Bundesstaaten zutrifft. Das weiß ich.
Was Gleichstellung, Frauenrechte, Rechte von Minderheiten u.ä. anbelangt, gefällt mir vieles, was von der Gesetzgebung in Kalifornien festgelegt ist. Bis das durch die Köpfe durch ist, dauert es ja bekanntlich immer ein bisschen. Das ist bei uns ja nicht anders.
Begeistert bin ich von der Freundlichkeit hier im Land. Man wird auch im Supermarkt begrüßt und wenn man geht, wünscht man sich einen schönen Tag. Die „ewig alles Anzweifelnden“ würden jetzt wieder etwas von Oberflächlichkeit faseln. Man kann es nennen wie man will, ich bin mit einem Lächeln gekommen und mit einem wieder gegangen. Und das hat mir unglaublich gut getan.
Wir haben eine Schiffstour durch den Hafen und an der Küste entlang gemacht. Als wir an der Anlegestelle ankamen, stand da schon eine lange Schlange. Jemand von der Crew kam und begleitete mich im Rolli als erste in das Schiff. Genauso wurde mir wieder beim Aussteigen geholfen, lieb und aufmerksam. Die Rücksichtnahme auf Behinderte spüre ich ständig, bei den Menschen, auf der Straße im Verkehr, im Supermarkt, immer.
Wenn man hier eine Idee hat und in seiner Garage ein start up gründet (scherzhaft habe ich ja mal gesagt, dass ich eine Marmeladenbude aufmache), ist das viel einfacher als bei uns. Es gibt halb so viele Vorschriften und Verordnungen, wahrscheinlich, weil es gut ist, wenn man etwas für sich selber tut und nicht nur auf Hilfe angewiesen ist. Vom Tellerwäscher zum Millionär wird wahrscheinlich eine Legende bleiben, aber am Machen hindert einen niemand. Da gibt es viel Freiheit.
Das Leben in Los Angeles ist teuer, die Wohnkosten ganz besonders. Ich würde meine Rente hier bekommen und weil die jämmerlich ist, zahlt der Staat Kalifornien dazu. Auch eine staatliche Krankenversicherung würde ich bekommen und einige Unterstützung wegen meiner Behinderung. Bleiben darf ich, weil meine Tochter hier lebt und arbeitet, US-Bürger ist.
Manches ist allerdings überall gleich: die Bürokratie. Sich da durch zu wursteln ist nicht ganz einfach. Ich hätte da noch Glück, weil meine Tochter damit beruflich ständig zu tun hat und sich auskennt.
Einkaufen gehen wir hier inzwischen auch alleine. Ich war beim Frisör. Beim Arzt war ich nicht und das sollte auch so bleiben. Angst davor hätte ich allerdings nicht. Wenn man muss, dann geht so vieles. Hemmungen fallen alsbald weg.
Heute habe ich einen Zitronenkuchen gebacken. Die Maßeinheiten umrechnen geht inzwischen gut, die Temperatur am Backofen von Celsius in Fahrenheit auch. Die Vokabeln für die Backzutaten sind nun auch im Kopf. Alles bestens, würde ich mal sagen.
Fazit: Ja, ich könnte hier leben. Und ja, ich freue mich aber auch wieder nach Hause zu können. Die Fragestellung, ob ich in einem anderen Land leben könnte, ist für mich als Ostdeutsche besonders interessant und auch ein bisschen neu. Ich habe mich das bisher noch nie gefragt.
Es hat übrigens heute gegraupelt. Kalt ist es noch mal geworden. Es ist eben Winter in Kalifornien und der ist in diesem Jahr ungewöhnlich kalt. Die Wüste ist halt auch gleich nebenan. Mein tägliches Sonnenbad habe ich aber bekommen. Alles ist gut.
Zum Bloggen komme ich einfach nicht oft. Schlimm ist es nicht. Manchmal ist es gut, wenn man man in der Versenkung verschwindet und außerdem geht das Leben in der Familie immer vor. Mein Enkel ist zu goldig. Aber von den Besuch in den Vasquez Rocks möchte ich erzählen.
Vasquez Rocks ist ein Park in den Sierra Pelona Mountains im Norden des Los Angeles County, etwa eine Autostunde entfernt von Los Angeles. Wegen des bizarren Aussehens wurden die oft in steilen Winkeln nach oben ragenden Felsen zu Drehorten der besonderen Art gewählt. Captain Kirk zum Beispiel kämpfte hier seinen legendären Kampf gegen die Aliens.
Um 1873 nutzte der bekannte und kontrovers diskutierte kalifornische Bandit Tiburcio Vásquezdas Gebiet als Versteck vor den Gesetzeshütern; daher der Name. Die Stadt Los Angeles erwarb nach und nach das Gebiet, so dass es heute ein einzigartiger Naturpark ist, in dem man gut wandern kann.
Wandern konnte ich natürlich nicht. Mit dem Rolli musste ich sehen, dass ich über Stock, Stein und Sand kam. Einfach war es nicht, aber ich hatte ja meine Familie bei mir. Zwischen den Felsen fühlte ich mich, als ob mir die ganze Welt gehört; auch wenn ich nicht da hinauf klettern konnte.
Schiefer-, Basalt- und rötlich-braunen Konglomerat findet man hier, manchmal eingebettet in Sandstein. Der Boden ist karg und doch sieht man Pflanzen, die dann besonders schön wirken. Ich habe noch nicht heraus gefunden, was das für ein Blümchen ist. Ich bleibe aber dran.
In dem Felsen und in der harten Erde befinden sich keine Höhen. Zu gerne hätte ich gewusst, wer da lebt. Zu sehen war keiner. Ich schätze, dass das Leben in der Dämmerung beginnt. Dann kehrt Ruhe ein im Gelände.
Vor einigen Jahren hatte mein Sohn mal die wahnwitzige Idee, in der Wüste zelten zu wollen. Man hat es ihm erfolgreich ausgeredet, aber ich habe uns schon mal einen Zeltplatz heraus gesucht. 🙂 Ob es allerdings angenehm wird? Mmmm.
Auf der Rückfahrt hat mich meine Tochter aufmerksam gemacht, dass die Hänge der Berge beginnen sich gelb zu verfärben. Das ist der Anfang der Mohnblüte. In wenigen Woche ist alles komplett gelb. Zu Hause hatte ich kalifornischen Mohn in meinen Pflanzkasten gesät. Fein gewachsen ist er, aber geblüht hat er nie. Im fehlte die nötige Menge an Sonne. Wenn ich wieder zu Hause bin, versuche ich es noch mal. Der Mohn bekommt das sonnigste Plätzchen im Garten.